Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger!

Foto: Stadt Viernheim

Kompliment, die erste Phase ist geschafft! Die zunächst stetig schnellere Ausbreitung des Virus ist gestoppt. Ich finde es bemerkenswert, dass nahezu alle in Viernheim -quer durch alle Bevölkerungsteile- dazu ihren ganz persönlichen Beitrag geleistet haben. Wir haben gemeinsam in Viernheim unser Verhalten geändert – mit Erfolg!

Die plötzlichen Beschränkungen, die den schon mit den Bildern aus Italien gegebenen Lernanstoß für unsere Verhaltensänderung unterstützten, haben jetzt deutlich das Risiko gesenkt, dass wir uns gegenseitig anstecken. Die Anzahl der Infizierten ist gering, das ist unser gemeinsamer Erfolg! Aber Obacht! Der Virus ist nach wie vor da, wir haben nur gelernt, uns besser vor ihm zu schützen. Sollten wir jetzt in unseren Anstrengungen nachlassen, beginnt das Ganze von vorn.

Die neue Wirklichkeit ist: Ein Leben mit dem Corona-Virus.

Es gibt kein Datum, zu dem ein Impfstoff oder Medikamente zur Verfügung stehen.

Das bedeutet Stand heute:

Wenn wir weiter die Anzahl von Schwererkrankten jeden Alters und von Toten niedrig halten möchten, müssen wir dafür sorgen, dass sich der Virus wenig oder eben nur langsam ausbreitet, so dass die Menge an Schwerkranken im Gesundheitssystem einer Behandlung zugeführt werden kann. Je mehr Menschen in kurzer Zeit mit dem Virus infiziert werden, desto weniger ist es möglich die Erkrankten gut zu behandeln, desto mehr werden sterben.

Zunächst -im Anblick von Bergamo- wurde mit einem harten Schnitt reagiert.

Jetzt ist die Ansteckungskurve abgeflacht, damit kann man leben.

Unsere gemeinsame Aufgabe ist es jetzt, diese Kurve nicht wieder drastisch ansteigen zu lassen, dazu befinden wir uns derzeit in einem Lockerungsexperiment mit ungewissem Ausgang. Was richtig oder falsch war, lässt sich erst im Nachhinein irgendwann beurteilen.

Das Experiment besteht auch darin, dass nach den vom Staat vorgegebenen Schließungen, Betretungsverboten usw. nun in sehr viel stärkerem Maße die Verantwortung des Einzelnen gefordert ist. Wir haben wieder mehr Freiheiten (können in das Restaurant gehen, in den Laden, in die Schule…) müssen diese Freiheit aber mit Verantwortung für die Gesamtheit unserer Mitmenschen (Familie, Oma und Opa, Freunde, Mitbürger) nutzen.

Mit den „Lockerungen“ des Staates wird unsere Verhaltensänderung neu herausgefordert. Aber wir alle hatten jetzt schon Zeit, um uns an die veränderten Alltagsumstände zu gewöhnen, das abnormale wurde etwas normaler.

Mit Blick auf den Zielhorizont (nicht absehbar!) und auf die grundlegend garantierten Freiheitsrechte ist es auch unmöglich die zunächst verhängten drastischen Staatseingriffe dauerhaft aufrechtzuerhalten. Es kann ab jetzt nur ein sich immer mehr „normalisierendes“ Leben mit dem Corona-Virus geben.

Das betrifft alle Lebensbereiche unseres Zusammenlebens in Viernheim, nahezu alles war bereits zu einer Neuorganisation aufgerufen oder befindet sich weiter in einer Neuorganisation.

Die Kindertagesstätten müssen sich für den 2. Juni auf wiederum geänderte Rahmenbedingungen einstellen, die den Verantwortlichen heute -10 Tage zuvor- noch nicht im Detail bekannt sind. Die Schulen mussten sich komplett neu organisieren, die Unterrichtsstunden wurden deutlich verringert, es gelten komplett neue Regeln.

Das Betretungsverbot des Landes für die Sportanlagen ist aufgehoben, trotzdem haben wir in Viernheim die städtischen Sportanlagen noch nicht geöffnet. Weil dies keinen Sinn macht, wenn die geöffneten Sportanlagen von den Vereinen dann zum größeren Teil aus gutem Grund überhaupt nicht genutzt werden. Denn die Empfehlungen der Sportverbände, wie in einem Leben mit dem Corona-Virus Sport organisiert sein sollte, sind umfangreich. Ich kann da die geübte Zurückhaltung sehr verstehen, Sorgfalt geht auch hier vor Schnelligkeit.

Und bei den Sportanlagen, die in starkem Maße öffentlich besucht werden (wie dem Familiensportpark) sind wir als Stadt Viernheim in der Pflicht in hinreichendem Maß Vorsorge zu treffen, dass die gültigen Abstandsregeln auch tatsächlich eingehalten werden und keine Überfüllung eintritt.

Von der Neuorganisation des Alltags besonders heftig betroffen ist in Viernheim bereits seit Mitte März unser „Forum der Senioren“. Es freut mich sehr, dass viele Vereine, einzelne Bürger und Gewerbetreibende gerade dieser Einrichtung und den dortigen Beschäftigten ihre Anerkennung für die erbrachte Leistung zum Ausdruck gebracht haben. Denn, dass es gelungen ist (toi, toi, toi!) den Virus bisher von dort fernzuhalten, ist bemerkenswert! Leider geht auch dies dort nur mit für manchen Bewohner schmerzhaften Einschränkungen, wenn es zum Beispiel nicht mehr möglich ist, selbständig in ein Geschäft zum Einkaufen zu gehen. Das Programmangebot in der Einrichtung läuft fast komplett weiter, ist im Moment aber auf die einzelnen Wohnbereiche konzentriert.

