Seniorenghetto“ – ist das der Wunsch für unsere Zukunft?

Um geeignete Zukunftsszenarien als Alternative zum Seniorenghetto zu entwickeln, ist es sinnvoll, sich so früh wie möglich mit Wohnformen im Rentenalter zu beschäftigen.

Wie und wo möchten Menschen im hohen Alter überhaupt leben?

Bei einer Umfrage des Kölner Instituts der deutschen Wirtschaft wurden 50-bis 65-jährige Menschen befragt, wie sie im Rentenalter leben möchten. Viele Befragte gaben an, selbstbestimmt wohnen zu wollen, mit der Option auf Betreuung.

Hierin zeigt sich, dass für viele Senioren das herkömmliche Pflegeheim keine zufrieden  stellende Lösung bietet. Deshalb wird die Entscheidung, wo man im Alter leben wird,  entweder hinausgezögert oder es werden andere Lösungen gesucht.

Sollte es für Senioren nicht mehr möglich sein, weiterhin in ihrem bisherigen Zuhause selbstständig zu leben, müssen sie sich mit Alternativen auseinandersetzen. Unter anderem sind folgende Optionen, neben dem Einzug in ein Alten-oder Pflegeheim, denkbar:

Zu Hause wohnen bleiben

  • Wohnanpassung (z.B. Einbau eines Treppenlifts, behindertengerechtes Bad)
  • Unterstützung im Alltag
  • Betreutes Wohnen zu Hause

Ein neues Zuhause

  • Gemeinschaftliche Wohnprojekte (Mehrgenerationenhaus)
  • Mehrgenerationen-WG
  • Betreute Wohngemeinschaften
  • Betreute Hausgemeinschaften

Vorhandene Wohnmodelle in Viernheim

Senior med 24

Dieser ambulante Dienst betreut und pflegt Senioren-WG´s sowie selbstverantwortete  WG´s bis Pflegegrad 3 (jedoch keine Demenzfälle). Zur Zeit wird eine Pflege-WG in der Rathausstraße, im ehemaligen Tengelmanngebäude, von Senior med 24 betreut.(https://www.seniormed24.de/pflege-wg-wohngemeinschaft)

Pamina

Betreutes Wohnen in altersgerechten 2-3 Zimmerwohnungen „Hinter den Zäunen“. Hier gibt es 68 Mietwohnungen. (https://www.pamina-betreut-leben.de/standorte/viernheim/)

Forum der Senioren

Dieses Altenpflegeheim verfügt über 143 Plätze im vollstationären Wohnpflegebereich, 11 Plätze für die Kurzzeitpflege und 24 Altenwohnungen für betreutes Wohnen.
Das Forum der Senioren ist zu 98% ausgelastet. Trotz dieser Belegungspräferenz reicht  die Nachfrage von ortsansässigen Senioren aktuell nicht aus, um die Einrichtung entsprechend auszulasten. Deshalb wird sie von rund 25% Auswärtigen belegt. Zur Zeit stehen sogar 7 freie Plätze zur Verfügung. (https://www.forum-der-senioren.de/home/)

Insgesamt ist in den letzten Jahren die stationäre Altenhilfe in unserer Region stark gewachsen und die Konkurrenz zwischen den verschiedenen Anbietern somit gestiegen. Im Kreis Bergstraße und auch der Stadt Mannheim wurde ein Angebotsüberhang festgestellt, der auch im Forum der Senioren spürbar ist.

Im Altenhilfeplan des Kreises Bergstraße wird deutlich, dass knapp 75% der Pflegebedürftigen zu Hause versorgt werden. Dies entspricht auch dem Wunsch der Pflegebedürftigen.

Die Heimquote, also der prozentuale Anteil der Pflegebedürftigen in stationären Einrichtungen, liegt aktuell bei 25%.

Trotz dieser Faktenlage wird für Viernheim von einigen Personen vehement ein neues Pflegeheim gefordert.

 

Was sind Gründe dafür, dass Seniorenpflegeheime wie Pilze in die Höhe schießen?

Bundesweit ist bekannt, dass der Bedarf der Pflegeplätze seit 2014 gesunken ist. Seither gingen viele Pflegeheime in Insolvenz. (http://www.marktdialog-ticker.de/de/start/insolvenzmeldungen.html)

Diese Entwicklung muss zu denken geben!

