Kinderbetreuung unter Pandemiebedingungen verlangt Akteuren einiges ab – Das Wohl des Kindes steht an erster Stelle

Amtsleiter Rudolf Haas, den Kita-Trägern Arbeiterwohlfahrt, Evangelische und Katholische Kirche Viernheim sowie den Kita-Leitungen wurden viele Punkte angesprochen, die alle Akteure bei der Kinderbetreuung derzeit vor große Herausforderungen stellen.
Foto: Stadt Viernheim
Amtsleiter Rudolf Haas, den Kita-Trägern Arbeiterwohlfahrt, Evangelische und Katholische Kirche Viernheim sowie den Kita-Leitungen wurden viele Punkte angesprochen, die alle Akteure bei der Kinderbetreuung derzeit vor große Herausforderungen stellen.
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Viernheim (Stadt Viernheim) – Die Arbeit in den Kindertagesstätten ist aufgrund der Corona-Pandemie mit enorm schwierigen Rahmenbedingungen verbunden. Seit dem 6. Juli gilt in allen Viernheimer Betreuungseinrichtungen der „Regelbetrieb unter Pandemiebedingungen“. Den Betrieb sowohl in Qualität und Quantität zu sichern, ist aber eine sehr große Herausforderung – und dies täglich: Die Umstellung der erarbeiteten pädagogischen Konzepte, Einhaltung der Hygieneregeln, deutlich eingeschränkter Kontakt zu den Eltern, plötzliches nötiges Handeln bei Infektionen oder Quarantänen, Einschränkungen beim Personal, Anforderungen des Gesundheitsamtes und der Eltern. Ebenso ist es für die Erzieherinnen und Erzieher fast unmöglich, auf einen persönlichen Kontakt mit den Kleinsten zu verzichten. Schutzkleidung und Masken sind im Umgang mit Krippen- und Kindergartenkindern im Prinzip nicht möglich. Das ist nochmal eine zusätzliche Problematik. Hinzu kommt, dass der grundlegend wichtige Kontakt zu den Eltern nur sehr eingeschränkt möglich ist, er findet im Grunde vielfach im Freien statt. Und bei alle dem soll dann noch für Bildung gesorgt werden und nicht nur für Aufbewahrung.

Es ist eine nahezu unlösbare Aufgabe, das so hinzubekommen, dass alle zufrieden sind: Die Kinder, die Eltern und das Personal. Die Träger, die Leitungen und die Teams stellen sich an jedem Tag der Woche dieser Herausforderung. Daher war es Bürgermeister Matthias Baaß gemeinsam mit Amtsleiter Rudolf Haas sowie Vertretern der Kita-Träger und der Einrichtungsleitungen ein besonderes Anliegen, in einem Pressegespräch auf die schwierige Situation aufmerksam zu machen.

Die Kindertagesstätten stehen gegenwärtig nicht im Vordergrund der Pandemie-Situation, es geht ein wenig unter, was in diesem Bereich gerade geleistet wird“, erklärt Bürgermeister Baaß,

der sich bei dieser Gelegenheit bei allen Erzieherinnen und Erziehern für Ihren Dienst in den Viernheimer Kindertagesstätten ausdrücklich bedankt. Ebenso richtete er seinen Dank auch an die anwesenden Träger Arbeiterwohlfahrt, der Evangelischen und der Katholischen Kirche, die den Betrieb ihrer Kindertagesstätten in den zurückliegenden Monaten immer wieder neu organisieren mussten.

Gleichzeitig wirbt das Stadtoberhaupt in der Öffentlichkeit um Verständnis und dass in dieser Zeit manchmal mit Einschränkungen gelebt werden müsse. Baaß: „Die Kitas tun alles, um für einen auch auf die Öffnungszeiten bezogenen normalen Betrieb zu sorgen, aber es wird auch bei den Öffnungszeiten manchmal zu Einschränkungen kommen, weil es anders nicht geht“, so Baaß. „Und um es klar zu sagen: Das ist nichts, was sich schnell ändern wird. Die Corona-Situation wird andauern, daher planen wir derzeit bis mindestens Sommer 2021“.

