Zum Text der „Unabhängigen Bürger Viernheim

im „Podium der demokratischen Parteien“ am 2.10.2020 im VT

Unzahl an Falschdarstellungen

Dieser Textbeitrag enthält so viele Falschdarstellungen, dass es kaum möglich ist, auf alle in einer noch vertretbaren Länge zu reagieren.

1.

Der Beitrag vermischt

  1. a) bauplanungsrechtliche Fragestellungen mit Bedarfsfragen in der stationären Altenhilfe sowie
  2. b) völlig unterschiedliche Angebote der Altenhilfe wiederum miteinander, so als ob „Betreutes Wohnen“ gleichzusetzen wäre mit einer Pflegeeinrichtung.

2.

Schon im ersten Absatz erweckt der Autor den Anschein („aktualisierter Bebauungsplan“), dass dem Planungsgebiet eine neue Zielbestimmung gegeben wurde. Das Gegenteil ist der Fall. Im Bebauungsplan wurde genau das beschrieben, was die Stadtverordneten-Versammlung bereits seit vielen Jahren gut begründet will: eingeschränkte gewerbliche Nutzung, kein dauerhaftes Wohnen, Standort für Kindertagesstätten und Schulen sowie Büros.

Dieses planungsrechtliche Handeln der Stadt entspricht einer über viele Jahre immer wieder beschlossenen Leitlinie und war korrekt, was aktuell auch vom Verwaltungsgerichtshof des Landes Hessen ausdrücklich bestätigt wurde.

3.

Im Bereich „Pflege“ tut der Verfasser so, als ob die Pflege älterer Menschen nur in stationären Altenhilfeeinrichtungen stattfindet. Rund 80% der Pflegeleistungen für ältere Menschen erbringen bundesweit aber die privaten Haushalte und die ambulanten Pflegedienste. Der Verfasser ignoriert dieses Faktum.

4.

Der Autor erweckt des Weiteren den Eindruck, dass mit dem Bau einer Pflegeeinrichtung auch „Betreutes Wohnen“ verbunden gewesen wäre. Dem ist nicht so. Das sind zwei völlig unterschiedliche Angebote, diese bei einer Bedarfsbetrachtung miteinander zu vermengen ist grob falsch. „Betreutes Wohnen“ beinhaltet das normale Anmieten einer Wohnung, allerdings verbunden mit dem dauerhaften Angebot auf einen Betreuungsdienst (keine Pflege!) stundenweise zugreifen zu können. Bei einer stationären Pflegeeinrichtung ist über 24 Stunden hinweg immer eine Pflegekraft vor Ort. Die Preise beider Dienste sind völlig unterschiedlich, ebenso der Bedarf.

5.

Das „Forum der Senioren“ wurde in den letzten Jahren mit erheblichen finanziellen Mitteln, immer bei einem positiven Jahresergebnis des Eigenbetriebes , konsequent modernisiert. Durch diese gezielten baulichen und konzeptionellen Maßnahmen ist es am Pflegemarkt absolut konkurrenzfähig. Mitnichten habe ich jemals anderes behauptet, ganz im Gegenteil!

6.

Schon beim Bau des „FdS“ in den zurückliegenden 90er Jahren hatte die Kommunalpolitik strategisch im Blick, dass die konzeptionelle Entwicklung von stationären Altenhilfeeinrichtungen immer weitergeht. Deswegen wurde das Haus völlig neu konzeptioniert (z.B. Einzel- statt Doppelzimmer). In einer Besprechung mit den Fraktionen wurde von mir in diesem Zusammenhang jetzt  dargelegt, dass es eine Typisierung des Kuratorium Deutsche Altershilfe (KDA) beim Bau von Altenpflegeeinrichtungen gibt (Generationen 1.-5.). Das „Forum der Senioren“ ist eine Einrichtung der 3. Generation mit Komponenten der 4. Generation (= Hausgemeinschaftskonzept). Die fachlichen Überlegungen des KDA gehen in Richtung einer 5. Generation (kleinteiligere Wohnformen; in Wohngebiete integriert; mit anderen, dem zunehmenden Fachkräftemangel angepassten Pflege- und Betreuungskonzepten).

Diese fachlichen Betrachtungen des KDA sollten bei der Abdeckung eines zukünftigen Bedarfs beachtet werden. Das „FdS“ verliert dadurch weder seine Berechtigung noch muss es die Platzzahl verringern.

7.

Es gibt derzeit keine „prekäre Lage“, wie sie von der UBV behauptet wird. In der stationären Altenhilfe gelten nicht die fast rein ortsbezogenen Belegungsprinzipien wie im Bereich Kindertagesstätten oder Schulen. Wir haben hier einen regionalen Markt. So wohnen im „FdS“ durchschnittlich über die Jahre 25% „Nicht-Viernheimer“. Noch dazu hat die Corona-Krise die Belegungssituation verändert. Seither sind ständig 10-11 Plätze frei.

8.

Die Stadt Viernheim muss -wie in der Vergangenheit- selbst entscheiden, in welcher Form Sie Ihren zukünftigen Bedarf an verschiedenen Wohnformen für ältere Menschen abdecken will. Wer nur dem Ruf immer mal wieder auftauchender Investoren in diesem Segment folgt, denkt zu kurz.

Die Chancen für das Mittelzentrum Viernheim liegen darin, dass man selbstbewusst einen Bedarf fachlich charakterisiert und sich bei der Bedarfsdeckung daran orientiert. Hiermit sind wir in der Vergangenheit immer gut gefahren. Genau dies ist der Gegenstand meiner Überlegungen zum „Älter werden in Viernheim“, welche vom Magistrat bereits im August ausdrücklich für gutgeheißen wurden. Auf die öffentliche Berichterstattung dazu sei verwiesen.

 

Matthias Baaß

Bürgermeister

Bürgermeister