Kreis und Landesamt für Gesundheit und Pflege rufen dazu auf, Impflücken zu schließen

Kreis Bergstraße (kb)- Impfungen haben für die Prävention von Krankheiten und den Schutz von Gesundheit und Menschenleben große Bedeutung. Sie gehören zu den wichtigsten und wirksamsten vorbeugenden Maßnahmen in der Medizin, die in jeder Lebensphase schützen – vom Säuglingsalter bis ins hohe Erwachsenenalter.

 

Wer sich impfen lässt, schützt häufig nicht nur sich selbst, sondern auch andere – und kann damit helfen, Krankheiten wie die Kinderlähmung und Pocken auszurotten. Dennoch zeigen aktuelle Daten des Robert Koch-Instituts (RKI), dass die Impfquoten in Deutschland weiterhin zu niedrig sind. In allen Altersgruppen bestehen Impflücken, die mitunter schwerwiegende gesundheitliche Folgen nach sich ziehen können – sowohl für Einzelpersonen als auch für die Gesellschaft insgesamt.

 

Der Kreis Bergstraße weist daher bei seinen Präventionsveranstaltungen und im Rahmen der YOLO-Day-Aktionstage an Schulen stets auf die Bedeutung des Impfens hin. Im Rahmen der YOLO-Days informiert der langjährige Kooperationspartner des Kreises, die Lokalgruppe „Impf Dich“ der Universität Heidelberg, in einer interaktiven Lerneinheit über Infektionskrankheiten, Immunologie und Impfungen. Ziel ist es, vor allem Jugendliche anzusprechen, die zeitnah vor ihrer ersten eigenen Impfentscheidung stehen werden. Ein Fokus wird dabei insbesondere auf die für Schülerinnen und Schüler relevanten Impfungen wie zum Beispiel HPV (Humane Papillomaviren) gelegt.

 

„Der Kreis Bergstraße möchte gemeinsam mit seinen Kooperationspartnern, durch umfassende Sensibilisierung, Aufklärung und Information seinen Beitrag zur Gesundheit der Bergsträßer Bevölkerung leisten. Denn: Nur wer gut informiert ist, kann sich und andere wirksam schützen“, betont die Erste Kreisbeigeordnete und Gesundheitsdezernentin Angelika Beckenbach.

 

Laut dem Robert Koch-Institut (RKI) sind die Impfquoten in Deutschland zu niedrig. Demzufolge sind Menschen in allen Altersgruppen unzureichend vor impfpräventablen Erkrankungen und deren Folgen geschützt. Zudem bestehen bei den Impfquoten große regionale Unterschiede. Diese Impflücken können gravierende Folgen für die einzelnen Menschen wie auch für die gesamte Bevölkerung haben.

 

Auch das Hessische Landesamt für Gesundheit und Pflege (HLfGP) ruft die Bevölkerung deshalb dazu auf, den eigenen Impfstatus zu überprüfen und bestehende Impflücken zu schließen. Hintergrund ist das bundesweite Forschungsprojekt „Polio im Abwasser II“ (PIA II) des RKI, bei dem in Zusammenarbeit mit dem Umweltbundesamt und weiteren Partnern aktuell wiederholt Impf-Polio-Viren in Abwasserproben aus mehreren Städten nachgewiesen wurden – darunter München, Dresden, Hamburg, Köln, Bonn, Düsseldorf und Mainz.

 

Das Abwasser-Monitoring dient dabei als Frühwarnsystem, um Polio-Viren frühzeitig zu erkennen und gegebenenfalls Maßnahmen gegen eine Ausbreitung einzuleiten. Auch in anderen europäischen Ländern wurden bereits impfstoffabgeleitete Polioviren festgestellt. Sie sind Erreger der sogenannten „Polio(myelitis)“ oder „Kinderlähmung“, die als hochansteckende und sehr gefährliche Krankheit gilt. Eine Infektion mit Polio-Viren verläuft in den meisten Fällen asymptomatisch, kann jedoch das zentrale Nervensystem angreifen und zu schweren Lähmungen und Tod führen. Auch bleibende Lähmungen und Muskelschwäche können auftreten (Post-Polio-Syndrom).

 

Besonders Kinder unter fünf Jahren, aber auch Erwachsene ohne ausreichenden Impfschutz können sich anstecken. Die letzte in Deutschland erworbene Erkrankung an Polio wurde 1990 nachgewiesen. Der Erreger wird mit dem Stuhl ausgeschieden und hauptsächlich über Schmierinfektionen übertragen.

 

Weltweit gibt es zwei Impfstoffe gegen Polio: Einen Impfstoff mit inaktivierten Polio-Viren (IPV), der in Deutschland seit 1998 verwendet wird, sowie einen Impfstoff mit abgeschwächten, aber lebenden Polio-Viren (OPV), der als Schluckimpfung verabreicht wird.

 

Innerhalb des Abwasser-Monitorings konnten diese abgeschwächten Impf-Polio-Viren nachgewiesen werden. Das Monitoring kann jedoch keine Aussagen zur Anzahl infizierter Menschen geben. Es ist unklar, ob multiple, parallele Importe aus dem Ausland oder lokale Übertragungen der Grund für die Nachweise sind. Das RKI hält es jedoch aufgrund der langen Dauer des Geschehens und der bundesweiten Nachweise zunehmend wahrscheinlicher, dass es sich zumindest um lokal begrenzte Übertragungen der Impf-Polio-Viren handelt.

 

Klinische Polio-Fälle oder Verdachtsfälle wurden dem RKI bislang nicht gemeldet. Das Risiko sich anzustecken wird trotz Nachweis im Abwasser auch aufgrund hoher Impfquoten und guter Hygienebedingungen als gering eingestuft.

Nichtsdestotrotz können sich die nachgewiesenen Impf-Polio-Viren nach Einnahme im Darm stark vermehren und bei längerer Zirkulation in einer ungeimpften Bevölkerung in seltenen Fällen genetisch durch Rück-Mutationen erneut zu Erkrankungen führen. Menschen, die bereits mit dem IPV-Impfstoff geimpft wurden, sind vor einer Erkrankung geschützt, können sich allerdings infizieren und die Viren ausscheiden.

 

Für einen bestmöglichen Schutz gegen Polio wird neben guter Händehygiene vor allem eine vollständige Polio-Impfung empfohlen. Der eigene Impfstatus, aber auch der von Kindern, sollte dringend überprüft werden – die behandelnde Ärztin oder der behandelnde Arzt helfen sicher gerne dabei. Außerdem können dann auch aufgefallene andere Impflücken geschlossen werden.

 

Bei Kindern ist es wichtig zu wissen, dass diese nicht nur vollständig, sondern auch zeitgerecht gegen Polio geimpft werden müssen. Die Ständige Impfkommission (STIKO) am RKI empfiehlt eine Grundimmunisierung für Säuglinge im Alter von 2, 4 und 11 Monaten sowie eine Auffrischimpfung zwischen dem 9. und 16. Lebensjahr.