Weinheim: Höchste Anforderung für Tiefbauer
Dennoch biegt die Baustelle in der Müllheimer Talstraße jetzt auf die Zielgerade ein – Freie (re) Fahrt ab 9. September
Weinheim (Stadt Weinheim) – Wenn man einem Tiefbau-Ingenieur an einer Uni eine besonders knifflige Aufgabe stellen wollte, an der viele scheitern würden, dann würde man sich das ungefähr so vorstellen: Zwei schmale Straßen mit maroden alten Kanälen treffen aufeinander, darunter liegen alte Versorgungsleitungen und ein verdolter Bachlauf. Es handelt sich um eine vielbefahrene Stelle, eine Einpendlerstraße, mit einem Fußgängerüberweg, der zu einer Grundschule führt. Die Ampelregelung, die erforderlich geworden ist, um den Verkehr jeweils einspurig an der Baustelle vorbeizuleiten, kostet viele Autofahrer Nerven– und manchen Ärger bekommen die Bauherren ab.
Wahrscheinlich würden einige der angehenden Ingenieure die Aufgabe schnell wegschieben und sich nach einem anderen Studium umsehen.
Wer aber schon Tiefbauamtsleiter in einer Großen Kreisstadt ist, wie Udo Wolf in Weinheim, der muss da durch. Dennoch ist der gelernte Ingenieur froh, wenn Anfang September eine der schwierigsten Baustellen seiner Amtszeit weitgehend abgeschlossen ist: Die Kanalbau- und Straßenbauarbeiten an der Müllheimer Talstraße, die seit rund drei Jahren nun schon Pendler und Anwohner beschäftigt, biegt nun endgültig auf die Zielgerade ein. Das bestätigten jetzt Udo Wolf und Thomas Triebel, der Polier der Firma Sonntag aus Bingen. Wenn nichts Unvorhersehbares noch dazwischenkommt, wird die Baustelle bis zum Wochenende 10./11. September abgeräumt und beide Fahrbahnen werden befahrbar sein. Rechtzeitig zum Weinheimer Herbst und zum Schulbeginn. Der nördliche Gehweg wird sicher ausgebaut sein, so dass auch der Schulweg für die Waldschüler sicher ist.
„Zu Schluss hatten wir nochmal die kniffligste Stelle von allen zu meistern“, beschreibt Udo Wolf. Für den letzten Abschnitt hatte daher auch die Firma Sonntag übernommen; sie ist bekannt für komplizierte Aufgaben unter der Erde.
Zu den maroden und weitestgehend unbekannten Leitungen in der Unterwelt kam hinzu, dass der verdolte Bach ein Dükerbauwerk erforderte, um den Kanal in rund zwei Meter Tiefe unter der Verdolung hindurch zu führen. Außerdem stellte sich heraus, dass ein Wohnhaus an der Baustelle wackelte wie ein alter Zahn. Um es vor dem Einsturz und die Stadt vor hohen Regressforderungen zu schützen, musste es mit Bohrpfählen abgefangen werden. Das machte den Bau teurer und die Arbeitsfläche noch enger. Aber es hat geklappt. Aber viel Aufwand und Kosten sind in die Sicherung der Baugrube geflossen.
Jetzt liegen alle Leitungen – Gas, Wasser, Strom, Medien, Kanal – in modernster Ausführung an den richtigen Stellen. Der Kanal, der die uralten Steinzeugrohre von nur 40 Zentimeter Durchmesser ersetzt, entspricht nun wieder den gesetzlichen Vorgaben. Vor der Sanierung musste der Bach sehr häufig ungeklärte Abwässer aus den Haushalten aufnehmen. „Ökologisch nicht tragbar“, befindet Wolf.
Rund 2,7 Millionen Euro haben die Arbeiten rund um Burggasse und Müllheimer Talstraße insgesamt gekostet.
Damit hat die Stadt ein großes Werk zwar noch nicht vollendet aber ein gutes Stück vorangebracht. Jetzt ist nur noch der letzte Abschnitt in Richtung Odenwald alt und marode. Die Stadt will sich dem letzten Teil dann im Jahr 2024 widmen.
Denn schon 2003 hat die Stadt Weinheim mit dem Kanalbau-Marathon begonnen. An der Peterskirche ging’s damals los: der Hauptkanal unter Grundelbachstraße, Müllheimertalstraße und Gorxheimertalstraße wurde Stück für Stück saniert und ausgebaut. Es sind fast drei Kilometer Strecke. Das war noch unter Wolfs Vor-Vorgänger im Amt. Es ist eine Lebensaufgabe, für die ein Berufsleben schon knapp wird.