Hoher Besuch zum 111-jährigen Bestehen des Rimbacher SPD-Ortsvereins – Ausscheidende Christine Lambrecht hinterlässt große Fußstapfen

Foto: Markus Mendetzki
Foto: Markus Mendetzki

Rimbach (MK) – Rote wehende, überdimensionale SPD-Fahne, roter Aufsteller von Sven Wingerter, rotes Kleid von Christine Lambrecht: Das war SPD pur „unterm Schirm“ hinterm Rimbacher Rathaus. Für den „schwarzen Farbtupfer“ war Hubertus Heil zuständig. Sie alle waren zum Gratulieren gekommen: Denn den SPD-Ortsverein, einen der erfolgreichsten im Kreis Bergstraße, gibt es seit 111 Jahren. Die Justiz- und Familienministerin sowie der Arbeits- und Sozialminister gratulierten dazu ebenso wie der SPD-Bundestagskandidat im Wahlkreis Bergstraße.

Ortsvereins-Vorsitzender Rolf Ihrig hatte mehrfachen Grund zur Freude: Nicht nur übers Schnapszahl-Jubiläum, der Verschiebung aus dem vergangenen Jahr geschuldet, sondern auch über die zwei hochkarätigen Gäste. Quasi vier Bundesminister auf einmal im Weschnitztal – denkwürdig. Kein Wunder, dass bei so viel Berliner Prominenz die Sitzplätze auf dem Kulturparkplatz Mangelware wurden. Aus dem gesamten Kreis waren die Genossen und andere Interessierte gekommen. Aus Viernheim unter anderem auch der DGB-Ortsverbandsvorsitzende Nils Burkhoff.

Lambrecht und Heil erhielten beide Vorschussbeifall, als sie vom Parkplatz aus zum Platz kamen. Schon zwei Mal war der Termin verschoben worden, jetzt konnte er endlich stattfinden. Umso dankbarer war Ihrig, dass die beiden Gäste ihren Terminkalender dafür freigehalten hatten. Ihnen allen war eines gemein: die große Freude, endlich wieder unter Menschen sein zu können. Und nicht Treffen per Videokonferenz abzuhalten.

Viel Lob gab es für die aus dem Bundestag nach 23 Jahren ausscheidende Christine Lambrecht. Eine „herausragende Kollegin“, nannte sie Heil, der ebenfalls 1998 das erste Mal ins höchste deutsche Parlament einzog. In der Pandemie, so der Minister, stand die 56-Jährige „für die Stärke des Rechts und nicht für das Recht des Stärkeren“. Die Politikerin aus Viernheim hinterlässt „große Fußstapfen für mich“, sagte ihr Nachfolger als Bundestagskandidat, Sven Wingerter – die er natürlich gedenkt auszufüllen.

Man merkt Hubertus Heil an, dass er sich bei den Rimbacher Genossen und ihren Gästen wohlfühlt. Er redet frei, anschaulich, humorvoll, erzählt ein paar Anekdoten, hat die Lacher auf seiner Seite, bringt aber trotzdem seine Botschaft mit Nachdruck rüber. Etwa den Appell an die Bürger, sich impfen zu lassen. Das ist für den Hildesheimer „eine Frage der Solidarität“ und der einzige Weg, die Pandemie hinter sich zu lassen.

Das Rednerpult ist nichts für den 48-Jährigen, er stellt sich mitten zwischen die Zuschauer. In Krisenzeiten trifft es meistens die Schwächsten, bedauert er. Deshalb braucht es einen handlungsfähigen Staat. Gleichzeitig ist es ungemein wichtig, dass die Menschen zusammenhalten.

Nicht nur Heil betont wiederholt, dass die SPD während der Pandemie einen sehr guten Job gemacht hat, Verantwortung übernahm und „um jeden Arbeitsplätz kämpfte“. Das gelang vor allem mit dem Instrument der Kurzarbeit. „Verdammt teuer“ war das, gestand der Politiker ein. Aber die Rückkehr der Massenarbeitslosigkeit „wäre viel, viel teurer gewesen“.

„Ein Hoch auf die Kommunalpolitik“ stimmte der Minister unter dem Beifall der Gäste an. Denn die ist für ihn „das Fundament der Demokratie“. Seine Denke ist einfach: „Wenn es unten nicht klappt mit dem Zusammenleben, wackelt es auch oben.“ Heil ist ein Verfechter des starken Sozialstaats. Mit Blick auf die kommenden Herausforderungen appellierte er an die Anwesenden, sich nicht nur an den Erfolgen der Vergangenen zu wärmen, sondern auch Konzepte für die Zukunft zu entwickeln.

Erfolge der Vergangenheit: Davon hatte Rolf Ihrig einige in petto, als er seinen Blick auf 111 Jahre Sozialdemokratie im Ort richtete. 66 Jahre lang stellte die SPD nach dem Zweiten Weltkrieg den Bürgermeister und ist immer noch die größte Fraktion in der Gemeindevertretung. Ihrig warf gleichzeitig einen Blick nach vorn auf anstehende Projekte.

„Mich verbindet viel mit Rimbach“, bekannte Christine Lambrecht. Die hiesige Konsequenz des Eintretens für sozialdemokratische Ideen habe ihr immer als Vorbild gedient, sagte sie. Denn sie weiß: „Man braucht Geduld, um etwas durchzusetzen.“ Die Politik, so die Ministerin, „muss Verantwortung übernehmen“. Gleichzeitig gilt es, die Menschen dabei mitzunehmen. 

Lambrecht wies auf die SPD-Erfolge in den vergangenen Jahrzehnten hin. Durch den Ausbau der Kinderbetreuung etwa wurde die Vereinbarkeit von Familie und Beruf für Frauen viel einfacher, stellte sie heraus. Stolz ist sie auf das von ihr in die Wege geleitete Gesetz gegen Rechtsextremismus und Hasskriminalität. Sie weiß aber auch: „Es ist noch richtig viel zu tun.“ Mit Sven Wingerter gibt es jemanden als ihren Nachfolger, „der uns weiterbringt“.

Der SPD-Bundestagskandidat dankte seiner Vorgängerin für die 23-jährige Arbeit im Gremium. „Sie hat als Ministerin nochmal richtig bewiesen, warum wir sie vermissen werden“, sagte der Wald-Michelbacher. Die aktuellen und künftigen Herausforderungen, wie Globalisierung, Digitalisierung, Klimakrise oder Corona-Pandemie, mit den damit verbundenen Veränderungen in der Arbeitswelt zeigen für ihn: „Sozialdemokratische Politik mit einem sozialdemokratischen Kanzler wird auch künftig gebraucht.“

Der SPD-Bundestagskandidat ging auf sein Leitmotiv ein, Politik für die Vielen zu machen. Gute Arbeit und soziale Sicherheit sind für ihn die dazugehörigen Eckpunkte. „Es gilt Lebensleistung und Arbeit zu schützen und wertzuschätzen“, forderte der Überwälder. Er positionierte sich klar gegen eine Rente mit 68. Ein anderes, ganz wichtiges Ziel für ihn: ein Mindestlohn von 12 Euro in ganz Deutschland. Viel Lob erntete die SPD für ihr Steuerkonzept, ergänzte der Bundestagskandidat. Damit sollen Geringverdiener, der Mittelstand und Familien entlastet werden.