Dezentralisierung der Kernverwaltung – Bürgerbüro bleibt in der Innenstadt

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Viernheim (Stadt Viernheim) – In einem sechsseitigen Papier informiert Bürgermeister Matthias Baaß am Donnerstag (7. Oktober 2021) im Rahmen einer Pressekonferenz über seine alternativen Vorschläge zur Rathaussanierung, das er in den zurückliegenden Sommermonaten gemeinsam mit den Leitungen von Kämmereiamt, Bauverwaltungs- und Liegenschaftsamt, Organisationsabteilung des Hauptamtes sowie Stadtwerke Viernheim GmbH erarbeitet und in den letzten Wochen den einzelnen Fraktionsvorsitzenden vorgestellt hat. Darin wird unter anderem die Dezentralisierung der Kernverwaltung in einem neu zu erstellenden Bürogebäude in der Friedrich-Ebert-Straße vorgeschlagen, dessen Grundstücksbesitzer die Stadtwerke Viernheim GmbH ist und als Bauherr fungieren würde. Die Stadt wäre in diesem Fall Mieter. Der Standort des Bürgerbüros, das von allen städtischen Dienstleistungen von der Bürgerschaft am stärksten nachgefragt wird, soll mit einer Anmietung der ehemaligen Commerzbank-Räumlichkeiten in der Innenstadt erhalten bleiben. Denkbar sei ein sukzessive Realisierung, so dass mit Beginn des Jahres 2025 das Rathaus vollständig umgezogen und der Standort des alten Rathauses in der Innenstadt für etwas komplett Neues genutzt werden könnte.

 

Rathaussanierung ohne Zukunft – Wunsch nach „Plan B“

Auslöser war die Stadtverordnetenversammlung am 18. Juni 2021, bei der die Vorlage der aktualisierten Kostenfortschreibung zur Rathaus-Sanierung mit einem neuen Bedarf von 23,5 Millionen Euro zu großen Diskussionen führte und das Projekt in Frage gestellt wurde“, erklärt Bürgermeister Matthias Baaß, der mit seinem Papier dem Wunsch nach alternativen Überlegungen nun Rechnung tragen wolle. Denn Grundproblem bei der Rathaus-Lösung bleibt die Geldfrage, da das Investitionsprogramm der Stadt Viernheim bis 2024 insbesondere durch den Bau eines neuen Entlastungssammlers mit Ausgaben in Höhe von insgesamt 18 Millionen Euro geprägt sei. Baaß: „Während dieser Zeit ist kein zweites Projekt mit einem ähnlichen Kostenvolumen möglich.“ Erst ab dem Jahr 2025, wenn für den Sammler keine Aufwendungen mehr anfielen, könnten weitere finanziell bedeutsame Einzelinvestitionen perspektivisch veranschlagt werden, so das Stadtoberhaupt.

 

 

Ebenfalls beigetragen zu den alternativen Überlegungen hätten die durchaus positiv gemachten Erfahrungen der Zusammenarbeit innerhalb der Verwaltung und nach außen während der Corona-Pandemie, unabhängig von einem Arbeiten im gleichen Gebäude, so Baaß. „Von einem auf den anderen Tag wurde die Verwaltung herausgefordert, in all ihren Organisationsteilen in veränderter Form zu arbeiten und teilweise auf mobiles Arbeiten (Home Office) umzustellen.“ Auch für die Verwaltungsbereiche, deren Akten nicht in digitaler Form zur Verfügung stünden und für die das mobile Arbeiten schwieriger umsetzbar war, wird sich dies mit der beginnenden Einführung der elektronischen Akte ab dem Jahr 2022 umfänglich bis zum Jahr 2025 ändern. „Der schon laufende Ausbau der Digitalisierung und dessen weiterer Fortschritt mit Blick auf das Jahr 2025 sowie die Folgejahre lassen es zu, sich neu über eine mehr dezentrale Form der Unterbringung der Stadtverwaltung Gedanken zu machen und gleichzeitig sicher zu sein, dass dies trotzdem funktionieren wird“, zeigt sich Baaß überzeugt. Wichtig sei, dass die Verwaltung flexibel bleibe, denn die Zukunft sei nicht planbar und eines sei sicher, so Baaß: „Veränderung wird bleiben.“

 

Dienstleistungen der Stadtverwaltung gehören zum Angebot der Innenstadt

Es war bisher politischer Konsens, dass auf jeden Fall Dienstleistungen der Stadt Viernheim, die in besonderem Maße von der Bürgerschaft nachgefragt werden, die Innenstadt als Standort haben sollen“, so Baaß. Vornehmlich wurde dabei immer das Bürgerbüro genannt. In den freiwerdenden Räumlichkeiten der Commerzbank in unmittelbarer Nachbarschaft zum Rathaus sehe er nun die Chance, das Bürgerbüro dort dauerhaft zu verorten. „Diese Chance sollte auf jeden Fall genutzt werden, ganz unabhängig, welche Entscheidung seitens der Stadtverordneten-Versammlung zur Rathaus-Sanierung und einer Alternative dazu noch getroffen wird“, betont Baaß. Denn auch bei einer Sanierung des Bestandsgebäudes bedarf es eines Ausweichquartiers für das Bürgerbüro, welches in der Innenstadt sein sollte. Im gleichen Gebäude könnten gegebenenfalls auch noch weitere kleinere Teile der Verwaltung untergebracht werden. Fakt sei auch, dass die Filiale der Deutschen Bank in der Innenstadt nach der Sprengung den Rückzug beschleunigt habe und nicht mehr öffnen wird. Die Stadt Viernheim stehe daher mit den Eigentümern der Gebäude, in denen schließende Banken ihre Filialen haben, zur Nachfolgesituation in Kontakt, da dies in beiden Fällen Auswirkungen auf das Gesamtbild der Innenstadt habe.

