Von der Umsetzung des Bürgergeldes bis zur Unterbringung Geflüchteter
Die freien Wohlfahrtsverbände der Bergstraße im Gespräch mit der Kreisverwaltung über aktuelle Fragen der Sozialpolitik
Kreis Bergstraße (kb)- Die sozialpolitische Verantwortung in der Bergstraße ruht auf vielen Schultern. Ergänzend zu den politischen Gremien und der öffentlichen Verwaltung sieht die Sozialgesetzgebung regelhaft die Einbindung der Wohlfahrtsverbände in die Ausgestaltung sozialpolitischer Themen vor. Diese rechtliche Vorgabe soll die Vielfalt im Sozialsystem unserer Gesellschaft sichern und dieses lernfähig halten. So ist die Liga der freien Wohlfahrtsverbände Bergstraße regelmäßig mit den politisch Verantwortlichen im Kreis sowie den Kreisbehörden über aktuelle soziale Fragen im Gespräch.
In der jüngsten Liga-Sitzung ging es unter anderem darum, wie das Kommunale Jobcenter „Neue Wege“ die Herausforderungen der Aufnahme vieler ukrainischer Geflüchteter in den Sozialleistungsbezug und die Einführung des Bürgergeldes bewältigen konnte. Des Weiteren wurden dringende Fragen bezüglich der Unterbringung und Integration Geflüchteter im Landkreis Bergstraße erörtert.
Für das kommunale Jobcenter „Neue Wege“ berichtete Dr. Melanie Marysko, die auf 1. Januar 2023 beschlossene Umstellung von Arbeitslosengeld II und Sozialgeld auf das Bürgergeld laufe auf vollen Touren. Trotz des anhaltenden Personalmangels und der organisatorisch herausfordernden Aufgabe, gestalte sich die Umstellung gut. Auch von Seiten der Ligaverbände wurde diese Einschätzung bestätigt. Bislang seien in den Beratungsstellen keine Beschwerden oder Mängel seitens der betroffenen Klientinnen und Klienten bekannt geworden. Tobias Lauer vom Diakonischen Werk Bergstraße betonte, dass dies angesichts des Arbeitsaufwandes nicht selbstverständlich sei und man den Mitarbeitenden des Jobcenters ausdrücklich danken und Lob aussprechen müsse. Vergleichbar gut funktioniere auch die Aufnahme von rund 3.000 Menschen aus der Ukraine in den Sozialleistungsbezug.
Angesichts dieses zusätzlichen Arbeitsvolumens ist es nicht überraschend, dass neben der aufwändigen Umstellung und Anpassung allerdings kaum Spielräume für den wichtigen Bereich der Vermittlung von Arbeits- und Weiterbildungsmaßnahmen vorhanden waren und noch immer sind. Dr. Marysko betonte, dass die individuelle Betreuung trotzdem so gut wie möglich erfolge und es selbstverständlich das Ziel sei, diese Arbeit in der Zukunft wieder zu stärken.
Die enge Zusammenarbeit von Jobcenter, Sozialamt, Jugendamt und Landkreis wurde vom Hauptamtlichen Kreisbeigeordneten Matthias Schimpf hervorgehoben. Nur so gelänge es, die bestehenden Aufgaben zu erfüllen. Dies gelte insbesondere auch für die Herausforderung, geflüchteten Menschen Schutz und Hilfe zu bieten und Integration zu ermöglichen. Insbesondere die Integration könne nur gemeinsam mit der Liga der Wohlfahrtsverbände gelingen.
Matthias Schimpf erläuterte anhand aktueller Zahlen die Lage: In den drei Sammelunterkünften, der „Luise“ in Lindenfels, der „Känguruinsel“ in Groß-Rohrheim und der sogenannten „Zeltstadt“ in Bensheim konnten geflüchtete Menschen Unterkunft finden. Lindenfels und Großrohrheim beherbergen 350 bzw. 230 ukrainische Geflüchtete, vor allem Familien. In der „Zeltstadt“ seien zurzeit c.a. 720 Personen unterschiedlicher Herkunftsländer und Aufenthaltstiteln untergebracht.
Dezernent Schimpf zeigte sich erfreut, dass die Polizei, mit der der Kreis eng zusammenarbeite, berichten könne, dass um die Sammelunterkünfte keinen Anstieg von Kriminalität zu verzeichnen sei. Auch die kleinen Mängel, die das Gesundheitsamt anmerkte, konnten beseitigt werden. Allein für die sanitären Anlagen würde nach geeigneten Lösungen gesucht. Schimpf betonte, dass Personen mit Bleiberecht, dazu gehörten auch afghanische Ortskräfte, dringend die Erstaufnahmestellen hinter sich lassen und in den Kommunen Unterkunft finden sollten. Nur so könne Integration gelingen. „Integration heißt auch selbstbestimmtes Wohnen. Dieses Thema wird Kreis und Kommunen noch lange beschäftigen, denn selbst wenn keine weiteren Menschen kämen, blieben 2000 Personen übrig, die Integration benötigen“, so Schimpf. Deshalb sollen auch die künftigen Unterkünfte, die Containerunterkünfte in Bürstadt, die Ende Mai eingerichtet würden, und gegebenenfalls das Bruchseehotel, Möglichkeiten der Selbstversorgung bieten.
Die Verbände der Wohlfahrtspflege organisieren flächendeckend im Kreis Beratungsstellen für Menschen mit Migrationsgeschichte und begleiten so die Integrationsanstrengungen der Menschen. Weiterhin werden Sprachkurse, eine Anlaufstelle für Ehrenamtliche in den Kommunen, gezielte Berufsberatung und andere Unterstützungen angeboten. Allerdings übersteigt die Nachfrage in vielen Bereichen zwischenzeitlich zwei- bis dreifach die vorhandenen Kapazitäten.
Die Herausforderungen werden auch im Kreis Bergstraße noch einige Jahre beschäftigen. Hierbei sei nach Überzeugung der Wohlfahrtsverbände darauf zu achten, dass sich Lösungen für alle Menschen in der Gesellschaft fänden. Im Kreis Bergstraße stiege der zusätzliche Bedarf an bezahlbarem Wohnraum jährlich an. Darauf seien Menschen mit mittleren oder niedrigen Einkommen oder wohnungslose Menschen ebenso angewiesen wie Menschen mit Fluchterfahrung.