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Darmstadt (RP) –  Der Fabiennesteig im Norden Darmstadts zeigt einen Wald, der nach einem schweren Sturm sich selbst überlassen wurde. Der deutsche Wald: Jahrhundertelang galt er als dunkler und gefährlicher Ort, als Heimstätte von Dämonen und Fabelwesen und wurde dafür gleichermaßen verehrt und gefürchtet. Anfang des 19. Jahrhunderts dann haben ihn die Romantiker zum Symbol einer ersehnten heilen und träumerischen Welt umgedeutet. Dieses Image einer unberührten, friedvollen Idylle hat der Wald von heute längst wieder abgelegt – denn anders als früher sorgt heute eine professionelle und geregelte Forstwirtschaft für Ordnung im Wald. Als der Sturm „Fabienne“ 2019 auch durch Südhessen tobte, hinterließ er eine Schneise der Verwüstung. Auch im Kranichsteiner Wald hat „Fabienne“ gewütet und gravierende Schäden angerichtet; Bäume wurden entwurzelt, fielen um oder brachen ab. Als Natura 2000–Gebiet wird der dortige Wald nicht bewirtschaftet, umgeworfene Bäume und abgebrochene Äste werden nicht weggeräumt. Das Land Hessen hatte eine Idee: Warum dort nicht Waldbesucherinnen und Waldbesuchern die Gelegenheit bieten zu erfahren, wie sich so ein nicht-bewirtschafteter Wald nach einem Sturm entwickelt, welche Tier- und Pflanzenarten sich als Folge dort ausbreiten und noch dazu Hintergrundwissen dazu und zum Klimawandel zu erhalten? Realisiert wurde diese Idee in Form des Fabiennesteigs, der am Dienstag, 8. September, vom Staatsekretär im hessischen Ministerium für Umwelt, Klimaschutz Landwirtschaft und Verbraucherschutz Oliver Conz und Regierungspräsidentin Brigitte Lindscheid offiziell eröffnet wurde. Verantwortlich für dieses hessenweit einmalige Projekt ist das Forstamt Darmstadt, das das Projekt gemeinsam mit dem Regierungspräsidium Darmstadt als zuständiger Oberer Naturschutzbehörde und vielen weiteren Unterstützern realisierte: Die sieben Infostelen des Lehrpfades wurden von Scarlett Umlauf vom Bioversum Jagdschloss Kranichstein entworfen und konzipiert, ihre Anfertigung übernahm Lars Mandler. Die Zimmererschüler der Peter-Behrens Berufsschule haben die Kletterelemente angefertigt.

Oliver Conz bedankte sich bei den Sponsoren, der Firma Merck, der Sparkasse Darmstadt und der GKV-Versicherung. Der rund 800 Meter langen „Fabiennesteig“ schlängelt sich querfeldein durch dieses naturbelassene Waldstück – über umgefallene Bäume und vorbei an mannshohen Wurzeltellern. Die Waldbesucherinnen und –besucher erfahren, dass der dortige dichte Boden beispielsweise dazu führt, dass Buchen sehr flache Wurzeln bilden und daher bei einem Sturm leicht umfallen. Die tieferen Pfahlwurzeln der Eichen dagegen sind fest im Boden verankert – weswegen die Bäume während eines Sturmes häufiger abbrechen. An einer anderen Station lernt man, dass es Tiere und Pflanzen gibt, denen die toten Bäume als Nahrungsquelle, Lebensraum und Brutstätte zugleich dienen. Der Hirschkäfer etwa benutzt deren Hohlräume, um dort seine Eier abzulegen, verschiedene Spechtarten bauen im abgestorbenen Holz ihre Höhlen. Der Eingang zum Fabiennesteig befindet sich in der Nähe der Dianaburg, einige Hundert Meter hinter dem Parkplatz zur Gaststätte zum alten Forsthaus Kalkofen (Kalkofenweg 90, Darmstadt). Halten Sie Ausschau nach dem Einstiegsschild. Der Lehrsteig ist gerade für Kinder spannend – allerdings gibt es dort keine Möglichkeit für Kinderwagen. Festes Schuhwerk wird empfohlen. Hintergrund Auf mehr als 32.000 Hektar wurden im hessischen Staatswald Kernflächen genannte Naturwälder gefördert: Das sind Areale, die sich selbst überlassen werden und dort keine forstliche Bewirtschaftung stattfindet. Diese Kernflächen sind Bestandteil der hessischen Biodiversitätsstrategie. In ganz Hessen verteilt werden so wichtige Lebensräume vieler Tier- und Pflanzenarten gesichert.