(v. l.) Dr. Gerd Baltes, Selma Emekci, Herbert Kempf und Celil Gürbüz präsentieren Bürgermeister Matthias Baaß eine kleine Auswahl an Exponaten, die bei der Ausstellung zu sehen sein werden.
Foto: Stadt Viernheim

Viernheim (Stadt Viernheim) – Nachdem aufgrund der Pandemie viele öffentliche und gesellschaftliche Veranstaltungen ausfallen oder verschoben werden mussten, konnte das Viernheimer Forum der Religionen keine Begegnungsmöglichkeiten anbieten. Doch die Mitglieder waren während dieser Zeit nicht untätig und haben in den zurückliegenden Monaten eine äußerst interessante Ausstellung zum Thema „Koran“ vorbereitet, die ab dem 14. September bis Ende November während der Öffnungszeiten der Stadtbibliothek in der Kulturscheune zu sehen sein wird.

 

„Der Koran – das Heilige Buch der Muslime“, so lautet der Titel der Ausstellung, bei der Korane, Teilkorane sowie Fragmente teils im Original, teils in wunderbaren Faksimileausgaben aus verschiedenen Jahrhunderten und unterschiedlichen Weltregionen präsentiert werden. Zur Verfügung gestellt werden die über 70 Exponate aus dem eigenen Bestand von Herbert Kempf, der bereits mehrere historische Ausstellungen konzipiert hat und gleichzeitig Mitglied im Forum der Religionen und Ideengeber der besonderen Ausstellung ist.

 

Einen kleinen Vorgeschmack auf die Ausstellung gab es nun bei einem gemeinsamen Termin in der Zweigstelle des Vereins Lernmobil „Am Schlangenpfad“, bei dem Herbert Kempf mit Dr. Gerd Baltes, pädagogischer Leiter des Lernmobils und Leiter des Forums der Religionen, Forumsmitglied Selma Emekci und Imam Celil Gürbüz im Beisein von Bürgermeister Matthias Baaß anhand von vier Beispielen die Vielfältigkeit der Koranausgaben in der Ausstellung vorstellte: „Der blaue Koran stammt vermutlich aus dem 9./10. Jahrhundert und ist eine der prächtigsten Koranhandschriften“, erklärt Kempf, der dabei eine Faksimileseite aus dem Blauen Koran in den Händen hält, das Exponat Nr. 67 der Ausstellung. Das Besondere, so Kempf, sei die kufische Goldschrift auf blauem Grund. Des Weiteren präsentiert er eine Originalausgabe eines gedruckten Korans aus Kaschmir (Nr. 9), der im 19. Jahrhundert erstellt wurde und zu Beginn mit zwei handvergoldeten Schmuckseiten geschmückt ist. Auch zwei Originalausgaben eines handgeschriebenen Teilkorans hat der Viernheimer Geschichtsforscher dabei. „Dieser hier ist aus Indien und in Kufic-Schrift abgefasst“, so Kempf und deutet auf das Werk aus dem 18. Jahrhundert (Nr. 77). Während es sich bei der anderen

 

Ausgabe um einen Teilkoran aus dem 19. Jahrhundert und um ein besonders schönes Beispiel islamischer Kalligraphie handele (Nr. 74).

 

Das sind wahre Schätze, die Herbert Kempf eigens für diese Ausstellung bereitstellt“, zeigt sich Bürgermeister Matthias Baaß beeindruckt von den Exponaten und bedankt sich für diese wertvolle Leihgabe im Rahmen der Ausstellung und die geleistete Vorarbeit.

 

Unterstützt wurden die Vorbereitungen zur Ausstellung außerdem durch fachliche Begleitung der beiden Viernheimer Imame Muhammed Sevinc der Sultan Ahmet Moschee und Celil Gürbüz von der Eyüp-Sultan Moschee sowie weiteren Mitgliedern der Religionsgemeinden. Gemeinsam wurden über viele Wochen hinweg alle Exponate begutachtet, wurden die in der Ausstellung zu sehenden Korantextstellen geprüft und der passende Begleittext für den Ausstellungskatalog formuliert. Eine besondere Herausforderung war das Fotografieren der Ausstellungsexemplare für den Ausstellungskatalog. „Durch die enge Zusammenarbeit mit den Imamen ist ein großes Vertrauensverhältnis entstanden, das war für mich eine ganz große Bereicherung“, hebt Kempf hervor.