Kita-Träger werben um Verständnis bei den Eltern

Den Worten des Bürgermeisters konnte sich Peter Lichtenthäler, Geschäftsstellenleiter der AWO, nur anschließen und machte gleichzeitig darauf aufmerksam, dass die Erzieherinnen und Erzieher in doppelter Weise von der Corona-Pandemie betroffen seien. „Sie sind in ihrer beruflichen Identität bedroht und gleichzeitig ist ihre Gesundheit ernsthaft gefährdet.“ Denn der Kern der Tätigkeit einer pädagogischen Fachkraft in einer Kita bestehe in der Gestaltung direkter Beziehungen mit Kindern, das könne man nicht auf Abstand und mit Schutzkleidung und nur schwer mit Maske realisieren. „Kinder wollen auch einmal auf den Schoß genommen werden“, berichtet Lichtenthäler. Hinzukommt, dass es das Personal in der Kindertagesstätte tagtäglich mit einer Vielzahl häufig wechselnder Kontakte zu tun habe, oft auf sehr geringe Distanz. „Dies birgt ein nicht kalkulierbares gesundheitliches Risiko“ und führe zu einer großen Verunsicherung, schwindenden Zufriedenheit mit der Tätigkeit sowie zum Teil großen Angst bei den Mitarbeitenden der Einrichtungen, denn die Fachkräfte wüssten nicht, ob sich die Eltern der Kinder in ihrem privaten Umfeld Corona-konform verhalten.

Die AWO möchte das Betreuungsangebot für die Kinder so gut es geht aufrechterhalten und Einschnitte nur da vornehmen, wo es unbedingt nötig ist, was aber aufgrund der unterschiedlichen Gegebenheiten jeder einzelnen Einrichtung auch zu unterschiedlichen Entscheidungen führen kann. Weiterhin hat der Träger in enger Kooperation mit dem arbeitsmedizinischen Dienst der AWO dafür gesorgt, den Fachkräften Möglichkeiten an die Hand zu geben, um sich je nach Situation besser schützen zu können, zum Beispiel durch Masken, Desinfektion, Einsatz in weniger gefährdeten Situationen oder im Freien sowie auch durch verstärkte Arbeit von zu Hause für Vor- und Nachbereitung der Arbeit.

Als „sehr wertvoll“ beschrieb Lichtenthäler, dass die Stadtverwaltung sehr früh bereits die Möglichkeit des Austausches für Träger und Einrichtungen geschaffen habe und das Thema nun auch in die Öffentlichkeit getragen wird. Sein abschließender Appell an die Eltern lautet: „Bringen Sie den Fachkräften hohe Wertschätzung entgegen, haben Sie Verständnis für Entscheidungen des Trägers und das Wichtigste: halten Sie sich bitte selbst an Regeln, in dem Sie so wenig persönliche Kontakte wie möglich pflegen.“

Auch Pfarrerin Dr. Irene Dannemann (Ev. Christuskirchengemeinde, Friedensbezirk) bestätigte, dass keine leichtfertigen Entscheidungen bezüglich des Betreuungsangebots in den Kitas getroffen würden.

Im Gegensatz zum Frühjahr müsse jetzt langfristig gedacht und gehandelt werden– und dabei auch das Wohl der Mitarbeitenden beachtet werden. „Wenn die Fachkräfte aufgrund Mehrarbeit krank werden und wir eine Einrichtung schließen müssen, wird die Situation für die Eltern noch schwieriger“, begründet Dannemann reduzierte Öffnungszeiten in den Einrichtungen. „Alle Vorgänge in den Kitas sind viel aufwändiger und dauern dreimal so lange, das schlägt sich auch beim Personal nieder.“ Daher sei eine Wertschätzung gegenüber den Fachkräften sehr wichtig, denn diese arbeiten derzeit unter hoher Anspannung.

Dass die Träger nicht allen Menschen gerecht werden können, weiß auch Pfarrer Klaus Traxler vom Christusbezirk: „Ich komme mir manchmal vor, als stecke ich zwischen Baum und Borke.“ Besonders verwundert sei er jedoch über den Umstand, dass die Fachkräfte im Kindergarten auf die strikte Einhaltung des Abstandes achten, während vor der Einrichtung eine Vermischung von Eltern stattfindet, die sich rege austauschen. Dankesworte gab es von Seiten des Pfarrers für die Stadtverwaltung und deren Unterstützung: „Das läuft alles immer sehr reibungslos und unkompliziert.“

