Foto: Stadt Weinheim

Weinheim (Stadt Weinheim) – Es war im wahrsten Sinne des Wortes eine „schwere Geburt“, als jetzt der zweite von zwei „Zwillingen“ über der Weschnitz einschwebte, gehalten von einem beachtlichen Straßenkran. In sechs Bauteilen – wie im Februar dieses Jahres der erste – wurde am Donnerstag der zweiteTeil der „Zwillingsbrücke“ am Bahnhof installiert; jedes einzelne wog rund 13 Tonnen. Alles liegt nun fest verschraubt und verankert über dem zweiten „Arm“ der Weschnitz, die sich dort rund um das Betriebsgebäude teilt.

Die Arbeiten an der „Zwillingsbrücke“ sind schon wegen der Nähe der Bahnschienen mitunter kompliziert – liegen aber im Plan, wie jetzt Udo Wolf, der Leiter des Weinheimer Tiefbauamtes, bescheinigte. Wolf und sein Mitarbeiter Christian Wind begleiten die Baustelle und verfolgten auch jetzt den spektakulären Brückenschlag. Angekommen ist jetzt die nördliche der beiden Brücken; auf beiden Brücken wird künftig Autoverkehr fließen; daher weist sie eine 6.50 Meter breite Fahrbahn und Gehwege auf. Jetzt folgen noch Beton, dann die Anschluss- und Straßenbauarbeiten, im November sollen die Brücken wieder komplett befahrbar sein. Die Sanierung der „Zwillingsbrücke“ ist auch deshalb wichtig, weil sie im Falle einer Sperrung der B3 die einzige Umleitungsstrecke wäre.

Die Baustelle an der Stelle, an der sich die Weschnitz teilt, um dann unter den Bahnschienen zunächst auf Freudenberg-Gelände dann weiter in Richtung Westen in zwei Armen zu fließen, liegt – Corona zum Trotz – vollständig im Plan.

Auch die Weinheimer Tiefbauingenieure Ingenieure fragten sich natürlich, welche Historie der Grund für die Zweiteilung der Weschnitz an dieser Stelle hat. Diese Aufsplittung schafft ja eine Insel, die Gebäude und Betriebsanlagen trägt, die wiederum bei den Bauarbeiten berücksichtigt werden müssen. Die Zwillingsbrücke ist außerdem eine Art Drehscheibe von Versorgungsleitungen in alle Himmelsrichtungen; die Kabel und Rohre müssen wegen der Bauzeit alle provisorisch verlegt werden, um später wieder ihren dauerhaften Platz zu finden. Alles in allem also eine knifflige Ingenieursaufgabe.

Aber woher kommt diese Weschnitzteilung? Ein Blick ins Weinheimer Stadtarchiv ergibt Überraschendes: Die Teilung des Flusses hat weder etwas mit der Industrialisierung der Firma Freudenberg noch etwas mit der Bewässerung der Felder im Weinheimer Nordwesten zu tun. In der Tat schon im 16. Jahrhundert ließ der mächtige Pfalzgraf Kurfürst Ludwig (der auch Erbauer des Weinheimer Schlosses war) die Weschnitz teilen, „um alles übermäßige Wasser aus dem Odenwald und Gebirge von den drei Sachsen, Weinheim und Viernheim her, auf Lorsch zu in den Rhein zu leiten“. Es war also die vielleicht erste groß angelegte Hochwasserschutzmaßnahme Weinheims. Heute macht die fast 500 Jahre alte Teilung den Brückenbau zur doppelten Aufgabe.

Die vorherigen Brücken stammen aus dem Jahr 1926 und sind teilweise wie die Weschnitzmauer mit Sandstein verblendet. Die neue Jahreszahl 2020 ist bereits im Beton der neuen Brücken eingraviert, auch die Sandsteinverblendung der Uferwand soll teilweise wieder hergestellt werden.