„Nachhaltigkeit in der Schule lernen und erleben“

Bensheim (KK) – Wie können wir Lernen und Unterricht so gestalten, dass Schüler*innen Verantwortung für unsere Umwelt und die Gesellschaft übernehmen? Wie kann Schule ein gelebter Ort der Nachhaltigkeit werden und eine Vorbildrolle in der Gesellschaft übernehmen?

Mit diesen und weiteren Fragen beschäftigten sich 25 Schüler*innen, Lehrer*innen und Eltern aus mehreren Schulen der Region beim diesjährigen Praxisforum der Initiative Lernen im Aufbruch in der Liebfrauenschule in Bensheim.

„Wir zeigen Ideen, wie sich Unterricht am Puls der Zeit orientieren kann. Wir möchten Bildungsbündnisse ermöglichen und Menschen ermutigen, selbst vor Ort gestalterisch aktiv zu werden. Um die Probleme unserer Zeit zu lösen, brauchen wir handlungsorientiertes, fächerübergreifendes Lernen und Forschen in Zusammenhängen mit praktischer Relevanz für unser Leben. Nachhaltigkeit  sollte von den Menschen in der Schule gemeinsam gelernt und auch erlebt werden,“ so Katja Knoch bei der Begrüßung. Das Netzwerk Lernen im Aufbruch, seit diesem Frühjahr auch Unterstützer des Klimabündnisses Bergstraße, organisiert seit 2014 Veranstaltungen in der Region und bietet eine Plattform für Informationen und Austausch rund um das Thema einer neuen Lernkultur. “Es freut uns sehr, dass dieses Jahr zum ersten Mal viele Schülerinnen und Schüler dabei sind!”, bemerkt Nina Kolbe.

Direkter Austausch und spontane Themen im Bar-Camp-Format

Das Praxisforum wurde in diesem Jahr im Stil eines Bar-Camps durchgeführt. Zusätzlich zu den geplanten Impulsen konnten die Teilnehmer*innen weitere Einzelthemen spontan einbringen. Alle Ideen wurden kurz vorgestellt und dann je nach Interesse an Gruppentischen diskutiert. Möglich war auch das Wechseln der Gruppe während einer Diskussionsrunde, was auch „Hummeln” genannt wird. Im Abschlussplenum stellte dann jede Gruppe kurz ihre Diskussionsschwerpunkte, Ergebnisse und Ideen vor. (Siehe Impulse)

Zusätzlich gab es eine große Leinwand, auf die „Ideen zum Nachmachen“ notiert werden konnten: Direkt umsetzbare Ideen waren z.B. kompostierbare Kaffeepads, doppelseitig kopieren, Mülltrennung & Müllsammelaktionen, wiederverwendbare Trinkflaschen statt Tetrapacks, Kleidertauschparties, Büchertauschregale, Stoffhandtücher und Recycling-Papier. Aber es gab auch große Ideen, wie z.B. ein Fach Umwelt für alle Jahrgangsstufen als Pflichtfach einzuführen, Photovoltaik auf die Schuldächer zu bauen, oder ein neues Schulsystem zu schaffen mit kleineren Lerngruppen, kooperativem und kreativem Lernen, mit mehr Zeit und weniger Stress.

Nachmachen erwünscht und Kopieren erlaubt!

Lernen im Aufbruch lädt schon jetzt zum nächsten Praxisforum ein, das wieder im Herbst 2020 stattfinden wird. Auf der Webseite www.lernen-im-aufbruch.de können sich alle Interessierten jederzeit über die kreativen Ideen anderer Menschen und Schulen zum Thema einer neuen Lernkultur informieren. „Nachmachen ist erwünscht, und Kopieren erlaubt!”, betont das Team von Lernen im Aufbruch.

