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Viernheim (S.Lubkowski ) – SPD-Spitzenkandidatin Alicia Hanf wollte der Sache auf den Grund gehen: Ist ein Stadtbus auf Abruf, wie er gerade auf Plakaten als bequeme neue Alternative angepriesen wird, tatsächlich eine sinnvolle Sache? Wie sind die Erfahrungen anderenorts? Das Ergebnis ihrer Prüfung ist interessant.

Alicia Hanf: „Ein solches System (kleiner Bus holt Fahrgäste an bestimmten Orten ab) wird derzeit besonders in ländlichen Gebieten genutzt, um überhaupt einen öffentlichen Personennahverkehr im Ort zu haben. Ob dies für Viernheim mit 35.000 Einwohnern Sinn macht, will die Stadtverordneten-Versammlung bereits seit 15 Monaten geprüft haben. Eine Vorlage, so der Beschluss im Dezember 2019, sollte es bis zum Sommer 2020 geben. Allerdings hat es diese Vorlage durch den zuständigen Dezernenten, Herrn 1.Stadtrat Kempf, nie gegeben. Seitdem ist Stillstand, kein Ergebnis, was ein solches System im Vergleich zum jetzigen kostet, und ob es tatsächlich eine Serviceverbesserung bringen kann.“

Deshalb hat sich die Stadtverordnete selbst auf eine Recherche begeben. Im Dezember 2019 war die Stadt Schorndorf von der antragstellenden Fraktion CDU als Modell benannt worden. Von März bis Dezember 2018 ersetzte ein flexibles System „Bus auf Abruf“ an den Wochenenden zwei bestehende Buslinienverkehre. Im Bedarfsbusbetrieb wurden die Fahrtwünsche der Fahrgäste per Algorithmus zu optimalen Routen kombiniert. Somit fuhren die Busse nicht mehr auf festen Routen und nach starrem Fahrplan, sondern nach dem zuvor angemeldeten Bedarf der Fahrgäste. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt leitetet das Forschungsvorhaben zusammen mit der Stadt Schorndorf und weiteren Beteiligten. Das Wissenschaftsministerium Baden-Württemberg förderte das Testvorhaben mit 1,2 Millionen €. Im Testbetrieb an den Wochenenden wurden ca. 10.000 Fahrgäste bedient (im Vergleich: in Viernheim sind pro Jahr mehr als 500.000 Fahrgäste zu bedienen).

 

Das Forschungsvorhaben ist abgeschlossen, was ist das Ergebnis?

Alicia Hanf zitiert aus dem Abschlussbericht des Praxistests in Schorndorf bei Stuttgart: „Ein Bedarfsbus kann in kleinen Gemeinden oder Stadtrandlagen größerer Städte den häufig als unzureichend erachteten ÖPNV attraktiver gestalten und dort als Zubringer zum getakteten ÖPNV dienen.“ Der Vorteil liege „in der Bedienung von Schwachlastzeiten, also Zeiten mit geringem Fahrgastaufkommen. In Zeiten und für Strecken mit hohem Fahrgastaufkommen ist ein Linienverkehr mit hohem Takt sowohl attraktiv und flexibel für die Fahrgäste als auch nachhaltig im ökologischen, ökonomischen und sozialen Sinn.“ Interessant findet die SPD-Stadtverordnete auch die weiteren Aussagen: „Der Einsatz kleiner Busse trug im Bedarfsbussystem wesentlich zur Reduzierung von Lärm, Treibhausgasen und Schadstoffen bei. Auch im Linienbetrieb können kleine Busse in Schwachlastzeiten zu einer Minderung von Emissionen beitragen. Wenn der Busbetreiber kleine und große Fahrzeuge vorhalten muss, erhöht dies die Ausgaben auch für die Stadtwerke.“ Ebenfalls sehr interessant die folgende Erfahrung in Schorndorf: „Die aktive Rolle des Fahrgasts beim Bedarfsbus ist eine Herausforderung für die Nutzenden (Notwendigkeit der Buchung) und führt zum Beispiel bei manchen älteren Fahrgästen zu Unzufriedenheit mit dem System.“ (Quelle: Reallabor Schorndorf, Projektbericht BOOLEAN, Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt) Die Nutzung des Stadtbusses soll aber allen Bürger*innen möglich sein und nicht von technischen Voraussetzungen wie dem Vorhandensein eines Smartphones abhängen.

Alicia Hanf zieht ein Fazit: „Gerade in Wahlkampfzeiten macht ein Faktencheck Sinn. In Viernheim wird der „Bus auf Abruf“, der in Schorndorf bereits über Monate getestet wurde, von der CDU als Idee für die Zukunft vermarktet. Der zuständige Dezernent der gleichen Partei informiert im Widerspruch zum einstimmigen Beschluss der Stadtverordneten-Versammlung nicht. Meine eigene Recherche bringt die erstaunliche Erkenntnis, dass es schon Ergebnisse gibt, die Herr 1. Stadtrat den Stadtverordneten hätte berichten können. Allerdings sind diese so, dass ein „Bus auf Abruf“ derzeit für Viernheim mit einer halben Million Fahrgästen (natürlich außerhalb von Corona-Zeiten) und seiner Straßenbahn-Anbindung keine sinnvolle Alternative darstellen. Für mich stehen diese Fakten in krassem Gegensatz zum betriebenen Marketing der CDU. Es kommt aber auf sinnvolle und machbare Lösungen an, nicht auf das Marketing.“

Die SPD-Position zum Stadtbus ist klar: Derzeit ist der Stadtbus-Linienverkehr bis Ende 2025 an eine Firma vergeben. Ab dem 1. Januar 2026 sind neue Lösungen möglich. Gerne mit Elektrobussen, gerne auch mit kleineren Bussen, gerne auch mit einer Anbindung des Familiensportpark West, aber nicht unter Verzicht auf einen sehr leicht verständlichen Takt und die sehr gute Anbindung an die Linie 5 des Verkehrsverbundes. Für den Aufsichtsrat und die Geschäftsführung der Stadtwerke GmbH wird auch der Preis des Ganzen von erheblicher Bedeutung sein. Denn der Stadtbus ist auf einen Zuschuss angewiesen, der nicht ins Unermessliche steigen kann.

Weiterhin möchte sich die Viernheimer SPD zukünftig für die Gleichberechtigung verschiedener Verkehrs- und Mobilitätsformen einsetzen. Es bedarf also nicht nur eines attraktiven und verlässlichen Stadtbus- und Straßenbahnangebots, sowie entsprechender barrierefreier Haltestellen und Fahrzeuge, sondern auch des Ausbaus von über- und innerörtlichen Radwegen und sicherer Radabstellplätze. Auch ein Fahrradverleihsystem kann die vorhandenen Möglichkeiten wie beispielsweise das Carsharing sinnvoll ergänzen. Auch das Ruftaxi und den Frauen-Nachtfahrdienst gilt es weiterhin aufrecht zu erhalten. „Aus unserer Sicht sind wir in Viernheim bereits sehr gut aufgestellt, was die innerstädtische Mobilität angeht. Viele Wege innerhalb Viernheims können bereits heute gut mit dem Rad oder mit dem Bus, der sehr regelmäßig auf zwei verschiedenen Linien verkehrt, zurückgelegt werden. Mit dem Radwege- und dem jüngsten Klimaschutzkonzept liegen bereits heute gute Grundlagen auf dem Tisch, wie die Mobilität in Viernheim zukünftig gefördert werden kann“, so Alicia Hanf abschließend.