Darmstadt (RP) – Im Regierungsbezirk Darmstadt wurden 2018 insgesamt 196.363 Wirbeltiere erstmals in Tierversuchen eingesetzt oder zu anderen wissenschaftlichen Zwecken verwendet. Damit ist die Anzahl der Versuchstiere gegenüber dem Vorjahr um 33.683 gestiegen. Das geht aus der aktuellen Jahresstatistik hervor, die das Regierungspräsidium Darmstadt (RP) jetzt veröffentlichte.

Der Anstieg gegenüber dem Vorjahr lässt sich insbesondere auf die 2018 erstmalig erfolgte statistische Erfassung von Mäusen zurückführen, bei denen ausschließlich eine Gewebeentnahme zur Untersuchung der Erbinformation (Genotypisierung) durchgeführt wurde. So lag die Zahl erfasster Mäuse nunmehr bei 138.242 Tieren gegenüber 106.248 Tieren im Vorjahr.

Bei den im Jahr 2018 im Regierungsbezirk Darmstadt verwendeten Versuchstieren handelte es sich mit 98,7 Prozent überwiegend um Labornager oder Fische. So lag der Anteil von Nagern bei ca. 78,5% (70,4 % bzw. 138.242 Mäuse; 6,5 % bzw. 12.817 Ratten; 1,4 % bzw. 2.814 Meerschweinchen) und der von Fischen bei 20,2 % (18,1 % bzw. 35.536 Zebrabärblinge; 2,1 % bzw. 4.151 andere Fische). Weitere Tierarten, die in größerer Anzahl eingesetzt wurden, waren Kaninchen (0,4 % bzw. 737 Tiere), Schafe (0,3% bzw. 619 Tiere) und Schweine (0,2 % bzw. 346Tiere).

Im Hinblick auf den Schweregrad der in Südhessen durchgeführten Tierversuche lässt sich feststellen, dass die Belastung der Versuchstiere überwiegend als gering eingestuft wurde (115.540 Tiere bzw. 58,8 %), während der Anteil der Tiere, die eine mittlere (30.385 bzw. 15,5 %) oder schwere (9.177 Tiere oder 4,7 %) Belastung erfuhren, insgesamt bei 20,1 % lag. Tierversuche, die als schwer belastend eingestuft wurden, betrafen bis auf Einzelfälle Labornager und Fische. Bei den schwerbelastenden Versuchen handelte es sich insbesondere um regulatorische, d.h. gesetzlich geforderte Tierversuche, beispielsweise mit dem Ziel, die Sicherheit von Arzneimitteln oder Chemikalien zu gewährleisten.

Bei den übrigen Tieren wurde keine Einstufung in einen der o.g. Schweregrade vorgenommen, da der komplette Versuch unter Vollnarkose durchgeführt wurde, ohne dass die Tiere danach wiedererwachten (6742 Tiere bzw. 3,4 %), oder da die Tiere zu wissenschaftlichen Zwecken getötet wurden, ohne dass an ihnen zuvor Eingriffe oder Behandlungen vorgenommen wurden (34.524 bzw. 17,6 %). Diese Tiere, die zu wissenschaftlichen Zwecken ausschließlich getötet wurden – beispielsweise um Organe oder Zellmaterial daraus zu gewinnen – werden in Deutschland über die Vorgaben der EU-Versuchstierrichtlinie hinaus zusätzlich erfasst und gehen somit auch in die Versuchstierstatistik der Landesbehörde ein.

100.808 der vom RP Darmstadt erfassten Versuchstiere waren genetisch verändert. Damit lag der Anteil dieser sogenannten transgenen Tiere bei etwa 51,3 %. Gegenüber dem Vorjahr 2017, in welchem noch 63.849 transgene Tiere verwendet wurden, kam es somit zu einer deutlichen Steigerung bei der Verwendung genetisch veränderter Tiere. Auch dieser Anstieg muss vor dem Hintergrund der erwähnten erstmaligen Erfassung reiner Genotypisierungen mittels Schwanzspitzenbiopsie betrachtet werden. Bei den transgenen Tieren handelte es sich mit 99,9 % um genetisch veränderte Mäuse (81,4 % bzw. 82.047 Tiere) und Fische (18,5 % bzw. 18.620 Tiere).

