Ausstellungseröffnung „Mütter des Grundgesetzes“ durch Bundesjustizministerin Christine Lambrecht beim Neujahrsempfang als Auftaktveranstaltung zur Veranstaltungsreihe im Jubiläumsjahr

Vierneim (Stadt Viernheim) – Am 1.1.1990 entstand auf Initiative des damaligen Bürgermeisters Norbert Hofmann das Frauenbüro der Stadt Viernheim unter der damaligen Leitung von Rita Walraven-Bernau. Über die Intention des damaligen Bürgermeisters sowie über die bevorstehenden Veranstaltungen im Jubiläumsjahr 2020 wurde im Rahmen einer Pressekonferenz informiert.

„Bei meinen Gratulationsbesuchen erzählen mir die älteren Mitbürgerinnen aus Viernheim des Öfteren, dass sie ihren Ehemann damals um Erlaubnis fragen mussten, ob sie arbeiten dürfen“, berichtet Bürgermeister Matthias Baaß, der für die damalige Initiative seines Vorgängers, ein Frauenbüro einzurichten, heute sehr dankbar ist: „Das Frauenbüro galt zu dieser Zeit noch als eine freiwillige Aufgabe einer Kommune. Ich bin mir aber sicher, dass die Einrichtung damals vielen Frauen sehr geholfen hat“, so Baaß. Für die junge Generation sei dies kaum vorstellbar, dass Frauen bis 1962 ohne die Zustimmung ihres Ehemannes kein eigenes Bankkonto eröffnen durften und verheiratete Frauen erst nach 1969 als geschäftsfähig angesehen wurden.

Umso wichtiger sei es, im Jubiläumsjahr auf das Thema Gleichberechtigung aufmerksam zu machen und die Geschichte in Erinnerung zu rufen. Gleich am 10. Januar (Neujahrsempfang) findet die Auftaktveranstaltung zur großen Veranstaltungsreihe des 30jährigen Jubiläums des Gleichstellungsbüros im Rahmen der Ausstellungseröffnung „Mütter des Grundgesetzes“ durch Bundesjustizministerin Christine Lambrecht statt. Die Wander-Ausstellung ist sodann ab dem 13. bis 24. Januar im Familienbildungswerk, vom 27. Januar bis 7. Februar in der Friedrich-Fröbel-Schule, vom 10. bis 14. Februar in der Albertus-Magnus-Schule und zuletzt vom 17. Februar bis 6. März im Lernmobil zu besichtigen.

Gezeigt werden Lebensbilder der vier Politikerinnen Frieda Nadig, Elisabeth Selbert, Helene Weber und Helene Wessel, die als Minderheit des Parlamentarischen Rates wesentlich zum Entstehen des Grundgesetzes und zu der verfassungsrechtlichen Gleichstellung von Frauen und Männern im Jahr 1949 beigetragen haben.

Auch der damalige Bürgermeister Norbert Hofmann hat eigene Erfahrungen in seiner Herkunftsfamilie gemacht und erinnert sich daran, wie seine Mutter benachteiligt wurde, weil sie arbeiten wollte. „In den 80er Jahren wurde die Gleichberechtigung auch in der Verwaltung oder in den Gewerkschaften immer mehr Thema“, so Hofmann, der mit der kommunalpolitischen Mehrheit die damalige Entscheidung, eine Frauenbeauftragte einzustellen, durchsetzte.

Das damalige Aufgabengebiet der Amtsinhaberin umfasste u. a. die Durchführung von regelmäßigen Sprechstunden mit Beratung und Hilfestellung, die Kontaktpflege und Zusammenarbeit mit unterschiedlichen Organisationen und Initiativen, intensive Öffentlichkeitsarbeit, Erstellung eines Jahresberichtes, Durchführung von Fortbildungsveranstaltungen sowie die Aufstellung eines Förderprogramms für die Mitarbeiterinnen der Stadtverwaltung, welches von der damaligen Frauenbeauftragten Rita Walraven-Bernau sehr aktiv und mit viel Durchsetzungsvermögen umgesetzt wurde, berichtet Norbert Hofmann.

