Wenn die Blinden die Lahmen führen

Mich interessieren Wissenschaftsphilosophie und Wissenschaftstheorie, die die Wege analysieren, wie Wissenschaften zu ihren Erkenntnissen kommen, die dann ja wiederum den Politikern als Handlungsanleitung dienen.

So sagte zum Beispiel Dr. Drosten in einem Interview: „Ja, vielleicht kommt es dann doch nicht so schlimm, und wenn ich dann wirklich diese Verdrängung ausschalte und anfange zu rechnen, dann muss ich eben doch auch anerkennen, dass es schlimm kommen wird, und zwar wirklich schlimm …“

Nicht: Es „könnte“ schlimm kommen, sondern es „wird“ schlimm kommen. Und diese Sicherheit in Bezug auf die Zukunft gewinnt Dr. Drosten aus seinen Berechnungen. Diese müssen also, wenn es schlimm kommen „wird“, sehr gut sein. Dazu Dr. Drosten: „Man geht von einer Infektionssterblichkeitsrate aus, also sagen wir Fallsterblichkeitsrate, weil es sind eben auch die unbemerkt Infizierten dabei, und dann kann man eben nur noch von einer Infektionssterblichkeitsrate sprechen, von 0,9 % … Aber ob sie wirklich ein Drittel sind, wissen wir nicht, wir haben hier wirklich eine Schätzung. Daran sieht man schon, solche Schätzungen, die sind (Dr. Drosten macht hier eine kleine Pause) mutig, die können komplett falsch sein und extreme Auswirkungen haben am Ende der Modellrechnung. Also das ist immer das Problem bei Modellen. An einigen Stellen muss man Schätzungen eingeben. Da hat man dann wissenschaftliche Studien. Die sehen extrem kompliziert aus. Aber in den wichtigen Stellschrauben steht dann plötzlich da: Ja, da haben wir einen Experten gefragt, und der hat dann geschätzt …“

Es ist recht unergründlich, wie Dr. Drosten, ausgehend von einem Sammelsurium von Schätzungen, Stellschrauben und Expertenwillkür in seinen Rechenmodellen, zu der Sicherheit kommt, dass es schlimm kommen „wird“. Schlimm ist nämlich allein das Szenario, die modellierte Wirklichkeit, längst nicht die Realität! Zumindest muss man sagen: Man weiß es nicht!

Aber, wird man vielleicht einwenden, die Zahlen der Infizierten, der Toten, der vielen Toten in Norditalien etwa!

Es müsste genau nachgesehen werden: Handelt es sich bei den Infizierten um alle Infizierten, also auch um die nicht in Tests erfassten? Dann bekäme man die Letalitätsrate – das Verhältnis der Toten zu allen Infizierten –, also ein gutes Bild davon, wie heftig das Virus tatsächlich wirkt. Aber – Dr. Drosten sagte es bereits – das wäre eine „Schätzung“. Denn man erhält nur die, die man gemessen hat, nicht auch die, die unerkannt infiziert sind.

Oder bekommen wir die Mortalitätsrate? Dann würden sich die Toten allein auf die positiv getesteten Infizierten beziehen. Dann würde uns die Rate aber nicht viel über die Gefährlichkeit des Virus sagen.

Und die Zahl der Toten? Die sind doch Tatsachen!

Tatsachen als solche besagen erst einmal nicht viel, sie müssen auch verstanden werden. Denn die Coronatotenzahl sagt nichts darüber aus – das geben das Robert-Koch-Institut wie auch die italienischen Behörden zu –, ob der Verstorbene „an“ Corona oder „mit“ Corona verstorben ist.

Und darüber weiß man noch sehr wenig. In Italien etwa spielt sehr wahrscheinlich die hohe Luftverschmutzung (Feinstaub …) bei der Verursachung der dann tödlich verlaufenden Lungenentzündungen mit. Und/oder die hohe Antibiotikaresistenz vieler Alter durch den lockeren Alltagsgebrauch von Antibiotika in Italien, sodass Krankenhauskeime kaum mehr auf Widerstand treffen. Und/oder ein noch mehr heruntergewirtschaftetes Gesundheitssystem als bei uns. Bislang alles noch unklar.

Im Moment spricht, trotz aller schockierenden absoluten Zahlen, vieles dafür, dass sich die Gesamtletalität im Rahmen der Raten der in jedem Winter stattfindenden Infektionswellen bewegt, trotz des und mit dem Coronavirus!

Es wird also deutlich: Die Wissenschaften Virologie und Epidemiologie stochern blind in einem Salat aus Schätzungen, Annahmen, willkürlichen Setzungen bei gleichzeitiger Unkenntnis der Lage vor Ort und ungenügenden medizinischen Erfahrungen herum. Darüber wird dann die verkleisternde Soße der Medien gegossen und auf dem Tisch erhalten wir als Menü dann Angst und Panik.

Es wäre also anzuraten, ein wenig über den Horizont des engen Fachbereichs zu blicken und etwa die Hilfe erfahrener Kliniker zu erbitten. Solange das nicht der Fall ist, werden die Blinden (Fachwissenschaftler) weiterhin die Lahmen (Politiker) führen. Und dann ist zu befürchten, dass das neue Infektionsschutzgesetz nicht der letzte demokratiezersetzende Virus bleiben wird. Leider tendiert nämlich der Staat, wenn man ihn unkontrolliert vom Souverän Volk wirken lässt, dazu, mehr die „Peitsche“ als das „Zuckerbrot“ zu gebrauchen.

Dr. Bernd Lukoschik

Viernheim