Wie ist die Faktenlage tatsächlich?

Viernheim (MB) – Dieser Tage hat ein Stadtverordneter der UBV den übrigen Stadtverordneten und der Stadtverwaltung vorgeworfen, Fakten zu ignorieren.

Stimmt das, was er schreibt? Wie ist die Faktenlage?

Das„ Forum der Senioren“(FdS) befindet sich schon seit Jahren -ganz entgegen der Behauptung des obigen Stadtverordneten- in Konkurrenz mit anderen Pflegeeinrichtungen. Das FdS ist im Radius von 5-10 Kilometern Luftlinie von zahlreichen stationären Einrichtungen umgeben, die ebenfalls aktiv ihre Pflegeplätze anbieten. Längst ist der mit der Einführung der Pflegeversicherung gewollte Pflegemarkt in der Metropolregion Rhein-Neckar entstanden.

Es ist dabei nicht nur ein Markt, in dem Pflegeheime untereinander konkurrieren, sondern ein Markt, in dem verschiedenste Dienstleister, wie z.B. auch ambulante Dienste, Anbieter von ambulant betreuten Wohngemeinschaften oder Hospize (Pflege-)Leistungen für ältere Menschen erbringen.

Die pflegerische Versorgung wird dabei nur zu einem Viertel in stationären Einrichtungen erbracht. Ein weiteres knappes Viertel erbringen die ambulanten Dienste. Mehr als die Hälfte aller Pflegebedürftigen aber beziehen Pflegegeld und werden zu Hause betreut und stellen dabei die größte Versorgungsgruppe da. Letztlich spiegelt sich darin auch der Wunsch der meisten älteren Menschen, solange wie möglich zu Hause pflegerisch versorgt zu werden.

Die Betrachtung der UBV verkennt diese im letzten Jahrzehnt entstandene pflegerische Angebotsvielfalt. Sie vermittelt den Eindruck, dass Pflege nur im klassischen Altenheim stattfinden kann.

Sie verkennt auch die vorhandene Konkurrenzsituation zwischen den zahlreichen vielfältigen, nicht nur stationären Anbietern, im nahen Umkreis.

Auch scheint der betreffende Stadtverordnete und seine weiteren Fraktionsmitglieder die jährlich auch ihm vorgelegten Wirtschaftspläne des FdS nicht zu lesen. Wie kann er -in Angesicht der Fakten- ansonsten zu der Behauptung kommen, das der Stadtverordneten-Versammlung und dem Bürgermeister die älteren Menschen nicht mehr wert wären „als ein Blumenstrauß“?

Die Fakten: In 2014/2015 wurden 1,5 Mio. € investiert, um 25 neue stationäre Pflegeplätze zu schaffen (jetzt 154). In ein Sanierungspaket für Dach und Fassade wurden anschließend weitere 500.000 € investiert. Gerade aktuell kommen Umbau und Modernisierung eines ganzen Wohnbereichs im ersten Stock für weitere 900.000 € zum Abschluss. In das Betreute Wohnen in der Seegartenstraße werden weitere 100.000 € investiert. In die Wärme- und Stromversorgung nochmals rund 250.000 €.

Das sind alles Investitionen, die für ältere, pflegebedürftige Menschen vorgenommen werden. Und sie werden sogar selbst erwirtschaftet.

Auch die tatsächlichen Fakten in den Planungsdaten der für uns relevanten Gebietskörperschaften des Landkreises Bergstraße und der Stadt Mannheim sind interessant. Der zitierte Altenhilfeplan des Kreises Bergstraße aus dem Jahr 2017 kommt auf Seite 35 zu dem Schluss: „Auf den gesamten Kreis gesehen, ist das Angebot an Pflegeplätzen mehr als ausreichend“. Es besteht, je nach Rechengröße, hiernach ein Überhang von 594 – 1271 Pflegeplätzen im Kreis Bergstraße.

Zu einer nahezu identischen Einschätzung kommt auch die benachbarte Stadt Mannheim in ihrem „Bericht zur Lebenslage ältere Menschen“ (2015, S. 65): „Insgesamt ist in den letzten Jahren das Pflegeplatzangebot in Mannheim schneller als die Nachfrage gewachsen“. Und:

„Viele Betreiber der Pflegeheime stehen in Mannheim heute vor Belegungsschwierigkeiten. Hinzu kommt, dass auch im benachbarten Ludwigshafen Überkapazitäten bestehen.“

Von erheblicher Bedeutung ist auch, wie die konkrete Belegungssituation im FdS tatsächlich aussieht: Aktuell und durchschnittlich kommen „nur“ rund 75%  der Bewohner und Bewohnerinnen direkt aus Viernheim. Im Umkehrschluss kommen 37 Bewohner, also rund 25%, aus der Region.

Viele Nutzer sind aus Weinheim, Heddesheim, Mannheim usw. Würde man die Bewohnerstruktur anderer Einrichtungen in der Region analysieren, wäre das sicherlich ähnlich und man würde dort auch Viernheimer Bürger finden. Das belegt, dass die stationäre Altenhilfe zwar einen örtlichen Bezug hat, längst aber regional handeln muss. Oft spielen auch wirtschaftliche Aspekte bei der Wahl der Einrichtung eine Rolle.

Das „Forum der Senioren“ braucht also aktuell viele auswärtige Bewohner, damit eine wirtschaftliche Auslastung erreicht werden kann. Umgekehrt formuliert, wäre heute sehr wahrscheinlich ein Großteil der Viernheimer Plätze nicht belegt, wenn man nur auf die Nachfrage aus Viernheim setzen würde.

Sollten all diese und noch weitere Fakten Grundlage für das Handeln von gewählten Stadtverordneten sein? Selbstverständlich. Auf jeden Fall ist diese Grundlage deutlich qualifizierter, als die von der UBV vorgetragenen gefühlsmäßigen Empfindungen oder deren Unterstützung für rein privatwirtschaftliche Interessen eines Unternehmens.

Als Fazit ist festzustellen:

Aktuell besteht kein Bedarf an zusätzlichen stationären Pflegeplätzen in Viernheim und auch nicht in der Region. Perspektivisch kann dies anders werden: Es gilt, die Entwicklungen am Pflegemarkt genau zu beobachten und entsprechend zu reagieren. Man muss mit den Akteuren im ständigen Gespräch sein und bleiben. Genau dies erfolgt.

Die Stadt Viernheim vergibt derzeit keine „Chance“, in dem sie aus Städtebau-Gründen ein Unternehmerinteresse nicht bedient. Sie hat in einem tatsächlichen Bedarfsfalle die Chance, mit einer Vielzahl von Anbietern ins Gespräch zu kommen und den für Viernheim bestmöglichen Akteur zu finden.