Foto: Stadt Lorsch
Foto: Stadt Lorsch

Lorsch (Stadt Lorsch) – Am Anfang des neuen Tabakjahres ist die gute Nachricht: Die Natur lässt sich von Corona nicht beeinflussen. Es wächst und gedeiht, wie es sich im Frühling gehört. Dementsprechend haben die Aktiven des Lorscher Tabakprojektes erstmal alles wie immer gemacht: Am 19. März, dem St. Josefstag, wurde der Tabaksamen angefeuchtet und mit dem Vorkeimen des Saatgutes begonnen. Nach fünf, sechs Tagen im feucht-warmen Milieu war das Saatgut soweit, dass es ins Frühbeet gesät werden konnte. Nun beginnt bis Mitte Mai die mühevolle Zeit der Frühbeetpflege, wo Temperatur und Feuchtigkeit genau reguliert werden müssen, damit die Saat aufgeht.

„In dem Jahr haben wir diese Aufgabe in die Hände von Frauen gelegt, die den Prozess aus eigener Anschauung kennen“, so Projektleiter Bernhard Stroick. Denn mit dem Vorkeimen des Samens gab es immer wieder Probleme. „Das ist ein Teil der Faszination und auch der tiefere Sinn dieses Projektes: Dass es immer wieder Arbeitsschritte gibt, die man nicht wirklich erklären oder beschreiben kann“, ist dazu aus dem städtischen Kultur- und Tourismusamt zu hören, was das Tabakprojekt 2012 ins Leben rief. „Vielmehr muss man das Wissen um das richtige Handeln und die richtigen Handgriffe aus der Erfahrung lernen. Und diese kommt nur aus dem wiederholten praktischen Tun, also aus der Übung. Übt man diese Tätigkeiten nicht mehr aus, geht damit das durch Jahrhunderte gewachsene und bewahrte Wissen darum verloren.“

Die Bewahrung und Sicherung dieses Wissens hatte auch den Ausschlag gegeben, den Tabakanbau und die Tabakverarbeitung als Immaterielles Kulturgut von der UNESCO schützen zu lassen. Das Hessische Ministerium hatte den Antrag an die Kulturministerkonferenz zur finalen Entscheidung weitergereicht. Doch nun kam die Nachricht, dass dieser durch die dort tagende Jury abgelehnt worden ist. „Wir sind natürlich sehr enttäuscht“, gibt die Leiterin des Kultur- und Tourismusamtes, Gabi Dewald unumwunden zu. Gemeinsam mit Heddesheim, Hockenheim, Schwetzingen und Hatzenbühl war diese Initiative stellvertretend auf den Weg gebracht worden. „In der Metropolregion stellt der Anbau und die Verarbeitung von Tabak einen bis heute spürbar wichtigen wirtschaftlichen und identitätsprägenden Faktor dar“, sind sich die fünf einstigen Tabak-Kommunen einig. Noch immer werden am Oberrhein 1000 Hektar Tabak gebaut. Nun stellen sie sich die Frage, ob sie den Antrag noch einmal einreichen.

Wichtig für das Lorscher Tabakprojekt jedoch – und daran gab es nie einen Zweifel – ist und bleibt das gemeinsame Tun vor Ort. „Noch haben wir welche unter uns, die das alles aus Zeiten kennen, wo man sein Brot mit dem ‚Douwagg‘ verdient hat und die jeden Handgriff noch im Blut haben. Hoffen wir, dass es uns gelingt, dieses gefährdete Wissen weiterzugeben, bevor alles Geschichte ist“, bleiben die Projektler bei dem, was sie antreibt: Sie wollen das immaterielle Kulturgut Tabakanbau und Tabakverarbeitung lebendig halten und für kommende Generationen bewahren. „Schade, dass uns die Kulturministerkonferenz und die Deutsche UNESCO-Kommission bislang hierin nicht anerkennend unterstützen.“