Extra Block: Impulse zum Thema„Schule als Ort der Nachhaltigkeit“

Faiza, Barirah und Shanice von der Eb der Geschwister Scholl Schule präsentierten ihr „GSS Climate-Project – Wir produzieren grünen Strom”(Der BA hat am 27.11. berichtet). Im PoWi-Unterricht und darüber hinaus organisiert der ganze Kurs mit der Hilfe seines Lehrers Frank Maus in selbst eingeteilten Arbeitsportfolios verschiedener Kleingruppen ein Photovoltaik-Projekt für das Dach der Schulsporthalle. Die Gruppe Öffentlichkeitsarbeit diskutiert unter anderem mit dem Landrat, die Technik-Gruppe erforscht die Funktionsweise der Anlage, die Mathe- und BWL-Gruppe berechnet und bemisst Flächengröße und -ertrag, die Politik-Gruppe recherchiert zum Thema Umweltpolitik und staatliche Förderungen, eine Gruppe kooperiert mit der Energiegenossenschaft Starkenburg als Träger des neuen Bürgerkraftwerks an der Schule. Dabei geht es auch darum, das Projekt an anderen Schulen vorzustellen. “Wir müssen uns untereinander gut absprechen, Termine einhalten und sprechen mit wichtigen Menschen außerhalb der Schule. Das ist unglaublich spannend und das Tolle ist, dass wir nun schon die Genehmigung für die eine Dachfläche haben – auch wenn wir gerne noch auf weiteren Dächern unserer Schule Strom produzieren würden.” erklären die drei Schülerinnen “Das Projekt zeigt, dass Jugendliche motiviert sind und selbstständig arbeiten können, wenn es um echte und wichtige Projekte geht und dass dabei fächerübergreifend gelernt werden kann”, kommentierte eine Teilnehmerin der Gruppe. Informationen zum Projekt und zur Unterrichtsgestaltung erhalten Sie bei: frank.maus@gss.kbs.schule.

Nina und Julia, beide aus der 9. Klasse des Goethe-Gymnasiums, stellten in Ihrer Runde die Kinder- und Jugendinitiative Plant for the Planet vor, die weltweit Bäume pflanzt und Kinder und Jugendliche zu Botschaftern für Klimagerechtigkeit ausbildet. Seit zwei Jahren gibt es in der Region den Plant for the Planet Club Bergstraße, in dem Kinder und Jugendliche zwischen 8 und 15 Jahren mit Hilfe ihrer Eltern an Schulen oder zu anderen Gelegenheiten Vorträge zur Klimakrise halten, Bäume pflanzen, Spenden für Bäume in Mexiko sammeln und die “Gute Schokolade” von Plant for the Planet verkosten und verkaufen. Schnell ergab sich ein Kontakt zum Geo-Naturpark, der sich die Initiative als Kooperationspartner für Baumpflanzungen vorstellen kann. Kontakt zum Club Bergstraße: bergstrasse@club.plant-for-the-planet.org

Zum Thema „Wir schwänzen nicht, wir kämpfen” hatten Zoe und Saskia aus der Q-Phase der Geschwister Scholl Schule – beide Organisatorinnen von Fridays For Future Bensheim – eingeladen. Mitstreiter*innen zu gewinnen sei genauso wichtig, wie das Verständnis in der breiten Öffentlichkeit für den Weg und die Ziele der Bewegung zu gewinnen. Natürlich gebe es Trittbrettfahrer, die die Gelegenheit nutzen, sich während der Streiks Freizeit zu verschaffen, aber das seien die Ausnahmen.  „Wir wünschen uns, dass Lehrer*innen und andere Erwachsene uns nicht vorschnell als Schwänzer*innen verurteilen, sondern mit uns einen konstruktiven Austausch suchen und sich unsere Argumente anhören. Denn es geht um unsere Zukunft auf diesem Planeten,” so Zoe Fischer. “Auch wir sind dabei, unser persönliches Verhalten umweltfreundlich zu gestalten und immer mehr Jugendliche davon zu überzeugen. Wir sind nicht nur während des Streiks aktiv für das Klimaproblem, sondern auch in unserer Freizeit. Wir lernen durch unser Engagement viel über die Zusammenhänge des Klimawandels und sprechen auch mit Politikern der Region” schließt Saskia Pappok.

Eugenia aus der 6. Klasse des Goethe-Gymnasiums brachte als jüngste Teilnehmerin das Thema „Umweltunterricht in allen Schulen” zur Diskussion.