 

Des Weiteren würde es in der Zukunft weitere Gelegenheiten geben, einzelne Verwaltungseinheiten in der Innenstadt unterzubringen, so Baaß weiter. Als eine Möglichkeit sei auch die eigene Immobilie in der Kettelerstraße genannt, in der die Polizei das Erdgeschoss nutzt. „Falls der technische Fortschritt den Rückzug der Telekom aus dem ersten Stock erlaubt, wäre dies eine ideale Unterkunft für das Ordnungsamt.“

 

Dezentralisierung der Kernverwaltung auf Gelände in der Friedrich-Ebert-Straße

„Alle Ämter der Stadtverwaltung werden wir nicht in der Innenstadt unterbringen“, daher sei die nächste Überlegung von Baaß, die Kernverwaltung mit weniger Publikumszulauf zu dezentralisieren. Möglichkeit biete das ehemalige Bahngelände im Bereich Friedrich-Ebert-Straße zwischen dem letzten Waggon und dem Fuß- / Radweg zur Raiffeisenstraße, welches sich im Eigentum der Stadtwerke Viernheim GmbH befinde. Hier könnte ein neues Bürogebäude errichtet werden, dessen einzelne Etagen sogleich oder später (je nach Bedarf) auch an andere Nutzer vermietet werden könnten.

Der gegenwärtige Raumbedarf liege gemäß den Richtwerten, die auch beim Strategiekonzept Rathaus aus dem Jahr 2008 verwendet wurden, bei rund 4.300 Quadratmeter – ohne Ratssaal.

 

Anhand der Baukosten der zuletzt errichteten Kindertagesstätten wurde für einen Neubau in dieser Größenordnung (Stand 2021) ein Kostenrahmen von rund 17 Millionen Euro ermittelt. Entsprechend der vom Amt für Stadtentwicklung und Umweltplanung erstellten Ausnutzungsskizze könnte dort ein 3-4 geschossiges Gebäude samt den erforderlichen Stellplätzen errichtet werden, in dem der genannte Raumbedarf realisierbar wäre.

 

Um zu diesem Gebäude zu kommen, gebe es für die Stadt Viernheim verschiedene Wege. Doch der Favorit laut Baaß sei, dass die Stadtwerke Viernheim GmbH auf eigenem Grund und Boden für die Stadt ein Gebäue errichtet und die Stadt in diesem Fall Mieter wäre. Bei einer Investitionssumme von 17 Millionen Euro wären nach derzeitiger Kalkulation pro Jahr 680.000 Euro an Miete zu zahlen.

 

Vorteil sei, dass sich im Gegensatz zur eigenen Übernahme des Grundstücks durch die Stadt und anschließender Errichtung eines Gebäudes mit europaweitem Ausschreibungsverfahren, im ersten Fall keine besonderen vergaberechtlichen Aspekte für die Stadt ergeben würden. Dies sei auch der Ausschlag gewesen, warum das Angebot der Firma Gutperle Investfinanz von Seiten der Stadt nicht umsetzbar gewesen wäre, erklärt Baaß. „Die Stadtwerke kann bei solch einer Entscheidung wesentlich freier agieren, im Gegensatz zu uns.“

 

Als Ersatz für den Ratssaal könnten nach einer entsprechenden Anpassung in Ausstattung und Technik zukünftig die Räumlichkeiten des Bürgerhauses für Sitzungen und Empfänge – wie bereits jetzt schon aufgrund der Pandemie gehandhabt – genutzt werden.

 

Für die Realisierung des Bauvorhabens in der Friedrich-Ebert-Straße selbst müsse nach Klärung der baurechtlichen Fragen mit einem Zeitaufwand von 18 bis 24 Monaten gerechnet werden. Unter Berücksichtigung aller genannten Aspekte und in Bezug auf die finanziellen Verpflichtungen der Stadt Viernheim sei es daher denkbar, dass die komplette Verwaltung bis Anfang 2025 anderweitig untergebracht und das Rathausgebäude geräumt sei.

 

Der Weg für eine weitere Attraktivierung des Standorts Innenstadt wäre frei

Die Stadtverordneten-Versammlung hätte die Möglichkeit, unter Einbeziehung der Bürgerschaft in einem Beteiligungsprozess festzulegen, was zukünftig anstelle des Rathausgebäudes in der Stadtmitte neu angeboten werden soll. „Unbeeinflusst von den Anforderungen, die sich bisher aus der Unterbringung von Verwaltungsbüros ergeben haben, kann ganz neu gedacht werden“, so Baaß. So sei es möglich, Rahmenbedingungen zu formulieren und diese dann am Standort in einem Wettbewerbsverfahren über eine private Investition zu realisieren, auch unabhängig davon, ob die Stadt Viernheim Grundstückseigentümer bleibt oder nicht.

 

Beratungen der politischen Gremien im November möglich

Mit dieser flexiblen Lösung Neues Bürogebäude in der Friedrich-Ebert-Straße mit der Möglichkeit zur Untervermietung je nach Bedarf, kombiniert mit der Anmietung/Nutzung von Räumlichkeiten in der Innenstadt, ebenfalls je nach Bedarf und Verfügbarkeit, kann die Verwaltung insgesamt in zeitgemäßen Räumen arbeiten und das stark nachgefragte Dienstleistungsangebot für die Bürgerschaft ist weiterhin in der Innenstadt vorhanden“, zieht der Rathauschef sein Fazit.

 

Die Beratungen der alternativen Vorschläge könnten im November in den einzelnen Fachausschüssen beginnen, so Baaß abschließend.