Kreis Bergstraße (GEW/H. Giebel) – Mit großer Skepsis blickt der Kreisverband Bergstraße der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) dem Vorhaben entgegen, nach den Osterferien die Schüler vor Unterrichtsbeginn direkt an den Schulen im Klassenverband Corona-Schnelltests durchführen zu lassen. „Wir begrüßen eine solche Testmöglichkeit zwar grundsätzlich, weil sie möglicherweise
ein Schritt in Richtung schulischer Normalität bedeutet, dass diese Tests jedoch zu einer Art morgendlicher Massenveranstaltung werden, ist abzulehnen“, sagt Elke Fischer, die gemeinsam
mit Friedemann Sonntag und Holger Giebel das Vorsitzendenteam der GEW Bergstraße bildet. Stattdessen plädieren die Bildungsgewerkschafter für Selbsttests im Elternhaus.
Aus pädagogischer Sicht sei die Durchführung der Tests in den Schulen eine Katastrophe. Wie die Erfahrungen aus anderen Bundesländern bereits deutlich zeigten, gebe es zahlreiche Kinder, die
den Schnelltest mit großer Angst vor einem positiven Ergebnis über sich ergehen lassen. Begründet sei die Angst vor allem damit, in einem solchen Fall von den anderen separiert zu werden und dann darauf warten zu müssen, von den Eltern abgeholt zu werden. Ein solches „Outing“ könne Spuren hinterlassen, möglicherweise zusätzlich zu einer Stigmatisierung des
Kindes führen. „Das ist alles komplett problemlos, bis der erste positive Fall auftaucht. Das öffentliche Separieren kann bei den Kindern eine traumatische Wirkung haben. Ganz abgesehen
davon dürfte dies auch für den Rest der Klasse kein besonders angenehmes Gefühl sein“, gibt Sonntag zu bedenken. Außerdem sei dies eine fast schon marktschreierische Präsentation
sensibler Gesundheitsdaten. Mit Datenschutz, der in manch anderen Fällen äußerst strikt gehandhabt werde, habe dies jedenfalls rein gar nichts zu tun. Dass im Falle eines positiven Tests
das betroffene Kind nach dem Plan des Kultusministeriums „pädagogisch sensibel begleitet“ werden solle, sei insofern bemerkenswert, da zu diesem Zeitpunkt der „pädagogische Super-GAU“
längst geschehen sei.
Hinzu komme, dass die Rolle der Lehrkräfte bei den Testungen keinesfalls so passiv ist, wie sie dargestellt werde. So seien im Vorfeld Einverständniserklärungen der Eltern einzuholen, der Ablauf
der Testung den Kindern zu erklären und die Durchführung zu beaufsichtigen. Die Basis zu alldem soll ein Erklärfilm bieten. „Es ist schon interessant, dass Lehrkräfte, die einem Kind ansonsten
noch nicht einmal ein Pflaster aufkleben dürfen und meist nur über medizinisches Laienwissen verfügen, nach einem kurzen Filmchen urplötzlich Corona-Tests anweisen und beaufsichtigen
sollen. Das sollte eher die Aufgabe von Fachpersonal sein“, ergänzt Giebel. Zudem rücke das Lehrpersonal damit in eine handelnde Rolle. Erfahrungen aus anderen undesländern hätten gezeigt, dass Lehrer sich in der Folge auch Angriffen von Corona-Leugnern ausgesetzt sahen. „Die Kollegen waren schon vor Corona am Limit, inzwischen sind sie längst darüber hinaus. Dass am Ende auch noch so etwas dazu kommt, braucht wirklich niemand“, fügt der Gewerkschafter hinzu. Überdies sei zu berücksichtigen, dass es vor allem in Förderschulen einige Kinder gebe, die aufgrund motorischer Beeinträchtigungen gar nicht in der Lage seien, einen Selbsttest eigenständig durchzuführen. Eine Lehrkraft dazu heranzuziehen, stattdessen den Test durchzuführen, sei nicht zu verantworten.
Darüber hinaus bedeute eine Testung zu Beginn des Schultags einen merklichen Unterrichtsausfall in den Fächern, die in der ersten Stunde unterrichtet werden. Dabei seien in etlichen Fällen immer dieselben Fächer betroffen, was die ohnehin schon kritische Lehrsituation noch weiter verschärfe. All diese Probleme könnten sich aus Sicht der GEW Bergstraße recht einfach vermeiden lassen, wenn die Tests nicht erst in der Schule, sondern morgens noch im Elternhaus durchgeführt würden. Dort befänden sich die Kinder in einem geschützten Raum. Bei einem positiven Test seien sie gleich in elterlicher Obhut, alle weiteren Schritte könnten in Ruhe besprochen werden, ohne dass sie eine traumatische Erfahrung vor den Augen der gesamten Klasse hätten. Überdies
bräuchten sie auch gar nicht erst den Schulweg antreten, was die Gefahr der Infektion von Mitschülern beseitige.
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