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Kreis Bergstraße (KB) –  Wie können inklusive Wohnformen entstehen? Und unter welchen Voraussetzungen funktionieren sie? Dies waren die Kernfragen des zweiten Fachtags „Inklusive Wohnformen für den Kreis Bergstraße“, der kürzlich digital unter der Federführung des Vorsitzenden der Kreis-Teilhabe-Kommission, des Kreisbeigeordneten Karsten Krug, stattgefunden hat. Insgesamt nahmen rund 70 Personen an der Videokonferenz, die dank Untertiteln barrierearm stattfinden konnte, teil. Neben Betroffenen und Eltern waren auch Vertreter und Vertreterinnen von sozialen Einrichtungen, Vereinen und Institutionen der Einladung gefolgt. „Ich bin überwältigt von dem Interesse an einer virtuellen Konferenz zu diesem Thema, an der bis zum Ende durchgehend so zahlreiche Personen teilgenommen haben“, so Krug im Anschluss. Dies zeige, dass in diesem Bereich Wohnraumangebote Mangelware seien.

Unter dem Motto „Schaffung von inklusiven Wohnformen – Informationen über erfolgreiche Projekte aus der Praxis“ gab es im Rahmen der Veranstaltung hochwertige Referate, die eine Fülle von wertvollen und zielführenden Informationen enthielten. Bernadette Bros-Spähn und Wolfgang Spähn aus Ludwigshafen stellten unter anderem mittels eines Filmes IGLU vor. IGLU ist eine WG, in der gemeinsam vier Menschen mit und sechs Menschen ohne Unterstützungsbedarf leben. Eine von den vier Menschen mit Unterstützungsbedarf ist schwerstmehrfachbehindert. 

Christine Ortwein-Kartmann und Markus Zimmermann von der Lebenshilfe Dieburg zeichneten im Rahmen ihrer Präsentation die Entstehungsgeschichte einer inklusiven WG nach und erläuterten Details zum täglichen Leben in einer inklusiven WG. Ihr Kollege von der Lebenshilfe Frankfurt, Andreas Obst, gab Erläuterungen zu den Themen Wohnungssuche beziehungsweise zum Schaffen neuen Wohnraums und zu den inhaltlichen Grundlagen der Einrichtungen, die personenzentriert und auf die persönlichen Bedarfe ausgerichtet sind. Ein bereits im Entstehen begriffenes Projekt „Haus der Herzen“ im Kreis, in der Kreisstadt Heppenheim, stellte Helle Berge vor. Sie und ihr Mann konzipieren Wohnraum für Menschen mit und ohne Behinderung in der alten Musikschule. Berge erläuterte, dass zur Umsetzung des Projektes bereits zahlreiche Voraussetzungen erfüllt und viele weitere Schritte auf den Weg gebracht werden konnten.

Den Abschluss in der Reihe der Referierenden bildete Nadine Bauer vom Verein „Philip Julius“, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, mehrfach schwerstbehinderter Menschen und ihre Familien zu fördern und zu unterstützen. Neben wertvollen Hinweisen zur Gründung und Vernetzung alternativer Wohnprojekte machte sie die Anwesenden auf den JungePflegeMonitor aufmerksam. Über die Homepage des Vereins können sich Eltern dort über mögliche Angebote für ihre Kinder kundig machen.

Für einen überaus professionellen und reibungslosen Ablauf des Online-Formats sorgte Sören Etler von der Blaue Dächer Digitalwerkstatt. Eva Epple von der Behindertenhilfe Bergstraße und Anja Ostrowski vom Antidiskriminierungsnetzwerk Südhessen führten zugewandt und empathisch durch das Programm. Nach jeweils zwei Vorträgen gab es die Möglichkeit für Fragen, Diskussion und Austausch. Über die Chatfunktion wurde diese Möglichkeit vom Publikum weidlich genutzt und die beiden Moderatorinnen sorgten dafür, dass keine Frage ohne Antwort blieb. Unterstützt wurden sie von Marion Gengenbach von der Stiftung Nieder-Ramstädter Diakonie. Schriftdolmetscher sorgten für Untertitel.

Am Ende der Veranstaltung stand die Frage im Raum, welches von den Praxisbeispielen sich auf den Kreis Bergstraße übertragen lasse. Laut Petra Thaidigsmann von der Ergänzenden Unabhängigen Teilhabeberatung Bergstraße werde dies zeitnah im Detail besprochen. Denn so ansprechend die Beispiele auch seien, so unterschiedlich sind sie auch. Doch: Was die Akteure und Akteurinnen im Kreis sicherlich mitnehmen können und was allen Projekten gemein ist „ist die Kreativität, der Vernetzungswille und den langen Atem, den es braucht um solche alternativen Wohnformen zu etablieren“, fasste Thaidigsmann zusammen.

„Ich bin mir sicher und das zeigen auch die Beispiele der Konferenz, dass wir gemeinsam Lösungen finden können, um im Kreis benötigte inklusive Wohnformen zu realisieren“, betonte auch der Kreisbeigeordneter Karsten Krug. „Dafür möchte ich mich einsetzen“. Vor diesem Hintergrund lud der Dezernent alle Anwesenden ein, bei einer entsprechenden Arbeitsgruppe mitzumachen, die sich am 3. März 2021 gründen wird. Interessenten könnten sich hierfür unter inklusion@kreis-bergstrasse.de anmelden.

Veranstalter Krug dankte abschließend den Mitgliedern des ORGA-Teams für die Vorbereitungen, allen Mitwirkenden für ihr Engagement und allen Beteiligten für das große Interesse.