Bürgermeister Matthias Baaß (rechts), Stadtkämmerin Stefanie Rohrbacher und Marc Hätscher haben mit Fraktionsvertretern den Haushalt nach Einspar- und Einnahmepotentialen durchforstet.
Foto: Stadt Viernheim

Viernheim (Stadt Viernheim) – In einem Pressegespräch hat Bürgermeister Matthias Baaß am vergangenen Montag (24. März) mit Kämmereiamtsleiterin Stefanie Rohrbacher und deren Stellvertreter Marc Hätscher über den aktuellen Stand der Haushaltsplanungen 2025 informiert. „Nach intensiven Beratungen und Vorschlägen aus der Arbeitsgruppe Finanzen sowie weiteren Überlegungen meinerseits liegt nun ein neuer Haushaltsvorschlag vor, der genehmigungsfähig ist“, so Baaß. Die Vorschläge seien bis jetzt weitgehend positiv aufgenommen worden, müssten aber noch in den einzelnen Fraktionen beraten werden, so Baaß weiter. Die endgültige Entscheidung zum Haushaltsplan fällt in den Sitzungen des Haupt- und Finanzausschusses am 3. April sowie in der Stadtverordnetenversammlung am 4. April.

 

Im Dezember 2024 hatte die Stadtverordnetenversammlung die Entscheidung über den Haushalt 2025 in das Frühjahr vertagt. Grund war das angestiegene Haushaltsdefizit von 3,7 auf 6,7 Millionen Euro aufgrund sinkender Gemeindeanteile an Gemeinschafts- und Umsatzsteuer, geringere Schlüsselzuweisungen und eine steigende Kreis- und Schulumlage. Der Vorschlag von Bürgermeister Matthias Baaß, eine Erhöhung der Grundsteuer B auf 815 Prozent vorzunehmen, um damit 2 Millionen Euro des gewachsenen Defizits von 3 Millionen Euro auszugleichen und einen genehmigungsfähigen Haushalt vorzulegen, fand keine Zustimmung. Eine Arbeitsgruppe Finanzen, bestehend aus Vertretern aller Fraktionen sowie der Verwaltung wurde gegründet. In fünf Sitzungen wurden Einspar- und Einnahmepotentiale geprüft, die nun abschließend von der Stadtspitze zu einem tragfähigen Gesamtpaket geschnürt wurden.

 

Maßnahmen zur Stabilisierung des Haushalts

Im Mittelpunkt des Konsolidierungsvorschlags stehen drei zentrale Maßnahmen. Zum Einen eine höhere, aber befristete Gewinnausschüttung der Stadtwerke Viernheim GmbH um 1 Million Euro auf jährlich 1,5 Millionen Euro in den Jahren 2025 bis 2027.

 

Diese Möglichkeit besteht aufgrund eines Einmaleffekts in 2023 in Verbindung mit nun nicht mehr nötigen Vorsorgemaßnahmen während der Energiekrise.

 

Des Weiteren wird eine von den Dezernenten zugesagte pauschale Minderausgabe im Personalbudget in Höhe von 720.000 Euro um weitere Einsparungen in Höhe von 200.000 Euro ergänzt. „Wir werden hier bei einigen Positionen Kürzungen vornehmen, wie zum Beispiel 50.000 Euro bei der Digitalisierung oder 70.000 Euro bei der Straßenunterhaltung“, erklärt Amtsleiterin Stefanie Rohrbacher.

 

Der dritte wesentliche Bestandteil des Vorschlags ist eine Erhöhung der Grundsteuer B auf 765 Prozent. Die ursprünglich diskutierte Erhöhung auf 815 Prozentpunkte konnte somit reduziert werden. Dennoch ist eine Anpassung notwendig – nicht zuletzt, weil sich nach und nach herausgestellt hat, dass der aus der Zeit vor der bundesweiten Grundsteuerreform übernommene Hebesatz von 620 Prozent die bisherigen Einnahmen doch nicht sichern kann.

 

Keine Aufkommensneutralität durch Grundsteuerreform möglich

Die Grundsteuerreform, die bundesweit seit dem 1. Januar 2025 greift, hat für viele Kommunen erhebliche Auswirkungen. Während das Land Hessen für Viernheim einen aufkommensneutralen Hebesatz von 620 Prozent empfohlen hatte, zeigen die nun weitgehend vorliegenden Bescheide des Finanzamts: Das reicht nicht. „Statt der eingeplanten 7,8 Millionen Euro würde Viernheim bei Beibehaltung des alten Hebesatzes nur rund 7,32 Millionen Euro einnehmen – ein Defizit von 478.000 Euro“, erklärt Baaß. Ein aufkommensneutraler Hebesatz, um die gleichen Grundsteuer-Einnahmen aus dem Jahr 2024 nach der Neuberechnung aller Grundstücke zu erreichen, läge tatsächlich bei 660 Prozent. Doch dies war Ende 2024 aufgrund noch ausstehender Mitteilungen des Finanzamtes noch nicht absehbar. „Mittlerweile liegen fast alle Bescheide des Finanzamtes sowie auch etliche Änderungsbescheide vor, da einige der zuvor ausgestellten Bescheide fehlerhaft waren und nun eine Reduzierung zur Folge haben“, ergänzt Marc Hätscher. Dies sei zum Teil durch die Unsicherheit der Bürger beim Ausfüllen der abgefragten Angaben entstanden, die folglich beim Finanzamt Änderungsanträge stellten. Die Erhöhung auf 765 Prozent dient somit nicht nur zur Haushaltskonsolidierung, sondern ist auch erforderlich, um den bisherigen Einnahmestand abzusichern. Die gleiche Höhe habe jetzt ebenfalls die Stadtverordnetenversammlung von Lampertheim für ihr Gebiet beschlossen, berichtet der Rathauschef weiter.