Auch in den Jahren 2015 (156.827 Tiere) und 2016 (207.860 Tiere) gab es bereits Schwankungen der Gesamt-Versuchstierzahlen in Südhessen, sodass sich derzeit keine klare Tendenz feststellen lässt.

Hintergrund:

Die Durchführung von Versuchen an Wirbeltieren unterliegt in Deutschland grundsätzlich der Genehmigungspflicht. In Hessen sind hierfür die drei Regierungspräsidien zuständig. Dabei prüfen die Amtstierärztinnen und Amtstierärzte der Behörden bei jedem einzelnen Tierversuchsantrag, ob der beantragte Versuchszweck auch durch alternative Methoden ohne den Einsatz von Versuchstieren oder mit einer geringeren Anzahl an Tieren erreicht werden könnte. Ebenso wird kontrolliert, ob der geplante Versuch unerlässlich und ethisch vertretbar ist und inwieweit sich die Beeinträchtigungen für die Tiere minimieren lassen („3R-Prinzip“: Replacement, Reduction, Refinement).

Das RP Darmstadt wird bei den Entscheidungen über die Genehmigung von Versuchsvorhaben von zwei ehrenamtlichen und unabhängigen Kommissionen – bestehend aus Vertretern von Tierschutzorganisationen und Fachwissenschaftlern – unterstützt und beraten.

Obwohl heute schon viele Fragen der Wissenschaft durch den Einsatz von Zellkulturen, computergestützten Verfahren und weiteren Alternativmethoden beantwortet werden können, kann auf den Einsatz von Tieren für wissenschaftliche Zwecke – u.a. in der medizinischen Forschung – noch nicht verzichtet werden. Langfristiges Ziel ist und bleibt jedoch, die Anzahl der verwendeten Tiere in den Versuchen zu senken und Ersatzmethoden einzusetzen.

Die hessische Landesregierung fördert die Erforschung von Tierversuchsalternativen mit großem finanziellen Aufwand. Unter anderem wurden hierzu 2017 zwei neue Professuren mit dem Schwerpunkt Replacement an den Universitäten Gießen und Frankfurt besetzt und eine Anschubfinanzierung für das 3R-Zentrum in Gießen (ICAR3R) bereitgestellt (zu „3R“ siehe unten). Außerdem vergibt Hessen seit geraumer Zeit alle zwei Jahre den Hessischen Tierschutzforschungspreis, der mit 14.000 Euro dotiert ist.

Auch der Bund ist bestrebt, die Anzahl verwendeter Tiere in Versuchen zu senken. Dabei fördert das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) unter anderem die Stiftung zur Förderung der Erforschung von Ersatz- und Ergänzungsmethoden zur Einschränkung von Tierversuchen und vergibt jährlich den mit 25.000 Euro dotierten Tierschutzforschungspreis zur Förderung methodischer Arbeiten mit dem Ziel der Einschränkung und des Ersatzes von Tierversuchen. Überdies wurde die Zentralstelle zur Erfassung und Bewertung von Ersatz- und Ergänzungsmethoden zum Tierversuch (ZEBET) im Bundesinstitut für Risikobewertung zum „Deutschen Zentrum zum Schutz von Versuchstieren“ (BF3R) ausgebaut.

Versuchstiermeldung 2018 für den Regierungsbezirk Darmstadt
TierartAnzahl TiereAnteil Tiere
Mäuse138.24270,401%
Ratten12.8176,527%
Meerschweinchen2.8141,433%
Goldhamster200,010%
Mongolische Rennmäuse1690,086%
Andere Nager70,004%
Kaninchen7370,375%
Hunde960,049%
Frettchen60,003%
Schweine3460,176%
Schafe6190,315%
Rinder1660,085%
Rhesusaffen30,002%
Totenkopfaffen250,013%
Andere Säugetiere500,025%
Haushühner1360,069%
Andere Vögel1020,052%
Reptilien2520,128%
Krallenfrösche690,035%
Zebrabärblinge35.53618,097%
Andere Fische4.1512,114%
Summe 2018196.363100,000%
Vergleichszahlen:  
Summe 2017162.680 
Summe 2016207.860 
Summe 2015158.827 
Summe 2014157.223