Was jetzt primär wäre: Schaffung von Überkapazitäten im Gesundheitswesen

Das „Konjunkturpaket“, also das Reparaturprogramm für Corona, nimmt Gestalt an. Schon die Wortwahl dafür, wie man die gequälte Gesellschaft wieder auf Touren bringen möchte – Konjunkturprogramm –, zeigt, wie man sich Förderung in Zeiten des Auslaufens von Corona vorstellt. Förderung heißt primär und fast ausschließlich Wirtschaftsförderung, nach dem tief verankerten neoliberalen Glaubenssatz: Geht es der Wirtschaft gut, dann tröpfelt automatisch auch etwas hinunter in die Weichteile unserer Gesellschaft: das Soziale, Gesundheitliche, Schulische. Mehrwertsteuersenkung, Ankurbelung des Konsums, Finanzspritzen vor allem für die großen Industrien, etwa die Autoindustrie, weil die ja viele Arbeitsplätze anbieten und halt nun mal die Profitmotoren für die internationalen Investoren sind. Hessen will zudem das ganze Konjunkturprogramm verknüpft sehen mit „Modernisierung, Digitalisierung und …“ (Fortsetzung folgt).

Und bevor man ganz ins Verzweifeln kommt angesichts der konzentrierten Ausrichtung der Politik auf die Wirtschaft, fällt der Blick doch noch auf etwas anderes (Fortsetzung des Zitats): „… sozialökologischer Erneuerung des Landes“. Gibt es tatsächlich auch noch Nichtökonomisches bei uns, das man fördern will?

Da liest man zum Beispiel: Von den 12 Milliarden Euro, mit denen Hessen Corona bewältigen will, sollen „fast eine Milliarde für Gesundheitsschutz sowie soziale und kulturelle Infrastruktur“ eingesetzt werden. „Geld auch für Frauenhäuser, Jugendherbergen und die Tafeln zur Essensausgabe an Bedürftige, für Krankenhäuser und den Pflegebonus beim Personal.“ Klingt gut: In Hessen also 1 Milliarde, fast eine Milliarde. Aber: von 12 Milliarden! Wie mag die Förderung dann wohl bundesweit aussehen?

Ich kann mich noch daran erinnern, welch ein Affentanz um „Flatten the curve“ aufgeführt wurde! Oft schien der Hauptgrund für alle rigiden Schutzmaßnahmen, für die Aufhebung der Grundrechte, Kontaktsperre, Einschränkung der Berufsausübung, Versammlungsverbote usw., darin zu bestehen, über die Methode „Flatten the curve“ das Gesundheitswesen vor Überlastung zu schützen. Dies in der Einsicht, dass in den letzten Jahren ein wenig zu viel bei den Krankenhäusern gespart, zu viel der gesundheitlichen Infrastruktur im Privatisierungswahn den Hedgefonds, Krankenhaus-AGs und anderen Kapitalgruppen überantwortet worden war. Da diese jedoch kosten- und profitorientiert arbeiten dürfen und müssen, trugen diese Privatisierungen dazu bei, dass in tiefer Eintracht mit den staatlichen Sanierern das Gesundheitswesen, insbesondere das Krankenhauswesen, „gesund“ geschrumpft wurde. Und so kam es, wie es kommen musste: zu wenig Intensivstationen, zu wenig Mund-Nase-Schutz, zu wenig ärztliches Personal, also die Angst vor einem Krankenhauskollaps.

Die Tatsache der Mängel war offensichtlich, die Ursachen dafür – vor allem in der Politik – ebenso.

Und nun, für die Zeit nach Corona, war ebenso klar, dass an dieser Schraube gedreht werden müsste: Die Privatisierung der Krankenhäuser müsste rückgängig gemacht werden – wenn sich die privaten Eigentümer nicht bereit erklären würden, mehr auf zukünftige Gesundheitskrisen hin zu planen: also mehr Intensivbetten vorrätig zu halten, mehr Personal mit guter Bezahlung einzustellen, mehr medizinisches Material bereitzuhalten. Da die Privaten sehr wahrscheinlich – da sie nun mal profitorientiert arbeiten müssen – diese Vorratshaltung nicht bereitstellen werden, käme die Gesellschaft nicht daran vorbei, im Sinne des Allgemeinwohls und erlaubt vom Grundgesetz, die privaten Krankenhäuser zu vergesellschaften. Hinzu kämen natürlich der Bau neuer Krankenhäuser und Gesundheitsstationen. Also nicht weniger Krankenhäuser, wie noch im letzten Jahr die Bertelsmann Stiftung unter dem Begleitjubel von Spahn und Lauterbach vorschlug, sondern mehr. Was natürlich Kosten verursacht.

Und nun in Hessen 1 Milliarde, etwas davon, zugegeben, für das Krankenhauswesen und Pflegeboni für das Personal. Wie viel von dieser Milliarde wohl dafür gedacht ist? Für einen großzügigen Aufbau neuer Krankenhäuser wird wohl nicht viel bleiben!

Und Enteignungen? Kein Wort dazu im „Konjunkturprogramm“.

Und so werden wir also genauso weiterwurschteln wie vor der Krise. Hauptsache, der Konsum wird angeheizt, es werden wieder Autos verkauft … bis dann eine neue Pandemie ins Haus steht. Und wir wieder die „curve“ „flatten“ müssen. Und eine solche Pandemie wird natürlich kommen, denn an der Pandemie-Neudefinition von 2009, wann eine Epidemie als Pandemie gilt, hat sich ja nichts geändert. Und nach dieser Neudefinition reicht es ja, wenn ein x-beliebiger Erreger sich nur weltweit ausbreitet – egal, wie gefährlich er tatsächlich ist.

Kurz: Unsere Politiker schaffen es einfach nicht – und wir Bürger bleiben weiterhin GroKo-treu, bis über die nächste Wahl hinaus!

 

Bernd Lukoschik