Früher Bach, Mozart und Silcher – heute Elton John, Frank Sinatra und Elvis Presley

Breit gefächert muss das Notenarchiv eines Friedhoforganisten sein. Denn manchmal äußern Hinterbliebene ausgefallene Musikwünsche – angefangen von den Wiener Klassikern über Frank Sinatra und Elvis Presley bis hin zu den „Wildecker Herzbuben“.
Foto: Stadt Viernheim
Die Organisten geben sich alle Mühe, um möglichst jeden Musikwunsch zu erfüllen.
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Viernheim (Stadt Viernheim) – Ave Maria, „Junge komm bald wieder!“ und Narrhallamarsch. Das Notenarchiv eines Friedhoforganisten muss heutzutage allumfassend sein. Denn die Individualisierung ist auch auf den Friedhöfen angekommen. Dies spiegelt sich in den Musikwünschen der Hinterbliebenen deutlich wider und stellt den Musiker mitunter vor schier unlösbare Probleme. Etwa dann, wenn eine betagte Witwe eine spezielle Melodie wünscht, aber den genauen Liedtitel eines Walzers aus den 20er Jahren nicht mehr kennt, nur noch den Refrain „Dreh dich noch einmal um“ vorzusingen vermag. Wohl dem Organist, der dann auf ein gutsortiertes Notenarchiv zurückgreifen kann oder in gezielter Internetrecherche Erfahrung hat.

Fantasie ist auch dann gefordert, wenn etwa die Tante eines Verstorbenen keine konkreten Musikvorstellungen hat und dem Organisten lediglich die Richtung vorgibt mit den Worten: „Bitte ganz weich, ganz samtpfötig die Orgel spielen!“

Die Organisten geben sich alle Mühe, um möglichst jeden Musikwunsch – mag er noch so exotisch ausfallen – zu erfüllen. Schwierig wird es dann, wenn Wünsche geäußert werden wie: „Unser Babba war bei der Kriegsmarine. Vor dem Auslaufen der U-Boote hat die Mannschaft immer ein Soldatenlied gesungen. Dieses Lied hat sein ganzes Leben begleitet. Den Titel weiß ich nicht mehr. Ich kann ihnen lediglich die Melodie vorpfeifen.“ Dies gleicht dann einem Ritterkreuzauftrag, den man selbst beim Stöbern in den tiefsten Tiefen eines Notenschrankes nicht erfüllen kann, weiß Hermann Wunderle zu erzählen.

Leichter fällt die Auswahl dann, wenn eine ehemalige Matrosenwitwe darauf besteht,  ausschließlich Seemannslieder zum Besten zu geben. Dann ertönt eben „Junge komm bald wieder“ beim Verlassen der Trauerhalle. Andere Hinterbliebene bevorzugen dagegen Melodien des Walzerkönigs Johann Strauss. Entsprechend fällt die musikalische Vorgabe aus: „Bitte nur Wiener Walzer!“ Die so gestählten Organisten atmen auf, wenn gelegentlich wieder bekannte wie passende Stücke aus dem klassisch-religiösen Bereich oder aus dem populären Genre (Oper-, Operetten-, Musical- und Schlagerbereich) gewünscht werden. Bei vielen Beerdigungen sorgen sich die Hinterbliebenen mittlerweile selbst um die Musik und bringen die entsprechenden CDs gleich mit.

Gut, dass es bei der Musikauswahl zur Trauerfeier auch klare Vorstellungen gibt. Waren es früher Werke aus dem klassisch-kirchlichen Bereich, so sind es heute Trendsetter wie Candle in the wind (Elton John), Time to say goodbye (Con Te Partiró), Amazing grace (Judy Collins) oder My way (Frank Sinatra). Nicht zu vergessen Love me tender (Elvis Presley), Over the rainbow (Israel Kamakawiwo´ole), The sound of silence (Simon & Garfunkel) oder Tears in Heaven (Eric Clapton).

Bei all dem Bemerkenswerten gibt es auch Menschen, die dem Tod mit Humor begegnen. Beispielsweise ein Viernheimer Fastnachts-Urgestein, der sich einen Auszug aus der Friedhofshalle in die „ewige Narrhalla“ mit dem Narrhallamarsch – in diesem Falle auf CD- wünschte. Warum eigentlich nicht? Schließlich singt man an Fasching ja auch: „Wir kommen alle, alle in den Himmel, weil wir so brav sind.“

So verändert sich die Bestattungskultur auch auf diesem Sektor. Doch nach wie vor kommt bei der würdigen Ausgestaltung einer Trauerfeier der Musik eine tragende Rolle zu. Musik spendet Trost, erinnert an gemeinsame Momente, spendet Hoffnung im Glauben und schafft Gemeinschaft. Sie verbindet die Trauernden untereinander und mit dem Verstorbenen. Musik gibt der Trauer Ausdruck und ist für viele Menschen eine Hilfe bei der Trauerbewältigung. Deshalb tut der Friedhofsorganist gut daran, sein Notenarchiv stets auf dem Laufenden zu halten, um für alle passenden und weniger passenden Literaturwünsche notentechnisch gewappnet zu sein. Auch individuelle Improvisation ist gefragt, etwa dann, wenn der einzige Wunsch wieder einmal lauten sollte: „Bitte ganz weich, ganz samtpfötig die Orgel spielen.“