Über Majestäten, Nachdenken und den Souverän

Die FDP-Generalsekretärin Linda Teuteberg brachte in ihre leichte Kritik an der harschen merkelschen Zurückweisung der sogenannten „Öffnungsdiskussionsorgie“, so das Kunstwort der Kanzlerin, einen interessanten Begriff ein. Frau Teuteberg sagte, es sei keine „Majestätsbeleidigung, über politische Lösungen zu streiten“. Da spitzt ein wenig das bei der FDP hervor, was sie einst – es ist längst vergangen! – für unsere Demokratie so wichtig gemacht hat, das Liberale im besten Sinne: Nachdenken, kontroverses Diskutieren, Offensein für andere Lösungsvorschläge.

Der interessante Begriff: Majestätsbeleidigung.

Sogar bei manchen Parteipolitikern hat es also geklingelt. Seit Langem verhält sich die Bundeskanzlerin nämlich nicht mehr wie das exekutive Organ des eigentlichen Souveräns, der Bürger, das Organ, das sich also immer von Neuem mit dem Souverän kurzzuschließen hat, das für ihn handelt, sich daher immer vor dem Souverän rechtfertigen und seine Handlungen begründen muss. Begründen! Nein, die Kanzlerin ist längst zu einer Majestät, einer absoluten Monarchin mutiert, lebt in jenseitigen Sphären und schaut nur ab und zu mal hinunter – und muss dann halt leider schimpfen, wenn sie etwa im aktuellen Fall von den „Öffnungsdiskussionsorgien“ poltert.

Was sie allerdings zu einer Majestät macht, ist weniger das Poltern. So etwas tun auch wirklich gute Demokraten. Es ist vielmehr die Tatsache, dass sie es gar nicht mehr für nötig erachtet, einen Grund für ihr Poltern zu geben. Sie stellt fest, ohne es für angebracht zu halten, ihre Feststellung zu begründen und zu rechtfertigen. Sie kommt, sieht und siegt, wie es einst in grauer Vorzeit eine andere Majestät praktizierte.

Den grassierenden Öffnungsdiskussionen setzt sie entgegen: „Wir sind noch nicht über den Berg.“ Erst in vierzehn Tagen wisse man, wie sich die politischen Maßnahmen auf die Pandemie auswirken. Begründung? Schweigen! Keine Angabe einer Quelle, denn Frau Merkel ist Physikerin, keine Epidemiologin, Biometrikerin oder Lungenfachärztin. Woher weiß sie das mit dem Über-den-Berg bzw. dass wir noch davor oder vielleicht kurz vor dem Gipfel stehen, dass das in 14 Tagen der Fall sein wird?

Es ist längst an der Zeit, dass sich die Teutebergs im Parlament endlich etwas forscher zu Wort melden und das einfordern, was ihnen als Repräsentanten des Volks zusteht: Nicht nur müssten mit der Kanzlerin das RKI und die Charité aufs Podium treten – denn die sind ja wohl bisher die heimlichen Einflüsterer in Sachen Berg und 14 Tage –, sondern zudem, um die Demokratie ein wenig abzurunden, die Mediziner und Fachleute, die andere Positionen und Lösungsvorschläge zur Öffnungsdiskussion beitragen könnten.

Das wäre dann aber natürlich eine echte Majestätsbeleidigung!

Bernd Lukoschik