Viel erreicht – viel zu tun

Die Einführung des Frauen-Nachtfahrdienstes Anfang der 90er Jahre, das erste Frauenfest sowie die Gründung der AG „Soziales Netzwerk“ nach der einjährigen Veranstaltungsreihe „Marmor, Stein und Eisen bricht“ 1994 betitelt die seit 1. April bei der Stadt Viernheim beschäftigte Gleichstellungsbeauftragte Maria Lauxen-Ulbrich als weitere Meilensteine, die auf das verdiente Konto ihrer Vorgängerin Walraven-Bernau gehen, die heute immer noch sehr gefragt und aktueller denn je seien. „Es bleibt aber immer noch viel zu tun“, so die Nachfolgerin, die sowohl verwaltungsinterne Aufgaben wahrnimmt, als auch in einem externen Wirkungskreis auf städtischer, regionaler und überregionaler Ebene tätig ist.

Eine traurige Bilanz zeigen Übergriffe von häuslicher Gewalt, die zu 85% an Frauen ausgeübt werden. „In der Regel führe ich 3-4 Beratungsgespräche im Monat mit Hilfesuchenden bezüglich häuslicher Gewalt, aktuell sind es 2-3 in der Woche“, berichtet die Gleichstellungsbeauftragte. Das Gewaltschutzgesetz hat einiges verbessert, dennoch fehle es an Plätzen in Frauenhäusern und Schutzwohnungen oder an Beratungs- und Hilfsangeboten für spezifische Gewalt-Formen wie Gewalt im Namen der „Ehre“, Genitalverstümmelung oder Prostitution.

Themen und Arbeitskreise des Gleichstellungsbüros sind: Frauen und Arbeit, Migration und Integration, Vereinbarkeit von Beruf und Familie bzw. Pflege, Mädchen und Jungen, Schutz vor Gewalt, Selbsthilfe und Unterstützung, Aktionstag für Entgeltgleichheit zwischen Frauen Männer (Equal Pay Day) sowie Aktionstage zur Berufsorientierung für Jungen und Mädchen ab der 5. Schulklasse (Girls’Day / Boys’Day). „Ein großer Teil der Gleichstellung wird auch künftig die Frauenförderung sein, dennoch richtet sich Gleichstellung an Frauen wie Männer“, erklärt Lauxen-Ulbrich.

Ausblick auf Veranstaltungen im Jubiläumsjahr 2020

Maria Lauxen-Ulbrich sowie ihre Mitarbeiterin Birgit Herbold haben für das Jubiläumsjahr eine ganze Veranstaltungsreihe mit vielen Highlights zusammengestellt: So heißt es unter anderem am 8. März zum 108. Internationalen Frauentag „Bühne frei“ im Treff im Bahnhof. Bei einem Frauenbrunch sind alle Frauen aufgerufen, sich zu beteiligen und einzubringen, die Möglichkeiten sind vielseitig. Für Informationen und Voranmeldungen steht das Gleichstellungsbüro unter 06204 – 988 364 oder -988 361 zur Verfügung.

Gleich darauffolgend findet am 18. März 2020 der Frauentreff zum Thema „Alleinerziehend und vernetzt“ im Familienzentrum der AWO (Kirschenstraße) statt. „Männer sind herzlich willkommen“, so Lauxen-Ulbrich, die sich über mehr Beteiligung von Männern bei den Frauentreffs freuen würde. Dieser findet immer jeden 3. Mittwoch im Monat zu wechselnden Themen statt.

Ende des zweiten Halbjahres dürfen dann noch zwei weitere Jubiläen gefeiert werden: am 27. Oktober „20 Jahre Internationales FrauenCafé“ sowie am 1. Dezember „30 Jahre Frauen-Nachfahrdienst“. Nebenbei sei erwähnt, dass bei Letzterem nun auch Mannheim auf die hessische Brundtlandstadt aufmerksam wurde und nach 29 Jahren ebenfalls den Frauen-Nachtfahrdienst eingeführt hat.

Bürgermeister Baaß bedankt sich bei den Verantwortlichen des Gleichstellungsbüros für die engagierte Arbeit und das ansprechende Jubiläumsprogramm. „Die Bilanz zeigt, dass gesellschaftliche Veränderungen tatsächlich möglich sind und früher nicht immer alles besser war, wie viele Menschen heute denken“, so Baaß.

Die Einführung einer internen Gleichstellungsbeauftragten ist für Kommunen mittlerweile Pflicht geworden, im Gegensatz zur externen Aufgabenwahrnehmung, die immer noch eine freiwillige Leistung einer Kommune darstellt. „Die Stadt Viernheim hat sich durch den Stellenwechsel ganz bewusst dafür entschieden, dass sowohl der interne, als auch der externe Bereich durch die neue Gleichstellungsbeauftragte weiterhin abgedeckt wird“ so der Bürgermeister abschließend, der dies als klares politisches Statement sieht.