Denn Pflegeheime sind Spezialimmobilien mit lukrativen Renditen, gedacht als sichere Kapitalanlage.

„Schlagen Sie der Inflation mit einem Pflegeappartement ein Schnippchen! Wir bieten maßgeschneiderte Lösungen im größten Wachstumsmarkt der nächsten Jahre.“ (https://www.roemerhaus.de/)

Das Konzept der Bauträger wie beispielsweise Römerhaus GmbH, sind Spezialimmobilien mit hohem Ankaufspreis und entsprechend hohem Risiko. So zahlt ein Privatanleger etwa 150,000 € für ein Wohnappartement. Ein  Profiinvestor  (Versicherungen, Fondgesellschaften) würde hier nur 100.000 € zahlen.

Diese Spezial-Sozialimmobilien sind Managementimmobilien. Der Erfolg eines Pflegeheims hängt vom Geschick des Betreibers ab. Das Risiko liegt immer bei den Käufern der Immobilie. Geht das Pflegeheim in Insolvenz, müssen die Eigentümer der Appartements neue Betreiber suchen. Wenn sich keine neuen Betreiber finden, kann es passieren, dass die Pflegeheime zu Bauruinen verkommen.

Zudem werden diese Immobilien gerne auf billigen Gewerbebaugrundstücken gebaut, weit ab der Innenstädte. Da ist die nahe Autobahn auch kein Problem. Böse Zungen behaupten, dass die alten Menschen überwiegend dement, schwerhörig und nicht mehr laufen können. Die Alten hätten in dem Heim alles, was sie zum Leben benötigen. Sie müssten ja auch nicht mehr raus, was brauchen sie dann eine schöne Umgebung? Na dann, Prost!

Angehörigen-Entlastungsgesetz

Wenn das Geld der zu Pflegenden oder die Mittel der Pflegeversicherung nicht ausreichen,    wurden bisher die Kinder oder Angehörigen für die anfallenden Kosten zur Kasse gebeten.  Verena Bentele, die Präsidentin des VdK, sagt dazu: „Sie gehen nicht ins Heim, obwohl sie zu Hause nicht mehr ausreichend versorgt werden können, damit ihre Kinder nicht belastet werden.“

Am 04.11.2019 beschloss nun der Bundestag ein Gesetz zur Entlastung unterhaltspflichtiger Angehöriger. Eltern und Kinder von pflegebedürftigen Angehörigen sollen zukünftig erst ab einem Bruttojahreseinkommen von 100.000 € zu den Pflegekosten herangezogen werden.  Ältere Menschen sollen mit diesem Gesetz unterstützt werden, Entscheidungsfindungen würden dadurch erleichtert. Ob durch das Angehörigen-Entlastungsgesetzt bei den Pflegebedürftigen der Wunsch für eine Heimunterbringung steigt, ist ungewiss.

Viernheim braucht alternative Wohn- und Lebensformen

Die betreute Wohngemeinschaft ist ein Beispiel für eine zeitgemäße Wohnform  und wird mittlerweile auch in Viernheim angeboten. Diese Art der ambulanten Pflege könnte weiter ausgebaut werden.

Ein Mehrgenerationenhaus ist ein neuer Weg, auf die Herausforderungen des demografischen Wandels zu reagieren. Es ist eine zeitgemäße Antwort auf die gesellschaftlichen Veränderungen. Es bewirkt ein Miteinander von Jung und Alt, auf dessen Basis lebendiges Erfahrungswissen ausgetauscht und weitergegeben werden kann.

Das Genossenschaftsprojekt WohnSinn in Darmstadt beweist, dass generationenübergreifendes Wohnen realisierbar und äußert lebenswert ist.

(http://www.wohnsinn-darmstadt.de/)

Um ein Projekt wie das Mehrgenerationenhaus zu verwirklichen, braucht es Mut und engagierte Menschen, die sich zusammen tun. Diese Wohnform könnte ein Gegenkonzept zum altbekannten Seniorenghetto sein.

Helga Zöller-Helbig                                                            Gabriella Römmelt

Bündnis 90/Die Grünen                                                     Bündnis 90/Die Grünen

Mitglied der Betriebskommission

Forum der Senioren