Gibt es, wenn ich alt bin, noch genügend Pflegekräfte? Warum gibt es keinen staatlichen Beratungsdienst zum Wohnungsumbau? Am liebsten würde ich doch im Bereich meiner gewohnten Nachbarschaft bleiben. Können ambulante Dienste mit ehrenamtlichen Hilfen sinnvoll verknüpft werden? Digitale Dienste, wie werde ich fit, die im Alter so zu nutzen, wie die Jungen? Gut von A nach B kommen, geht das auch im Alter? Was kann ich selbst für meine körperliche und seelische Gesundheit tun? Hilft mir auch mal einer aus meinem Tal der Einsamkeit?

: Der mobile Bücherservice und die
Telefonkette sind die jüngsten Angebote in Zusammenarbeit von Seniorenberatung,
Stadtbibliothek und Arbeiterwohlfahrt.
Foto: Stadt Viernheim

Viernheim (Stadt Viernheim) – Schon einmal hat sich eine städtische Studie mit Fragen rund um das Wohnen und Leben im Alter beschäftigt, jetzt möchte Bürgermeister Matthias Baaß Viernheim fit machen für die Herausforderungen, die vorhanden oder bereits absehbar sind. In einem gemeinsamen Prozess mit Politik, Bürgerschaft und Verwaltung will er quasi einen neuen „Altenplan“ erstellen, will Herausforderungen und Handlungsmöglichkeiten benennen und die ersten Ideen konkret angehen. Baaß: „In den 90er Jahren hat eine weitblickende Kommunalpolitik angeführt von Bürgermeister Norbert Hofmann in die Zukunft geschaut und die Grundlagen für Dienste gelegt, die wir heute wie Selbstverständlichkeiten nutzen. Zum Beispiel die Seniorenbegegnungsstätte und das Forum der Senioren. Jetzt sollten wir das erneut machen, es gibt erneut Herausforderungen, aber vielleicht auch schon Erkenntnisse für neue Lösungen.“

Im Oktober letzten Jahres hatten Seniorenberatung und Bürgermeister die in Viernheim vertretenen ambulanten Dienste zu einem Gespräch eingeladen. „Wie steht es in Viernheim um die ambulante hauswirtschaftliche und pflegerische Versorgung?“ war die Ausgangsfrage. Schon daraus ergaben sich Hinweise zum aktuellen und zukünftigen Bedarf, die weiterverfolgt wurden, u.a. in einem Schreiben an das Hessische Sozialministerium. Der damalige Wunsch ist jetzt aus Anlass der Corona-Pandemie in Erfüllung gegangen: Anbieter von Dienstleistungen aller Art (Einkäufe, Holen und Bringen der Wäsche von und zur Reinigung, Anlieferung von Speisen, Übernahme von Botengängen, Organisation und Erledigung von Behördengängen) müssen nun im Vorhinein kein formales Anerkennungsverfahren mehr durchlaufen. Baaß: „Hoffentlich bleibt dies dauerhaft so, es würde vielen Bürgern weiterhelfen.“

In einem Gespräch mit Vertretern der Fraktionen der Stadtverordneten-Versammlung im Juni 2020 hat Baaß den Gedanken einer gezielten Betrachtung der Handlungsmöglichkeiten in Viernheim skizziert und eine öffentliche Beschlussvorlage angekündigt. Diese wird gerade für die Sitzung des Sozialausschusses am 26. August 2020 vorbereitet.

Der politische Auftrag der Stadtverordneten sei als stabile Grundlage wichtig, in den weiteren Prozess sollen im Anschluss aber viele weitere Institutionen einbezogen werden. Baaß: „Alle, die in Viernheim mit den Themen Wohnen, Gesundheit, Pflege, Mobilität und digitale Teilhabe zu tun haben und ältere Menschen zur Zielgruppe haben oder haben könnten, werden einbezogen. Denn zu neuen Lösungen werden wir nur gemeinsam kommen!“ Dabei ist sich Baaß mit seinen beiden Seniorenberatern Beate Preuss und Eberhard Schmitt-Helfferich einig: Auf Grund der steigenden Lebenserwartung der Menschen und der immer besseren körperlichen Verfassung ist es längst an der Zeit die starre Fixierung des Altersbegriffes auf die Attribute Pflege und Fürsorge zu überprüfen und das Alter in seiner ganzen Vielfalt zu erkennen. Gleichzeitig werde aber die Versorgung der zunehmend hochbetagten Menschen nicht allein durch Fachkräfte möglich sein. Hier brauche es innovative Konzepte für moderne Formen auch der Nachbarschaftshilfe.

Hierbei sei neben dem Blickwinkel und der Bedürfnisse der Menschen ab 60 vor allem auch die Sichtweise und die Auswirkungen auf alle Generationen zu berücksichtigen. Baaß: „Es bedarf umfassender Konzepte, die den Austausch und das Miteinander der Generationen fördern, aber auch genügend individuellen Freiraum für die einzelnen Altersgruppen zulassen.“

Zur Bevölkerungsentwicklung

Laut der Zahlen von Dezember 2019 leben in Viernheim 10171 Menschen, die älter als 60 sind. Dies entspricht einem Anteil von 35,57 % an der Gesamtbevölkerung. Rund 2441 Menschen sind sogar über 80 Jahre alt (Anteil von 6,98 % an der Gesamtbevölkerung).

Im Zuge des demografischen Wandels wird sich auch der Anteil der Menschen im dritten und vierten Lebensalter in Viernheim erhöhen und sich die prozentualen Verhältnisse nochmal deutlich verschieben. Die Menschen des dritten Lebensalters (ca. 60 bis 80 Jahre) sind überwiegend gesund und mobil und können ohne größere Einschränkungen ihren Alltag bewältigen. Mit zunehmendem Lebensalter steigt dann der Hilfebedarf langsam aber kontinuierlich an.

Schon heute: Vielfältige Einrichtungen auf kurzem Weg erreichbar

Bereits heute gibt es in Viernheim, der Stadt der kurzen Wege, ein vielfältiges Spektrum an Einrichtungen: die selbstverwaltete Seniorenbegegnungsstätte 55+, mehrere Altenwohnanlagen sowie Betreutes Wohnen, das „Forum der Senioren“ mit 154 stationären Pflegeplätzen , eine städtische Seniorenberatungsstelle, mehrere Pflegedienste und soziale Hilfsdienste und auch Betreuungsgruppen für Demenzerkrankte. Dazu kommt auch eine sehr gute ärztliche Versorgung und ein Stadtbussystem, welches zudem an die Straßenbahn nach Mannheim und Umgebung angeschlossen ist.

Matthias Baaß: „Wir sind in Viernheim gut aufgestellt, aber es ist auch nötig sich mit der weiteren Entwicklung auseinanderzusetzen. Nur dann wird es auch weiterhin eine passende Infrastruktur geben. Und niemand andere als die Stadt selbst kann hier eine Steuerungsfunktion freiwillig übernehmen.