Foto: Stadt Lorsch

Lorsch (Stadt Lorsch) – Am 9. November ist es zum 84sten Mal, dass sich die Schrecken der Reichspogromnacht jähren. Diese Nacht der organisierten und flächendeckenden Zerstörung, Schändung, Vertreibung und Verschleppung gilt als Auftakt der Naziherrschaft, die den Holocaust für unsere jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger brachte, auch in Lorsch. Am Ende wurden 6 Millionen jüdische Frauen, Männer und Kinder auf bestialische Weise ermordet und das jüdische Leben in Deutschland war ausgerottet.

 

Auch in Lorsch griffen Bürgerinnen und Bürger zu Benzinkanistern und setzen das stolze Gotteshaus der Jüdinnen und Juden, Symbol und Mittelpunkt der Gemeinde, in Brand. Die Feuerwehr, damals unweit des Brandortes in der Kirchstraße 5 stationiert, griff nicht ein. Drei Augenzeugenberichte liegen über diese Nacht vor, in der Nachbarn zu Verbrechern wurden, angestiftet durch eine menschenverachtende Diktatur, unterstützt durch eine schweigende Mehrheit.

 

Der Magistrat lädt alle Bürger*innen zum Gedenken um 18 Uhr zur Gedenkstätte in der Schulstraße ein. Hier wird Bürgermeister Christian Schönung sprechen. Im Anschluss gehen wir weiter in den Nibelungensaal des Alten Rathaus. Dort werden Audioaufnahmen der einst bei den Pogromen in Lorsch anwesenden Karola Kahn zu hören sein. Karola Kahn, geb. Mainzer aus Lorsch, gab ihren Urenkelinnen Rachel und Sara 1993 im Rahmen eines Schulprojekts, vier Monate vor ihrem Tode ein Interview. Frau Kahn war zu diesem Zeitpunkt 90, die Zwillingsmädchen 15 Jahre alt. Sie haben einen neuen Kassettenrekorder, mit dem sie die 60-minütige Aufnahme machen.

Nach Schilderungen ihrer Jugend in Lorsch und den Ereignissen nach der Machtergreifung und des 9. November 1938 berichtet Karola Kahn ihren Urenkelinnen von den Vorbereitungen und der Durchführung ihrer Flucht aus Deutschland, dem neuen Leben auf einer kleinen Milchfarm in Ontario, einer Reise nach Israel und ihrer Rückkehr nach Lorsch im Jahre 1964. Die Präsentation und die Tondokumentation wird vom Heimat- und Kulturverein vorbereitet und editiert.

Mitglieder des Jugendrats tragen das aus dem Englischen übersetzte Interview vor.

 

Im Anschluss widmen wir uns verschiedenen Thesen zur „Schuldfrage“ die gemeinsam mit den Teilnehmer*innen der Gedenkveranstaltung betrachtet werden sollen.

 

Wir laden zur Gedenkveranstaltung am 9. November um 18 Uhr ein, aus Respekt für und aus Trauer um unsere ehemaligen jüdischen Nachbarinnen und Nachbarn. Aber es gilt auch, aus diesen schrecklichen Lehren heute und jetzt eine geläuterte und menschliche Haltung gegenüber andersgläubigen und anders sozialisierten Menschen in unserer Mitte unverrückbar einzunehmen und dafür einzutreten.