Der Fisch stinkt vom Kopf her

Nun ist es also so weit: Die Wissenschaft beginnt sich zu zerfleischen! Drosten gegen Kekulé, Streeck gegen Drosten, Drosten/Wieler vormals gegen Streeck. Und die Medien fummeln mit: Das Qualitätsmedium BILD, einst der bissige Kettenhund der Dreifaltigkeit RKI, Charité, Exekutive, bellt gegen Drosten. Weitere Gerangelkombinationen wird es demnächst sicherlich geben.

Es war vorauszusehen. Beginnt ein Umdenken, dann muss jemand den schwarzen Peter übernehmen. Und da die Politik von Berufs wegen darin geschult ist, Verantwortlichkeiten, die sie einst vollmundig übernommen hat – „Wir schaffen das!“ –, abzuschieben, in Mehrdeutigkeiten zu handeln und zu denken, da zur Politik der rechthaberische Slogan gehört: „Wir haben es nur nicht richtig vermittelt!“ –, muss es das schwächste Glied erwischen. Und das sind nun mal die Experten, da sie, üblicherweise fernab des Alltags, vor allem des politischen, in ihren universitären Elfenbeintürmen lebend, politisch meistens sehr unbedarft sind. Da reicht der kleinste Politikerstock zwischen die Beine, und ein Drosten fällt zu Boden.

Der Politikerstock wäre dabei doch so offensichtlich erkennbar, wenn das Publikum nicht ein derart kurzes Gedächtnis hätte und die Medien nicht derart fleißig am Bevölkerungsalzheimer mitarbeiten würden. Der Fisch fängt nämlich auch und gerade in der Politik am Kopf zu stinken an. Es waren drei fundamentale Fehler des Merkel-Spahn-Gespanns, die nun im Wissenschaftlerstreit noch weiter in Vergessenheit geraten werden.

Erstens wurde das Beratergremium in Sachen Pandemie von vornherein in einem geschrumpften Zustand präsentiert: Zwei Institutionen genügen Merkel und Spahn, um einem umfassenden medizinischen, gesellschaftlichen, ökonomischen Problem zu begegnen! Das kann nicht funktionieren. Neben den beiden Hauptvirologen der Nation hätten unbedingt Fachleute aus anderen medizinischen Sparten einbezogen werden müssen. Zudem Fachleute aus Wissenschaften, die mit Gesellschaft, Wirtschaft, Kunst, Kultur und Religion zu tun haben. Nein, all diese Notwendigkeiten wurden noch nicht einmal gesehen, getreu dem zutiefst materialistischen CDU-SPD-Weltbild: Die Gesundheit besteht allein im Überleben und in körperlicher Unversehrtheit.

Zweitens hätten direkt zu Beginn der Krise repräsentative Studien erstellt werden müssen. Denn wie sollte politisch sinnvoll auf das Virus reagiert werden, wenn man noch nicht einmal weiß, wie gefährlich es ist. Dieses zweite Versagen ist mindestens einem Herrn Spahn zuzuordnen, aber eigentlich auch der Bundeskanzlerin als seiner Chefin.

Drittens hätte, wieder um die Gefährlichkeit zu ermitteln, sofort mit Obduktionen begonnen werden müssen. Um zu klären, ob nun der Verstorbene tatsächlich an Corona oder nur mit Corona gestorben ist. Aber man beließ das Erkennen anscheinend lieber im Schwebezustand des Ahnens. Außerdem bekam man so den Topf mit den Coronatoten schneller voll.

Alle drei Punkte lagen im Verantwortungsbereich der Exekutive, also bei Herrn Spahn und damit bei der Bundeskanzlerin.

Und nun lässt man also die Wissenschaftler sich aneinander abarbeiten! Und es gerät völlig in Vergessenheit – oder es lässt hier jemand in Vergessenheit geraten, um einmal verschwörerisch zu theoretisieren –, es gerät also völlig in Vergessenheit, dass aufgrund alter Erfahrungen der Fisch vom Kopf her zu stinken anfängt.

Man kann also davon ausgehen, dass im kommenden Jahr bei den Wahlen die momentane Regierung nur Vorteile aus ihrem „Umgang“ mit der Pandemie wird ziehen können. Ob von Herrn Dr. Drosten als dem derzeitigen Obersündenbock dann noch die Rede sein wird? Obwohl ich ihn nie mochte – was von seinem Umgang mit der Schweinegrippe 2009 herrührt –, tut er mir doch wirklich leid, und das ohne jede Häme!

 

Bernd Lukoschik