Deportationen vor 80 Jahren

Foto: Dr.I.Dannemann

Am 24. März 1942 wurden jüdische MitbürgerInnen deportiert. Darunter auch zwölf MitbürgerInnen aus Viernheim. Vom Güterbahnhof in Darmstadt gingen die Züge los, in denen über 3.212 Menschen wegen ihres jüdischen Glaubens in den Tod geschickt wurden. Niemand aus diesen Transporten in das polnische Ghetto Piaski Luterski und später in die Konzentrationslager hat überlebt.

Das Gedenken ist bis heute schwer. Denn es ist noch immer erschreckend, dass das geschehen konnte, dass Menschen ihren Nachbarn so etwas antun oder dabei zusehen. Jedes Gedenken daran ist auch verbunden mit Fassungslosigkeit, Trauer, mit Scham und Schuld (unserer Vorfahren). Und es stellt sich angesichts dieser bedrängenden Geschichte die Frage, wie Frieden möglich ist. Was braucht es dafür und was können wir dafür tun?

 

Wir können uns erinnern – an die Menschen, die verschleppt, beraubt und getötet wurden. Damit sie nicht vergessen gehen. Damit machen wir den Nationalsozialisten einen Strich durch die Rechnung, denn sie waren nicht nur bestrebt, ihre jüdischen Opfer physisch zu vernichten. Sie versuchten auch, jede Erinnerung an sie zu tilgen. Kein Grabstein sollte ihre Namen tragen, kein Zeugnis an sie erinnern.

 

Im Vertrauen auf Gottes Liebe, die unser aller irdisches und ewiges Leben umfängt, erinnern wir an alle zwölf Deportierten aus unserer Stadt. Sie stehen unter Gottes Zusage: „Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst; ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du bist mein!“ (Jesaja 43,1)

Deportiert wurden vor 80 Jahren:

Emil Fischer, 61 Jahre, Schuhhändler, Blauehutstr. 24

Rosa Fischer, geb. Gernsheimer, 59 Jahre, Hausfrau, Blauehutstr. 24

Siegmund Gernsheimer, 62 Jahre, Viehhändler, Blauehutstr. 24

Moses Kaufmann, 53 Jahre, Holzhändler, Adolf Hitler Str.34 (heute: Rathausstr.)

Else Kaufmann, geb. Jakob, 35 Jahre, Hausfrau, Adolf Hitler Str.34

Ruth Kaufmann,  12 Jahre, Adolf Hitler Str.34

Alfred Kaufmann, 8 Jahre, Adolf Hitler Str.34

Hilde Rosenthal, geb. Lublin, 38 Jahre, Lorscher Str. 26

Josef Rosenthal, 6 Jahre, Lorscher Str. 26

Hugo Sternheimer,  45Jahre, Lederhändler, Adolf Hitler Str.34

Fanny Ullmann, 56 Jahre, Adolf Hitler Str.34

Minna Ullmann, 60 Jahre, Hausfrau, Adolf Hitler Str.34

 

Wie anders wäre unser Land, wenn sie noch da wären: Die Fischers, die Kaufmanns, die Rosenthals, die Ullmanns. Wir sind ärmer geworden ohne sie.

Wir beten:

Gott, wir denken an die Überlebenden. Jüdinnen und Juden, verstreut in der Welt und hier in Deutschland. Verletzt an Leib und Seele. Die ihre Angehörigen verloren haben, ihre Freunde, ihre Heimat. Von Albträumen geplagt, bis heute. Heile sie.

Gott, wir denken an die Kinder und Enkelkinder der Überlebenden. Die die Albträume ihrer Vorfahren träumen, die sich heimatlos fühlen, kleingemacht – immer noch. In Angst vor neuer Verfolgung. Tröste sie.

Gott, wir denken an die Menschen, die sich für Toleranz einsetzen. Die helfen und nicht wegschauen. Die ihre Stimme erheben, wo Menschen erniedrigt werden. Die sich freuen über neues jüdisches Leben bei uns. Stärke sie.
Und wir beten für den Frieden auf dieser Welt, der nur in Toleranz und Kompromissbereitschaft zu finden ist. Heile diese deine Erde von allem Hass. Amen

 

Pfarrerin  Dr.  Irene  Dannemann, Evangelische Christuskirchengemeinde, Bezirk Friedenskirche