Wort zum Sonntag von Frau Dr. Irene Dannemann
Dankbarkeit üben
In vielen Kirchen feiern die Christinnen und Christen am Sonntag Erntedank – wir danken Gott für die Ernte, die in diesem Jahr eingebracht werden konnte, für Gemüse und Obst, das wir essen und genießen können.
Passend zum Erntedankfest heißt es im Psalm 65,12: „Mit guten Gaben krönst du das Jahr, in deinen Spuren lässt du Überfluss zu.“ Den Überfluss, den Reichtum entdecken die Betenden des Psalms in vielen Erfahrungen: Gott erhört unsere Bitten. Gott vergibt Schuld und beschenkt unser Leben mit den Gaben der Schöpfung.
Am Erntedankfest nehmen wir in den Blick, dass Gott Gutes über unserem Leben ausspricht, dass Gott uns immer nah ist und dass wir Gottes Liebe auch an unserem Wohl erkennen können. In Zeiten der Not und Trauer, der Hetze und Ungewissheit fällt uns das schwer. Und doch ist es möglich, dass wir daran denken, was wir haben, welche guten Wege Gott uns bereits begleitet hat, wo wir Gottes Behütung spüren konnten, wo uns ein Schutzengel zur Seite stand.
Für all die behütenden Erfahrungen bin ich von Herzen dankbar. Kein Schutzengel, kein heil überstandener Unfall, keine tröstende Geste sind selbstverständlich.
Dankbarkeit ist eine Haltung zum Leben, die wir üben können. Ich lade Sie heute dazu ein, in der kommenden Woche täglich sechs Dinge aufzuschreiben, für die Sie dankbar sind. Vielleicht drei am Morgen und drei am Abend. Achten Sie darauf, dass Sie Unterschiedliches notieren. Es hilft, Details zu beachten: morgens der Geruch von frischem Kaffee, ein freundlicher Gruß auf der Straße, ein Telefonat oder dass ich die letzte Nacht mit einem guten Schlaf gesegnet war oder in einer herausfordernden Situation ruhig bleiben konnte.
Warum aufschreiben? Weil das Schreiben mit Stift und Papier uns verwandelt. Dinge, die wir uns aufschreiben, verstehen wir besser und behalten sie länger im Gedächtnis als bei Gedanken, die wir in den Computer oder das Handy tippen. Wir schreiben sie in unsere Seele ein.
Seit einigen Monaten tue ich das: Täglich schreibe ich meinen Dank auf. Manchmal geht das ganz schnell, manchmal muss ich überlegen. Dieses Ritual verändert meine Aufmerksamkeit. Ich beschwere mich weniger. Es muss doch nicht immer alles perfekt gelingen, weder meinen Mitmenschen noch mir, und kann doch gut sein.
Der Dank für meine Umgebung, für sonnige Tage, Gesundheit und freundliche Begegnungen wird mir wichtiger und rückt in den Vordergrund. Ich nehme Gelungenes noch einmal wahr und stelle es vor meine und Gottes Augen. „Mit guten Gaben krönst du den Tag; in deinen Spuren lässt du Überfluss zu.“ Manchmal bin ich selbst überrascht, wieviel Gutes in einem ganz normalen Tag steckt. Gott sei‘s gedankt.
Ihre Pfarrerin Dr. Irene Dannemann, Evangelische Christuskirchengemeinde, Bezirk Friedenskirche