Älterwerden in Viernheim .
Foto: Stadt Viernheim

Viernheim (Stadt Viernheim) – In der Politik wird dem Grundsatz „ambulant vor stationär“ Vorrang eingeräumt. Einerseits, weil sich natürlich jeder wünscht, möglichst lange in seinen angestammten „vier Wänden“ wohnen zu können. Zum anderen aber auch, weil Fachkräftemangel herrscht. Es braucht neue Konzepte, die professionelle Pflege mit nachbarschaftlicher Hilfe im Ehrenamt sinnvoll verknüpfen.

Unter anderem für diese Herausforderung sollen die Handlungsmöglichkeiten in Viernheim geprüft werden, das ist der Wille von Bürgermeister Matthias Baaß, wenn er dem Sozial- und Kulturausschuss für seine Sitzung Ende August vorschlägt, sich mit dem Leben und Wohnen im Alter zu beschäftigen. Insgesamt soll es dabei um die Teilhabe am Leben auch in digitaler Hinsicht, um Fragen der Gesundheit und der Mobilität, aber auch um Pflege und Wohnen gehen. Ein interessantes Praxisprojekt könnte die Überlegung sein, vermehrt mit einer Stadtteil- und Nachbarschaftsorientierung zu arbeiten und darüber neue Potentiale zu schöpfen.

Beispiele dafür gibt es bereits. „Zuhause in Mainz“ ist das erste Wohnprojekt seiner Art in Rheinland-Pfalz. Gebaut von der Mainzer Wohnbau wurde es 2016 eröffnet. Ziel ist es, im Alter ein selbstbestimmtes Leben und Wohnen zu führen. Dafür gibt es eine 24-stündige Versorgungssicherheit durch einen Pflegedienst ohne Betreuungspauschale. „Was erstmal nach Seniorenprogramm klingt“, so das Mainzer Journal „sensor“, „richtet sich doch an Jung und Alt, an Menschen mit und ohne Pflegebedürftigkeit. Der Altersdurchschnitt liegt bei 41 Jahren, 24 Prozent der Bewohner sind Kinder.“ 

Neben dem integrierten Pflegedienst gehört auch ein Nachbarschaftscafé mit zum Projekt. Jeden Nachmittag wird eine Hausaufgabenbetreuung für Schulkinder angeboten. „sensor“ weiter: „Bei gemeinsamen Kochabenden, Nähkursen und Sommerfesten kann die Nachbarschaft zusammenrücken. Während in anderen Mietshäusern die Namen der Nachbarn meist unbekannt bleiben, steht das Wir-Gefühl hier im Fokus.“ Vor Kurzem habe ein Rollstuhlfahrer Hilfe beim Streichen seiner Wände gebraucht und problemlos Freiwillige gefunden. Eine andere Frau koche jeden Tag für ihre Nachbarin mit.

Das mit Viernheim in seiner Größe sicher nicht vergleichbare gesamte Projektgebiet, umfasst einen fußläufigen Bereich von etwa 800 bis 1.000 Meter rund um das „Cavalier Holstein“, in dem sich etwa 800 Wohneinheiten befinden und in dem rund 2800 bis 2900 Bewohnern mit und ohne Pflegebedarf leben. Die Wohnbau Mainz GmbH hat in sechs barrierearmen Gebäuden insgesamt 100 Wohnungen errichtet. Der Pflegedienst hat innerhalb des „Cavalier Holstein“ einen Quartiersstützpunkt mit 24-Stunden-Service aufgebaut und bietet im Umkreis von 800 bis 1000 Meter dieser Wohnungen im Rahmen einer 24-stündigen Anwesenheit vor Ort flexible pflegerische Unterstützung an. Die sonst oft übliche Betreuungspauschale muss nicht bezahlt werden.

Der Verein Pflegenetz Mainz e.V. begleitet und unterstützt die Arbeit u.a. mit einer „Quartiermanagerin“. Durch die unmittelbare Nachbarschaft zum Pflegedienst, sind die Voraussetzungen gegeben, auch Menschen mit Hilfe- und Pflegebedarf einzubeziehen. Die Aktivitäten der Quartiersbegleitung zielen auf eine Steigerung des Selbsthilfepotentials der im Quartier lebenden Personen ab. Zum einen ist damit die Hilfe zur Selbsthilfe gemeint, zum anderen aber auch die Hilfe der Bewohnerschaft untereinander.

Baaß schlägt gemeinsam mit den Seniorenberatern der Stadt Viernheim und Horst Stephan, Leiter des Amtes für Kultur, Bildung und Soziales (KuBuS) u.a. vor, sich bezogen auf die Grundstücksvergabe im neuen Wohngebiet Bannholzgraben II sehr konkret mit einer solchen Idee zu befassen. Denn dort könne neu geschaffene Infrastruktur auch auf den restlichen, nun schon älteren Teil des Wohngebietes ausstrahlen.

Des Weiteren schlägt der Bürgermeister vor, eine Gesamtstrategie zur Thematik „Älter werden in Viernheim“ zu erarbeiten, welche die Durchführung infrastruktureller Planungen sowie die Umsetzung entsprechender Maßnahmen zur Bewältigung des demografischen Wandels beinhaltet.

Das Konzept sollte auch Vorschläge für die Förderung des Austausches und der Gewinnung von Synergien unter den Generationen beinhalten.  Die Planungen und die Umsetzung der Maßnahmen soll in Zusammenarbeit mit anderen Bereichen innerhalb der Verwaltung, mit örtlichen Akteuren (Wohlfahrtsverbänden, Anbietern von Angeboten für Senioren, Vereinen, Firmen, etc.) und / oder externen Fachleuten geschehen.