Besonders hart getroffen habe die zweite Corona-Welle den Kindergarten Arche Noah, berichtet Pfarrer Markus Eichler der Evangelischen Auferstehungsgemeinde, in der letzte Woche insgesamt 16 Mitarbeitende ausgefallen sind. In engem Kontakt zwischen Jugendamt und Amt für Soziales und Standesamt wurde schnell nach Lösungen gesucht und innerhalb von zwei Stunden kam die Zusage, Personal aufstocken zu können. Trotzdem müsse der Betrieb aufgrund des Personalausfalls für die nächsten Monate reduziert werden, so Eichler, „im Kindergarten um zwei Stunden und in der Krippe um 1,5 Stunden.“ Eine tolle Unterstützung erhalte die Einrichtung währenddessen durch den Elternbeirat der Kita, der in den zurückliegenden Wochen Fragen der Eltern zusammengetragen habe, um diese gesammelt an die Leitungen geben zu können.

„Kommunikation ist das Wichtigste“, bestätigt Gemeindereferentin Dorothea Busalt, die für den Träger Katholische Kirche am Pressegespräch teilnahm. „Wir versuchen, die Eltern auf dem digitalen Weg zu erreichen, um sie so gut es geht einbinden zu können.“ Dass es in den Einrichtungen aufgrund der Pandemie eher „streng“ zuginge und außerhalb vieles lockerer gehandhabt würde, sorge für eine große Diskrepanz, so Busalt. Nebenbei bemerkt haben die Einrichtungen nicht nur mit Personalausfällen aufgrund der Corona-Pandemie zu kämpfen, „denn nach wie vor gibt es auch noch die sonstigen Situationen wie Schwangerschaft und anderweitige Krankheiten“, die zu einem sofortigen Beschäftigungsverbot führen.

Einblicke in den pädagogischen Alltag der Kitas

Wie der Alltag in den Betreuungseinrichtungen aussieht und welchen Herausforderungen sich die Fachkräfte tagtäglich stellen müssen, um allen Ansprüchen gerecht zu werden, wissen die Leiterinnen Andrea Daniel der Kita Kinderdörfel (AWO), Edith Mayer der Kita Gänseblümchen (Ev. Christuskirchengemeinde Friedensbezirk), Andrea Wieland von der Kita St. Michael (Katholische Kirche Viernheim) sowie Christina Wieland der Kita Entdeckerland (Stadt) zu berichten. Die Situation verlange viel Fingerspitzengefühl, zumal unterschiedliche Personenkreise in unterschiedlichen Einrichtungen betroffen seien, so Andrea Daniel. Täglich müssen Abläufe neu organisiert werden, die mühevoll erarbeiteten Konzepte seien hinfällig. Daniel: „Corona verdrängt die pädagogische Qualität“. Viele Mitarbeitende fragen sich, wie sich die Betreuung während der Pandemie auf die Entwicklung der Kinder auswirken wird, daher sei es wichtig, dass Isolation und Einsamkeit keine zu große Rolle spielen dürften.

Auch bezüglich der Zusammenarbeit mit den Eltern brachte die Pandemie viele Veränderungen. Da die Grundlage der persönlichen Kommunikation weggefallen ist, mussten die Einrichtungen andere Wege suchen, um mit den Eltern in Kontakt zu treten. Da die digitale Ausrüstung von Einrichtung zu Einrichtung unterschiedlich und nicht auf dem aktuellsten Stand sei, musste Vieles telefonisch erledigt werden, berichtet Edith Mayer, was sehr mühsam und zeitintensiv sei. Sehr schwierig stelle jedoch die Kommunikation mit Eltern dar, die nicht die deutsche Sprache beherrschen. Gerade die Inhalte der umfangreichen Briefe und Verordnungen im Rahmen der Pandemie konnten diesem Personenkreis kaum vermittelt werden, bedauert die Leiterin. „Dadurch können wir nicht alle Eltern auf den gleichen Informationsstand bringen.“ Insgesamt zeigten sich die Eltern verständnisvoll bezüglich getroffener Maßnahmen in den jeweiligen Einrichtungen, wofür die Fachkräfte sehr dankbar sind.

