Foto: AWO
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Viernheim (AWO) – Zur Schaffung weiterer Betreuungsplätze für Kinder ab 3 Jahren werden im politi-schen Raum die Einrichtung einer naturnahen KiTa mit tierpädagogischem Konzept sowie die Einrichtung einer weiteren Waldkindergartengruppe auf einem Gelände nahe der Walachei diskutiert. Insgesamt geht es dabei um 60 zusätzliche Plätze, zu-mindest zum Teil im Ganztagsbetrieb.

Die AWO-Vorsitzende Jutta Schmiddem und ihr Stellvertreter Peter Strickler nahmen am 02.07.2021 bei einem Pressegespräch dazu öffentlich Stellung: Wir verstehen wirklich nicht, aus welchem Grund keine der Fraktionen der Stadtver-ordnetenversammlung, die diese Einrichtungen fordern, auf den Waldkindergarten oder die AWO als dessen Trägerin zugekommen ist, um über diese Ideen zu sprechen. Dadurch wird die Chance vertan, bereits im Vorfeld der Planungen wichtige Informa-tionen aus einer fast 20-jährigen Praxis vor Ort zu erhalten.
Wir stehen zur Naturpädagogik – aber nicht im Ganztagsbetrieb
Kindern die unmittelbare Begegnung mit der Natur zu ermöglichen, ist ein zentrales Anliegen unserer Pädagogik. Seit über 20 Jahren haben wir in unseren Einrichtungen Wandergruppen eingerichtet, in denen sich die Kinder für einen Teil des Tages in der freien Natur aufhalten. Das Bewusstsein der Kinder für ein Leben im Einklang mit der Natur und ihr Sozialverhalten werden dadurch nachhaltig gefördert. Aus einer sol-chen Wandergruppe ist im Jahr 2002 der AWO-Waldkindergarten als Außengruppe des Kinderdörfels hervorgegangen.
Dem Konzept einer ganztags geführten Waldkindergartengruppe in der Nähe der Walachei stehen wir jedoch sehr skeptisch gegenüber. Wir befürchten eine unnötige Konkurrenzsituation – und am Ende mehrere halbleere Einrichtungen. Dazu kommt eine weitere Belastung für das Waldgebiet, dem man heute schon den regelmäßigen Aufenthalt von 20 Kindern ansehen kann. Zukünftig wären es dann doppelt so viele, die alle die gleiche Furt über den Bannholzgraben queren, um sich anschließend im gleichen Waldstück zu tummeln. Was sagt denn der Hessen Forst dazu?

Für einen Naturkindergarten braucht es Eltern, Personal und einen Träger
Unser Waldkindergarten ist deshalb so erfolgreich, weil es Menschen gibt, die sich mit großem Engagement für ihn einsetzen: Eltern, Personal und einen Träger.
Ein Waldkindergarten ist keine Einrichtung, in der man sein Kind morgens abgibt und nachmittags einfach wieder abholt. Eltern müssen sich bewusst dafür entschei-den und wissen, was sie auf sich nehmen: Vom weiten Anfahrtsweg, der nötigen Ausstattung, dem Schmutz, den die Kinder nach Hause bringen, bis zur gewünschten Mithilfe bei verschiedenen Aktivitäten müssen die Familien einiges leisten. Diejeni-gen, die eine überlegte Entscheidung getroffen haben, sind in der Regel sehr zufrie-den und wirken aktiv am Kindergartenleben mit. Aber lange Wartelisten wie in allen anderen Kitas gibt es bei uns nicht, erfahrungsgemäß sind im August noch Plätze frei und werden erst im Laufe des Kindergartenjahres belegt.
Man muss Erzieher*innen finden, die für diese Art der Pädagogik „brennen“, bei Wind und Wetter rausgehen, und zuverlässig ihren Dienst tun. Die Gruppe muss von 2 Kräften betreut werden, deshalb haben wir zusätzlich zu den beiden Fachkräften einen Ausbildungsplatz im Berufspraktikum. Hat jemand Urlaub, dürfen die anderen beiden aber schon nicht mehr krank werden – deshalb sind Belastbarkeit und Zu-verlässigkeit Grundvoraussetzungen. Mangels Spielmaterialen sind Allrounder ge-fragt, die in jeder Situation mit den Kindern passende Aktionen entwickeln können. Und es sind Fachkräfte gefragt, die sich unvoreingenommen auch kritischen Fragen von Eltern stellen. Kurz gesagt: Das pädagogische Team trägt neben dem Träger eine hohe persönliche Verantwortung für die Einrichtung. Letzterer muss übrigens auch für weitere Vorhaben noch gefunden werden – auch hier ist in der AWO bis heute noch keine Anfrage eingegangen.
Die körperliche Belastung darf nicht unterschätzt werden
Bei Wind und Wetter, im Winter wie im Sommer draußen zu sein, ist eine hohe Be-lastung für Kinder und Personal. Bei Dauerfrost oder langen Phasen mit Regenwetter im Winter sind alle froh, wenn um 14.00 Uhr der Waldkindergarten zu Ende ist und die Kleidung gewechselt werden kann. Die heißen trockenen Sommer stellen auch im Wald eine erhöhte Beanspruchung dar. Wir sind froh, im Halbtagsbetrieb wenigs-tens nicht den nachmittäglichen Gewittern ausgesetzt zu sein. Einen Ganztagesbe-trieb in der Natur können wir uns aber beim besten Willen nicht vorstellen.
Das Jugendamt fordert bei der Ganztagesbetreuung Ruhe- bzw. Schlafmöglichkeiten und ein regelmäßiges warmes Mittagessen für die Kinder, auch daran ist zu denken.
Naturpädagogik in Verbindung mit Ganztagsbetreuung gibt es heute schon
Wer für sein Kind einen Ganztagsplatz mit Naturpädagogik wünscht, findet diesen in unserem AWO-Familienzentrum mit der vormittäglichen Waldwandergruppe bereits heute schon vor: Nach der Rückkehr in die Einrichtung gibt es hier ein warmes Mit-tagessen, bei Bedarf Ruhephasen und pädagogische Aktivitäten bis zur Abholzeit. Weitere Infos sind auf der Homepage der Einrichtung für alle Eltern einsehbar.
Der Vorstand der AWO Viernheim und die pädagogischen Fachkräfte stehen allen politischen Fraktionen im Falle von Fragen jederzeit gerne zur Verfügung