Wenn das Glas eher halb leer als halb voll ist: Ein Großteil der Beschäftigten in Restaurants, Cafés und Hotels arbeitet zu Niedriglöhnen – und hat wegen Corona schlechte Job-Perspektiven, kritisiert die NGG. Die Gewerkschaft ruft die Arbeitgeber der Branche dazu auf, sich zu tariflichen Standards zu bekennen.
Foto: NGG | Alireza Khalili

Darmstadt /Bergstraße (NGG) – Sie arbeiten dann, wenn andere frei haben, kommen mit ihrem Lohn aber kaum über die Runden: Köche, Servicekräfte und Hotelangestellte verdienen im Landkreis Bergstraße weit unterdurchschnittlich – und könnten aus Geldsorgen ihrer Branche immer häufiger den Rücken kehren. Davor warnt die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) und verweist auf eine Analyse der Hans-Böckler-Stiftung, die Zahlen der Bundesagentur für Arbeit ausgewertet hat. Demnach kommen Beschäftigte aus dem Gastgewerbe, die eine Vollzeitstelle haben, im Kreis Bergstraße auf ein mittleres Monatseinkommen von aktuell nur 1.885 Euro brutto. Zum Vergleich: Branchenübergreifend liegt der Median bei Vollzeit im Landkreis bei 3.215 Euro.
„Wenn Hotel- und Gastro-Beschäftigte 41 Prozent weniger verdienen als der Schnitt, dann darf sich keiner darüber wundern, dass sie sich in Zeiten der Corona-Krise einen neuen Job suchen. Denn viele von ihnen mussten monatelang mit dem Kurzarbeitergeld auskommen, ein Teil der Beschäftigten ist noch immer darauf angewiesen. Das sind harte Einbußen bei einem ohnehin niedrigen Einkommen“, betont Guido Noll, Geschäftsführer der NGG-Region Darmstadt und Mainz. Obwohl die Wirte und Hoteliers ebenfalls stark von den Folgen der Corona-Pandemie getroffen seien, müsse nun alles dafür getan werden, Löhne und Arbeitsbedingungen attraktiver zu machen. Gelinge das nicht, dürfte es in vielen Hotels, Gaststätten und Cafés schon bald nicht mehr genügend Personal geben, warnt der Gewerkschafter.
An den Deutschen Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) in Hessen appelliert die NGG, die Branche über tarifliche Standards neu aufzustellen. Viele Probleme hätten lange vor der Pandemie existiert. „Von unbezahlten Überstunden und langen Arbeitszeiten bis hin zu einem rauen Umgangston hinter den Kulissen – viele Missstände sind auch hausgemacht“, so Noll. Nun müsse dringend etwas getan werden, um den Beschäftigten eine Perspektive nach der entbehrungsreichen Zeit zu bieten. Fachleute könnten mittelfristig nur gehalten werden, wenn sich die Unternehmen mit der Gewerkschaft zu einer besseren Bezahlung sowie attraktiveren Ausbildungs- und Arbeitsbedingungen bekennen.
„Ein wichtiger Punkt dabei ist eine Stärkung der Tarifbindung. Eine Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband sollte nur dann möglich sein, wenn die Tarifverträge akzeptiert werden, die man gemeinsam ausgehandelt hat“, betont Noll. Nach Beobachtung des Gewerkschafters kommt es immer häufiger zu sogenannten Mitgliedschaften „ohne Tarifbindung“. Dieser Trend müsse gestoppt werden, um flächendeckend nicht nur faire Arbeitsbedingungen für das Personal zu haben – sondern auch faire Wettbewerbsbedingungen für die Firmen.