Auch die Musikschule musste sich nach einer Pause neu organisieren. Der größere Teil des Unterrichts läuft seit Anfang Mai wieder, da es sich um Unterricht in ganz kleinen Gruppen oder mit Einzelnen handelt, ist dieses Angebot möglich. Aber auch dort mit vielen Veränderungen: Trennscheiben, geordnete Zu- und Ausgänge usw. Trotzdem sind alle froh über den Neustart, der digitale Übertragungsweg war schwierig.

Das Team der Volkshochschule wurde in der Krise kurzerhand zum neuen Team „Viernheim hilft!“ und kümmerte sich -soweit nötig- um Hilfsmaßnahmen für Bürger, die Unterstützung brauchten. Zum Glück hat hier in hohem Maße die Nachbarschaftshilfe funktioniert und auch die Hilfe in der eigenen Familie. Ein Dank an alle Organisationen, die in dieser Zeit aktiv waren, insbesondere an die KJG`s.

Mit einem Kundenaufkommen von 50 % ist das Bürgerbüro als wesentliche Anlaufstelle im Rathaus jetzt schon wieder deutlich mehr gefragt als zu Beginn der Krise. Wir wollen in den nächsten Wochen dafür Sorge tragen, dass wir auch wieder für fast 100 % der Kundennachfragen zur Verfügung stehen können. In Anbetracht der baulichen Gegebenheiten im Eingangsbereich ist das nicht einfach, wir sind gerade kreativ unterwegs, um die Situation anzupassen.

Viele Bürgerinnen und Bürger haben in dieser Situation den örtlichen Handel und die Dienstleister unterstützt, das war hervorragend. Dabei sollte es auch bleiben. Wenn ein Restaurant im Moment nur deutlich weniger Plätze anbieten kann, ist dies nach wie vor eine drastische Einschränkung. Wir sollten weiterhin -sofern es uns möglich ist- deren Angebote gezielt nutzen, um so dafür zu sorgen, dass die in Viernheim gegebene Vielfalt des Angebots erhalten bleibt.

Ich gehe davon aus, dass vom Land Hessen im Laufe des Monats Juni das Betriebsverbot für Schwimmbäder aufgehoben wird. So können wir also, wenn wir es möchten, das Waldschwimmbad öffnen. Aber auch da wird ein Leben mit dem Corona-Virus Auswirkungen haben. Es wird Begrenzungen geben, wie viele Personen sich dort gleichzeitig aufhalten dürfen. Wenn die Personenzahl begrenzt ist, aber die Nachfrage höher, wird es nötig sein, den Aufenthalt im Waldschwimmbad zeitlich zu befristen, damit „alle mal zum Zuge kommen können“. Genaueres dazu ist noch nicht festgelegt, der Aufsichtsrat der Stadtwerke GmbH wird sich damit noch befassen. Noch sind auch hier die Rahmenbedingungen, was von den Gesundheitsämtern mitgetragen wird, noch nicht klar.

Die Steuereinnahmen sinken, die Ausgaben sind gleich oder erhöhen sich in Teilbereichen sogar. Zum Beispiel: Die Kitas sind zwar nur für eine Notbetreuung geöffnet, die Kosten bleiben aber. Oder an anderer Stelle nehmen die Kosten für Schutzmaßnahmen und Reinigung deutlich zu. Klare Folge: Die Gesamtfinanzierung aller Aufgaben der Stadt Viernheim wird noch schwieriger. Den Stadtverordneten wird im Juni ein Finanzbericht zukommen, der einen aktuellen Blick auf die Einnahme- und Ausgabesituation mit Stand zum 31.5.2020 ermöglicht. Mit enthalten ist dann auch eine Übersicht, an welchen Stellen jetzt noch im laufenden Haushaltsjahr Einsparungen möglich sind.

Die ehrenamtliche Kommunalpolitik konnte seit dem 20. März nicht mehr regulär zu ihren Sitzungen zusammenkommen, der Magistrat hat weitgehend in Videokonferenzen getagt, für die Ausschüsse gab es nur Informationsveranstaltungen ohne die Möglichkeit Beschlüsse zu fassen. Vom Stadtverordneten-Vorsteher wurden nun die Fraktionsvorsitzenden zu einem Gespräch eingeladen, um zu klären, wie die weiteren Gremiensitzungen organisiert werden sollen.

Es gibt im Verantwortungsbereich der Stadt Viernheim nahezu nichts, was seit Mitte März nicht neu organisiert werden musste bzw. -anhand immer wieder neuer Rahmenbedingungen- immer wieder neu organisiert werden muss. Und „beim Alten“ sind wir noch lange nicht.

Ich möchte Sie alle auch für diese neue Phase unseres Lebens mit dem Corona-Virus, unserer neuen Normalität, sehr um Ihre Unterstützung bitten. Wir waren bisher erfolgreich, wir wollen auch für die Zukunft den Erfolg. Wenn wir alle weiterhin gezielt unseren Beitrag leisten, wird das klappen!

Ihr

Matthias Baaß

Bürgermeister

PS: Haben Sie Fragen? Kein Problem, schreiben Sie mir einfach einen Brief ins Rathaus oder per Mail: stadtverwaltung@viernheim.de