 

Diese drei Maßnahmen waren aktuell entscheidend, damit die Stadt Viernheim liquide bleibt“, macht Baaß deutlich. Ansonsten hätte die Stadt Einrichtungen schließen und freiwillige Leistungen streichen müssen. Dazu zählen Angebote wie Stadtbibliothek, Musikschule, Vereinsförderung, Veranstaltungen oder kostenlose Beratungsdienste – Leistungen, die das städtische Leben in Viernheim prägen. „Aber das ist doch nicht Sinn einer Kommune“, so der Bürgermeister.

 

Trotz Maßnahmen bleibt ein Defizit

Doch nichtsdestotrotz klafft im Haushalt immer noch ein Loch von 3,2 Millionen Euro im Ergebnishaushalt sowie 3,8 Millionen im Finanzhaushalt. Daher war es für die Arbeitsgruppe Finanzen in ihren Sitzungen wichtig, dass der Blick nicht nur aktuell auf das Haushaltsjahr 2025 gelenkt wird, sondern eine Lösung darüber hinaus gefunden werden muss, zumindest in dem Rahmen, wie dies für die Stadt Viernheim möglich ist. „Die weiteren Überlegungen haben keine unmittelbare Wirkung für den Haushalt 2025 und sollen zu einem späteren Zeitpunkt einer abschließenden Entscheidung zugeführt werden“, erklärt Baaß.

 

Ein besonders belastender Ausgabenposten ist der Betrieb der aktuell 15 – bald 17 – städtischen Kindertagesstätten. Die Kosten hierfür steigen kontinuierlich. Der Zuschussbedarf der Stadt im Bereich der Kindertagesbetreuung hat sich seit 2015 nahezu verdreifacht – von damals 5,2 Millionen auf heute 14,5 Millionen Euro. Um die Lasten gerechter zu verteilen, wird die Verwaltung daher den politischen Gremien eine Erhöhung der Elternbeiträge vorschlagen. Bereits 2024 war eine Erhöhung beschlossen worden, nun wird sie an die veränderte Lage angepasst.

 

Auch im Bereich der Musikschule ist eine Anpassung der Beiträge erforderlich. Hintergrund ist das sogenannte ‚Herrenberg‘-Urteil, das Honorarverträge ab 2027 faktisch ausschließt und eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung auch dieses Teils der Lehrkräfte notwendig macht. Daher sieht die Stadt eine Beitragserhöhung auch in diesem Bereich als unumgänglich, um steigende Ausgaben im Bereich der Tarifbeschäftigten aufzufangen. Dies soll in zwei Schritten zum Wintersemester 2025/26 und zum Wintersemester 2026/27 erfolgen.

 

Neben diesen konkreten Maßnahmen hat die Arbeitsgruppe Finanzen auch strukturelle Prüfaufträge an die Verwaltung formuliert: Dazu zählen die Überprüfung der Hortangebote angesichts des Ganztagsausbaus, die mögliche Übertragung der vhs an den Kreis, die Anpassung von Gebühren wie zum Beispiel der Anwohnerparkausweise oder Parkgebühren im Zuge einer Verwaltungsgebührensatzung sowie die Prüfung einer Übernachtungssteuer. Ziel ist es, künftig dauerhaft genehmigungsfähige Haushalte vorlegen zu können – und die Stadt handlungsfähig zu halten.

 

Bürgermeister im Kreis Bergstraße wenden sich per Brandbrief an Land und Bund

Wenn Kommunen über Grundsteueranpassungen oder Einsparungen sprechen, dann ist das kein Ausdruck fehlender Gestaltungskraft, sondern die direkte Folge systemischer Finanzierungsdefizite“, so Baaß. Viernheim steht mit dieser Herausforderung nicht allein. Erst vor wenigen Tagen haben sich alle 22 Bürgermeisterinnen und Bürgermeister im Kreis Bergstraße mit einem Brandbrief an Land und Bund gewandt. Die Forderung ist eindeutig: Kommunen dürfen nicht dauerhaft Aufgaben übernehmen müssen, ohne ausreichende Gegenfinanzierung zu erhalten. Denn Steuererhöhungen und Gebührenerhöhungen können nicht die Dauerlösung sein. „Die Kommunen sind das Fundament der Demokratie – sie dürfen nicht kaputtgespart werden“, mahnt Baaß. Doch ob und wann die mehrfachen Appelle der Kommunen Gehör in Wiesbaden und Berlin finden, wisse niemand.

 

Weitere Informationen auf www.viernheim.de

Im Internet stellt die Stadtverwaltung unter www.viernheim.de/grundsteuer-b eine umfassende FAQ-Liste zur Verfügung. Hier werden alle Fragen zur Grundsteuererhöhung, zur Grundsteuerreform und zu den Auswirkungen auf Bürgerinnen und Bürger ausführlich und nachvollziehbar erläutert.