Die Tagesschau – Berichterstattung der besonderen Art

Unterschwellig war es ja schon seit Längerem klar, wenn man sich die Berichterstattung inklusive Kommentare der Leitmedien, vor allem des Flaggschiffs Tagesschau, ansah: deren „Informieren“ (im Sinne von „in Form bringen“ des Medienkonsumenten) über Putinrussland, über den Iran, über China usw. Im allerbesten Fall eine Berichterstattung der halben Wahrheiten. – 

Einen neuen Höhepunkt für diese als Nachrichtensendungen kaschierten Unterhaltungsformate der Bevölkerung bildet der momentane Umgang mit anders denkenden Interpreten der Coronakrise, Medizinern wie Dr. Wolfgang Wodarg, Dr. Claus Köhnlein, Dr. Bodo Schiffmann, Dr. Bhakdi.

Ein wunderbares Beispiel für einen ziemlich dürftigen Sketch findet sich nun in der Tagesschau vom 11.4.2020. Unter dem Artikel „Fake News zur Pandemie: Die gefährliche Macht der Corona-Mythen“ widmet sich die Tagesschau dem Mikrobiologen Dr. Bhakdi. Kommt als Nachricht, ist aber eine echte Witznummer!

Vorabwertung: Einseifung des Lesers

„Die Auswertung zeigt, wie massiv sich Falschinformationen über Covid-19 innerhalb kürzester Zeit in den sozialen Netzwerken verbreitet haben …“ Der Tagesschauredakteur schießt sich ein. Keine Informationen, keine Tatsachen, nichts Konkretes. Aber der Leser wird schon mal mental von ihm eingestellt: „Das da in den Netzwerken ist generell schlecht, weil wir von der Tagesschau die einzig Guten sind. Was jetzt kommt, ist daher immer schon ein Übel!“ Der Leser der Tagesschau darf sich zurücklehnen: Es droht keine Verunsicherung der Meinungsbildung!

Aha, sogar ein solcher!

„… Ein besonders prominentes Beispiel ist ein Video des emeritierten Mikrobiologen Sucharit Bhakti …“ Aha, sagt sich der präparierte Leser, auch Prominenz und ehemaliges Professorendasein schützen vor Fake nicht. Strategie der Tagesschau: Sägen an der Fachkompetenz und der Erfahrung des Mediziners. Der erste Satz zeigt Wirkung: Misstrauen ist geweckt.

Los geht’s!

„… In den Videos sitzt er an einem Tisch, liest von einem Blatt vor und zieht ab und zu seine randlose Brille vom Gesicht, wenn er seine Schlussfolgerung zieht …“ Der Leser, der noch nicht vollständig eingenebelt war, erwartete nach den ersten beiden Sätzen Argumente. Was er bekommt – man glaubt es nicht, wie sehr die Tagesschau ihre Leser geringschätzt! –, ist eine spöttische Beschreibung eines sonderlichen Randlosbrillenträgers. So einen kann man doch nicht ernst nehmen!

Inhaltliches der dürftigsten Art

So recht wohl scheint sich aber noch nicht einmal der Redakteur zu fühlen. Er schiebt brummelig nach: Dr. Bhakti „wirft Merkel vor, überzogene politische Maßnahmen aufgrund lückenhafter Daten ergriffen zu haben. Die Politik sei Panikmache …“ Na so was, wie konnte der nur wagen, unsere alleroberste Obrigkeit zu kritisieren!

Und man glaubt es nun kaum: Inhaltlich sagt dieser Redakteur nichts weiter! Kein Wort, warum Dr. Bhakdi Panikmache betreibe!

Hashtag Faktenfinder

Damit kann aber noch nicht einmal der völlig eingeseifte Leser zufrieden sein. So wird weiterverwiesen, auf den Hashtag Faktenfinder: „… Drei Tage nach Erscheinen des Videos überprüft das Factchecking Format vom Bayerischen Rundfunk die Aussagen von Bhakdi: ‚Die Annahmen, die seinen Fragen zugrunde liegen, suggerieren, dass die Gefährlichkeit des Sars-Cov-2-Erregers überschätzt werde, sie sind aber nicht wissenschaftlich belegt und verweisen vor allem auf Datenlücken.’“ Die Lückenhaftigkeit der Datenlage sei kein Grund, um Entwarnung zu geben. Der Leser wird sich wahrscheinlich damit zufriedengeben. Die Tagesschau hat ihren Zweck erreicht, ihren Zweck wohlgemerkt.

Erstens: Faktenfinder, Faktencheck, das sind ganz neuartige Einrichtungen der Medien. Bereits ihr Name verweist auf einen tief greifenden Irrtum. Fakten, Zahlen sind gar nicht das Entscheidende. Sie sind nur Datengrundlage für Deutungen und Interpretationen. Ohne Letztere sind sie nichtssagend. Deshalb sagen ja auch die Tag für Tag vorgebrachten Infizierten- und Totenzahlen vom RKI so wenig aus und werden, allein vorgebracht, nichts anderes tun, als Panik zu verursachen. Wissenschaft bedarf immer noch zusätzlich der Annahmen und baut ihre Theorien immer auf lückenhafter Datenbasis auf. Das tut Dr. Bhaktis Deutung, das tun aber auch Dr. Drostens Rechenmodelle, wie er ja selbst zugibt und zugeben muss. Es ist also völlig legitim, wenn Dr. Bhakti behauptet, man überschätze die Gefährlichkeit des Erregers – wenn er gute Argumente und Annahmen dafür vorbringen kann. Ebenso wie es legitim ist von Dr. Drosten und dem RKI, zu behaupten, die Gefährlichkeit werde unterschätzt – wenn sie dafür gute Argumente vorbringen.

Aber einfach die Überschätzungsthese als Fake News und Falschinformation zu diffamieren, bloß weil sie der momentan herrschenden Interpretation widerspricht, ist nichts als – Fake, würde ich sagen.   

Zweitens: Die Faktenfinder behaupten nur: Dr. Bhakdis Annahmen seien wissenschaftlich nicht belegt. Kein Überblick über die Annahmen, kein „wissenschaftlicher Beleg“, was an den Annahmen falsch sein soll, wird genannt. Und wann ist überhaupt eine Annahme „wissenschaftlich belegt“? Andererseits ist so etwas wie eine Darstellung von Annahmen von einem Faktenfinder auch wohl kaum zu erwarten, sind solche „Formate“ ja von vornherein nur auf nackte Fakten aus und meinen, mit deren Nennung sei man schon wissenschaftlich.

Kurz und gut

Der Leser wird dazu verdammt, wieder mal zu konsumieren, das, was die Tagesschau ihm vorsetzt, zu schlucken. Nur ein weiteres Indiz: Die Tagesschau verachtet eigentlich ihren Tagesschaukunden.

 

Dr. Bernd Lukoschik