Ist das Coronavirus nun gefährlich oder nicht?

Diese Frage ist immer noch nicht geklärt. Aber nicht, weil die Wissenschaft – zwangsläufig – hinterherhinkt, sondern weil die Frage, so die philosophische These, falsch gestellt ist.

In der Elementarteilchenphysik ist der Gedanke ganz vertraut: Eine Eigenschaft darf nicht so selbstverständlich dem untersuchten Objekt angehängt werden. Wenn der Physiker den Impuls oder den Ort etwa eines Elektrons ermittelt, dann macht es erst dann Sinn, vom Impuls oder Ort des Elektrons zu reden, wenn man ihn misst. Das drücken einige Mikrophysiker noch sonderbarer aus: Das Elektron habe unabhängig von der Messung eigentlich gar keinen Impuls, gar keinen Ort. Die Eigenschaften Ort und Impuls seien nämlich gar keine Eigenschaften, die in der Mikrowelt des Atoms oder gar Atomkerns existieren. Sie hätten nur Gültigkeit für unsere Alltagswelt der großen Gegenstände um uns herum.

Dasselbe scheint nun bis zu einem gewissen Grad auch für die Welt des Virus zuzutreffen. Was beim Physiker das Messinstrument ist, ist im Körper das Immunsystem. Wenn das Virus auf das Immunsystem trifft, dann „misst“ dieses gewissermaßen den Erreger, und aus dem Messakt, dem Wechselspiel zwischen Immunsystem und Virus, entstehen Eigenschaften, deren Zuordnung unabhängig von dem Wechselspiel wenig Sinn macht. Die „Gefährlichkeit“ ist dann weniger eine Eigenschaft des Virus als vielmehr eine Eigenschaft des Gesamtsystems aus Immunsystem und Virus.

Natürlich gibt es Viren, die „gefährlicher“ sind als andere Mikroben, als andere Bakterien oder Viren. Aber auch für diesen Fall sollte man besser sagen: Die Eigenschaft „Gefährlichkeit“, die zwischen den beiden Polen des Gesamtsystems aus Immunsystem und Virus „schwebt“, ist näher an den Pol Virus „gerückt“, bleibt aber eine Systemeigenschaft.

Man kann also nur sehr eingeschränkt davon reden, dass ein Virus gefährlich ist oder auch nicht. Wichtig für die Einschätzung ist, dass man immer das Immunsystem im Auge behält. Die Gefährlichkeit ist immer auch abhängig von der Qualität des Immunsystems.

Was soll dieses ganze Gerede?

Wenn wir uns auf die Beantwortung der ersten Frage konzentrieren, sind unsere ganzen Aktionen, vor allem unser Fixiertsein auf Impfstoffe, verlorene Liebesmüh. Wir sind von Erregern umgeben, und in uns hausen Unmengen Bakterien und Viren. Ja, wir brauchen sie. Nur bei eindeutigen, Seuchen – Pest, Tollwut, Cholera, Tuberkulose – hervorrufenden Erregern sollte man sich um Impfstoffe bemühen. Und sogar für diese Fälle bringen Impfgegner gute Gründe vor, nicht in erster Linie auf Impfen zu bauen.

Um der „Gefährlichkeit“ normaler Viren zu begegnen – und alle Viren können „gefährlich“ werden –, sollte man sich auf die Qualität des anderen Pols des Gesamtsystems konzentrieren, auf das Immunsystem. Je stärker das Immunsystem, desto ungefährdeter das Gesamtsystem Immunsystem–Virus, desto „ungefährlicher“ das Virus.

Und wie das Immunsystem zu stärken sei, dafür gibt es längst bekannte Patentrezepte: ein öffentliches Gesundheitswesen, hygienische Wohn- und Lebensverhältnisse, ein sicherer Arbeitsplatz mit befriedigender Arbeit, ein auskömmliches Einkommen, befriedigende soziale Kontakte sowie eine gute Ernährung und Bewegung an der frischen Luft.

Insofern liegen auch diejenigen völlig falsch, die meinen, man könne der Welt, vor allem der unterentwickelten Dritten Welt, dadurch Gesundheit bringen, dass man sie alle gegen Infektionen impft. Das nützt nur der Pharmaindustrie und den hinter ihr stehenden Investoren. Zu wirklicher Gesundheit kann nur beigetragen werden, indem man auf die eben genannten Patentrezepte zurückgreift.   

Bernd Lukoschik