Die verschärften Hygieneauflagen bedeuten für alle Einrichtungen zusätzliche Aufgaben, die zum normalen Alltag hinzugekommen sind: Tische wischen, Türklinken desinfizieren, Kinder zum Hände waschen schicken oder den Gruppenraum alle 20 Minuten lüften. „Oftmals müssen diese Arbeiten dann auch noch dokumentiert werden“, so Andrea Wieland. Die Eingewöhnung gestaltet sich für Kita- und Krippenkinder mitunter sehr kompliziert, da ein enger Kontakt vermieden werden muss und die Eltern nicht die Kita betreten dürfen. In Sachen Arbeitsschutz sei man im Gegensatz zu anderen Berufsgruppen sehr eingeschränkt. „In unserem Beruf ist HomeOffice oder Schichtbetrieb und „Abstand halten“ einfach nicht machbar“, weshalb man täglich einem erhöhten gesundheitlichen Risiko ausgesetzt sei und dies zwangsläufig zu einem hohen Krankenstand führe. Da die Erzieherinnen und Erzieher eine große Verantwortung für die eigene Gesundheit, aber auch für die der Kinder tragen, herrsche bei vielen eine ständige Angst, etwas falsch zu machen, was eine enorme psychische Belastung darstelle.

„Die Kinder mussten seit März einiges ertragen“, führt Christina Wieland fort, die an die Anfänge im März mit dem Betretungsverbot, dann die Notfallbetreuung, bis hin zum Regelbetrieb unter Pandemiebedingungen seit dem 6. Juli zurückblickt. „Viele Eltern sind in dem Glauben, dass ein ganz normaler Regelbetrieb herrscht“. Doch wie weit die Kitas gerade bei der pädagogischen Arbeit von der Normalität entfernt seien, wäre vielen nicht bewusst. Je nach Personalsituation seien die Gruppen in den Kitas getrennt oder arbeiten in Tandems, um eine größere Durchmischung zu vermeiden, erklärt Wieland. Wechsel in andere Gruppen und gruppenübergreifende Angebote seien nicht möglich. Auch die Benutzung des Außengeländes ist zeitlich reglementiert und die Spiel- und Essenszeiten müssten neu eingeteilt und aufeinander abgestimmt werden. “Trotz alle dem steht das Wohl des Kindes mit all seinen Bedürfnissen an erster Stelle“, erklärt Wieland. Wie locker die Kinder seit dem Ausbruch der Pandemie mit der Situation umgehen würden, sei bemerkenswert. „Wir werden auch weiterhin alles dafür tun, damit die Kinder positiv in den Tag starten können und einen gut gelebten Alltag haben“.

Mehrere Maßnahmen zur Entlastung der pädagogischen Teams auf den Weg gebracht

Mit Ausblick auf die andauernde Corona-Situation hat die Stadt Viernheim in Absprache mit den Trägern mehrere Maßnahmen auf den Weg gebracht, um die pädagogischen Teams zu entlasten. „Jede Einrichtung hat individuell geprüft, welcher Mehrbedarf besteht, welche Kosten dadurch entstehen und durch wen die Leistung alternativ erbracht werden kann“, erklärt Bürgermeister Baaß.

Zum Beispiel sorgen die einzuhaltenden Hygieneregeln für einen zusätzlichen Aufwand im Bereich Reinigung, was bisher vielfach durch das pädagogische Personal übernommen wurde. Hier übernimmt zur Entlastung die Stadt nun höhere Reinigungskosten.

Ein weiterer Mehraufwand für die Erzieherinnen und Erzieher entstehe gegenwärtig auch beim Bringen bzw. Abholen der Kinder, da die Eltern die Einrichtung nicht mehr betreten dürfen und somit das Aus- bzw. Anziehen ihrer Kinder entfällt. Auch bei diesem „Flurdienst“ wird die Stadt Viernheim die Teams entlasten. Jede Einrichtung prüfe, inwieweit dies benötigt wird und in welcher Art (z. B. Minijob) dies umgesetzt werden soll.

Abschließend macht Bürgermeister Matthias Baaß auch im Namen aller Träger und Kita-Leitungen noch einmal deutlich, dass triftige Gründe wie Personalmangel, Gruppentrennung usw. zu einer Kürzung der Öffnungszeiten einer Betreuungseinrichtung führen können. Da jede Kita unterschiedliche personelle und räumliche Voraussetzungen hat, wird es unweigerlich zu unterschiedlichen Handhabungen kommen. Deswegen wurde von einer generellen Festlegung abgesehen. „Wenn eine Einrichtung zu diesem Mittel greift, ist dies unbedingt nötig, weil es keine andere Lösung mehr gibt“, so Baaß.