„Ich finde, dass das Thema bisher viel zu kurz kommt, und deshalb ein extra Fach gut wäre, auch an Grundschulen”, so Eugenia. Nach einer angeregten Diskussion war ein Vorschlag der Gruppe, über die Schülervertretung, die Schulleitung, einzelne interessierte Lehrer und die Schulkonferenz einer Schule zu versuchen, ein neues Fach „Umwelt”  anzuregen. „Auf jeden Fall ist es sehr wichtig, dass die Schülerinnen und Schüler selbst aktiv werden und das einfordern bei der Schulleitung.”, meinte eine erwachsene Teilnehmerin der Gruppe.

Dimitra Karalia – aus der Elternschaft des Goethe-Gymnasiums – wollte über das Thema„Kein Plastik im Meer” diskutieren und konnte einige Teilnehmer*innen dafür gewinnen. Die Initiativen vor Ort waren noch nicht allen bekannt, wie z.B. „Bleib deinem Becher treu”, oder “Bensheimer krempeln die Ärmel hoch” die regelmäßig den Winkelbach von Müll befreien. Auch internationale Organisationen wurden gesammelt, dazu gehören z.B. „One Earth-One Ocean, Ocean Clean up oder Fishing for Litter. Die Gruppe entwickelte die Ideen, dass in unserer Region die Zahnärzte aufgefordert werden sollen, keine Plastikzahnbürsten mehr zu verschenken und dass Rezepte für die Herstellung von Hygieneprodukten in Eigenregie bekannt gemacht werden. Am Kiosk der Schule kann man natürlich auch Plastik abschaffen, und nicht zuletzt kann jede/r Einzelne Plastik sparen beim Einkaufen, z.B. im Unverpacktladen – ab dem 30. November 2019 auch in Bensheim-Auerbach – oder auf Wochenmärkten statt im Supermarkt.

Das Thema Ernährung mit Manfred Reichenbach vom Foodsharing Bergstraße und Sonja Watt als Rohkostexpertin mit Schüler*innen von der Drachenschule aus Wald-Michelbach fand so viel Interesse, dass zwei zeitversetzte Barcamp-Tische dazu stattfanden: Es wurden Ideen gesammelt, wie frische, vitalstoffreiche und gesunde Ernährung in Schulen und Unternehmen gebracht werden kann. Außerdem wurde der Ansatz des Foodsharing geteilt, einer Initiative, deren Ziel es ist, übriggebliebene Nahrungsmittel zu retten und an interessierte Abnehmer zu verteilen. Hier gab es Informationen und Tipps, wie das auch an Schulen hygienegerecht umgesetzt werden kann. Wer Interesse an der Idee des Foodsharing hat, als Schule, Institution oder Privatperson, kann sich melden bei: hessische.bergstrasse@foodsharing.network

Jochen Babist vom Geo-Naturpark Bergstraße-Odenwald stellte das Thema „Naturparkschule – Interdisziplinäres Lernen in der Landschaft” vor, das bei mehreren Teilnehmer*innen auf großes Interesse für die eigene Schule stieß. Der Geo-Naturpark stellt Schulen überfachliche Angebote zur Verfügung, die wissenschaftlich und mit Netzwerken unterstützt werden.  Ein Beispiel aus dem Kreis Bergstraße ist das Projekt Gewässerschutz der Weschnitz mit der Martin Luther Schule in Rimbach, die als Naturparkschule zertifiziert ist. Es ist ein mehrjährig angelegtes Forschungsprojekt zum Monitoring der Wasserqualität, das gerade überfachlich im Biologie- und Chemieunterricht der Oberstufe integriert wird. Als weiteres Angebot können Schulen auf die Geo-Naturpark-Ranger zurückgreifen, die auch für einzelne Projekttage für Kinder- und Jugendgruppen unterschiedlichen Alters als pädagogische Programme diverser Themen angefragt werden können. (Infos unter www.geo-naturpark.de, oder bei: Jochen Babist – j.babist@geo-naturpark.de)

Lernen im Aufbruch – Katja Knoch – info@lernen-im-aufbruch.de