 

Werte und Traditionen anderer Religionsgemeinschaften kennenlernen

Die Ausstellung wird zu einem besseren Verständnis des Islam beitragen und so Brücken zwischen den Kulturen und Religionen bauen“, ist sich Baaß sicher. Diesbezüglich sei die Ausstellung auch so wichtig, dies zeige die verzerrte Wahrnehmung des Korans und dadurch der Muslime in der Vergangenheit bis in die Gegenwart, bestätigt Dr. Gerd Baltes, „Unter allen Religionen, die sich mit dem Christentum auseinanderzusetzen hatten, ist der Islam die am meisten missverstandene gewesen“, so Baltes und verweist an ein Zitat der deutschen Islamwissenschaftlerin Annemarie Schimmel. Dies läge einerseits an den jahrhundertelangen politisch-militärischen Auseinandersetzungen des Abendlandes mit islamischen Großmächten, andererseits an den mangelnden Sprachkenntnissen des Arabischen, was nur zu bruchstückhaften Kenntnissen dieser Religion mit ihrer grundlegenden Schrift, dem Koran, führte. Lange Zeit wurde daher der Islam als eine Häresie des Christentums dargestellt. Dieser Blickwinkel habe sich jedoch im Laufe einer langen inhaltlichen Auseinandersetzung mit dem Islam geändert und führte zu einer Hochschätzung dieser Religion und Kultur.

 

In diesem Kontext sei diese Ausstellung zu sehen: Begegnung, Kennenlernen, Wissensaustausch, Abbau von Vorurteilen. Denn: „Ein fruchtbarer Dialog setzt voraus, dass man die religiösen Überzeugungen, Werte und Traditionen anderer Religionsgemeinschaften kennenlernt“, so Baltes. Wichtig sei dem Forum dabei auch, über Textparallelen Gemeinsamkeiten in Bibel und Koran aufzuzeigen.

 

Auftrag und Aufgaben des Forums der Religionen

Das Viernheimer Forum der Religionen fördert im Auftrag der Stadt Viernheim mit dem Interreligiösen Dialog die friedliche und konstruktive Zusammenarbeit der verschiedenen Religionsgruppen im Gemeinwesen. Damit leistet das Forum einen Beitrag zum größeren Verständnis, zum Wissensaustausch und Kennenlernen der Menschen in der Stadt. Der Dialog soll geführt werden im Respekt der Anerkennung des Anderen.

 

Das Forum entstand aus einem Beteiligungsforum der Stadt Viernheim im Jahr 2014 und ist mittlerweile eines der acht Handlungsfelder der Viernheimer Vielfalts- und Integrationsstrategie unter Federführung von Bürgermeister Matthias Baaß. Koordiniert wird dieses Handlungsfeld durch den Verein Lernmobil – Integration durch Bildung – e.V. Mitglieder des Forums der Religionen sind Vertreterinnen und Vertreter der christlichen und

 

muslimischen Gemeinden Viernheims, des jüdischen Kulturvereins sowie interessierte Bürgerinnen und Bürger.

 

Zur Wahrnehmung der religiösen Vielfalt in Viernheim und der Würdigung unterschiedlicher Lebensgestaltung wurde 2019 erstmals ein Interreligiöser Kalender von den Mitgliedern entwickelt, der auf die wichtigsten Feier- und Gedenktagen der in Viernheim beheimateten drei abrahamitischen Religionen aufmerksam macht und seitdem zu Beginn eines jeden Jahres veröffentlicht wird. Hierzu begleitend informiert das Forum der Religionen in unregelmäßigen Abständen ausführlich im Rahmen einer Kolumnenveröffentlichung in Lokalzeitungen zu den religiösen Festen.

 

Weitere Informationen gibt es auch unter www.viernheim.de/vielfaltundintegration oder über Dr. Gerd Baltes, Verein Lernmobil e. V., Telefon 06204 – 980 9164, E-Mail baltes@lernmobil-viernheim.de.