Trotz Demenz: In Verbindung bleiben
Einbindung in soziales Umfeld kann Erkrankten länger ein in Teilen selbstbestimmtes Leben ermöglichen / Psychosoziale Fachkraft PauLa sorgt für Vernetzung innerhalb der Ried-Gemeinden
Kreis Bergstraße (kb). – Vom 19.09. bis zum 25.09.2022 findet deutschlandweit die Woche der Demenz statt. Sie soll für das Thema Alzheimer und Demenzerkrankungen sensibilisieren und darauf aufmerksam machen. Teil der Woche ist der Welt-Alzheimertag am 21.09. Das Motto der Woche der Demenz in diesem Jahr lautet „Demenz – verbunden bleiben“. „Dieses Motto beschreibt sehr gut, um was es in der Arbeit mit demenziell veränderten Senioren und Seniorinnen im Wesentlichen gehen sollte“, erläutert Christina Adler-Schäfer. In ihrer Rolle als Psychosoziale Fachkraft auf dem Land, kurz PauLa, weiß die 57-jährige Diplom-Psychologin um die Herausforderungen und Belastungen, die die Erkrankung für die Betroffenen und ihre Angehörigen mit sich bringen.
Laut des Reports 2021 der Weltgesundheitsorganisation WHO leben in Deutschland rund 1,8 Millionen Menschen mit Demenz – Tendenz steigend. Die Alzheimererkrankung stellt hierbei die häufigste Ursache für eine Demenzerkrankung dar. Sollten keine wesentlichen Fortschritte hinsichtlich Prävention und Therapie erzielt werden, könnten im Jahr 2050 hierzulande circa 2,4, bis 2,8 Millionen Menschen im Alter von 65 und älter an Demenz erkrankt sein, so die Prognosen der WHO. „Eine Demenzerkrankung zeichnet sich durch einen fortschreitenden Verlust geistiger, alltagspraktischer bis hin zu körperlichen Fähigkeiten aus. Und diese sind – nach jetzigem Kenntnisstand –nicht mehr umkehrbar“, erläutert die Psychologin den Krankheitsverlauf. Bedauerlich findet Adler-Schäfer, dass vor dem Hintergrund dieser Tatsache, Menschen mit Demenz in der gesellschaftlichen Wahrnehmung eher defizitär betrachtet werden und ihnen damit – gerade auch bei fortschreitender Erkrankung – ein eigener Wille oftmals aberkannt würde.
Gleichzeitig belegten jedoch wissenschaftliche Untersuchungen und Erfahrungen von Pflegenden und Angehörigen, dass Menschen mit Demenz durchaus über Ressourcen verfügen. „Damit dieses Potenzial jedoch zum Tragen kommen kann, braucht es entsprechende Rahmenbedingungen, die vom sozialen Umfeld geschaffen werden sollten“, weiß Adler-Schäfer aus ihrer Arbeit zu berichten. Wesentliche Voraussetzung hierfür sei zum einen das Wissen über die Erkrankung. Bei Betroffenen ändere sich mit fortschreitender Demenz die Wahrnehmung: weg von einer vernunftgeleiteten Sichtweise hin zu gefühlsbetontem Empfinden.
In allen Phasen der Erkrankung verfügten die Menschen aber über ein sehr gutes Gespür dafür, ob das soziale Umfeld ihre Bedürfnisse respektiere und ob ihre Bezugspersonen einen authentischen Umgang mit ihnen pflegten. Sofern dieser Umgang mit dem demenzerkrankten Menschen praktiziert würde, trage dies wesentlich dazu bei, eine wertschätzende und unterstützende Atmosphäre zu schaffen. Diese Vorgehensweise könne sich stressreduzierend auf die Menschen mit Demenz auswirken und somit beispielsweise einen weiteren Rückzug in sich selbst und damit ein beschleunigtes Fortschreiten der Erkrankung verhindern.
Immer mehr Menschen mit Demenz lebten allein, wie eine wissenschaftliche Studie, die 2016 im „Journal of Alzheimer’s Diseases“ veröffentlicht wurde, belege. Sie möchten so lange wie möglich selbständig und selbstbestimmt in ihrer vertrauten Umgebung bleiben. Weiterhin konnte die Studie belegen, dass an Demenz erkrankte Menschen unter bestimmten Bedingungen auch alleine weitgehend so sicher leben können wie Menschen, die eine Betreuung durch ihre Angehörigen erhalten. „Eine wesentliche Voraussetzung stellt jedoch unter anderem die Einbindung in ein tragfähiges soziales Netzwerk dar“, fasst Adler-Schäfer die Ergebnisse zusammen.
Mit einer sinnvollen Beschäftigung und Bewegung, Schaffen eines strukturierten Tagesablaufes sowie Orientierungshilfen im Alltag, die „Ordnung“ schaffen, könne innerer Unruhe, Orientierungslosigkeit und Überanstrengung vorgebeugt werden.
Auch wenn sich das Voranschreiten der Erkrankung nicht verhindern lässt, so lassen sich durch die genannten Maßnahmen dennoch Entlastungen und Voraussetzungen schaffen, auf deren Basis es dem demenzerkrankten Menschen auch im fortgeschrittenen Stadium der Erkrankung ermöglicht werde, in Teilen selbstbestimmt zu leben. Damit dies gelingen kann, ist es notwendig, sowohl die professionellen Akteure vor Ort mit ihren Angeboten weiter zu vernetzen als auch das soziale Umfeld für die Bedürfnisse und den Bedarf der an Demenz erkrankten Menschen zu sensibilisieren.
In ihren Beratungen verweist Adler-Schäfer auf die bestehenden Angebote in den Kommunen. Hier sieht die PauLa die Kommunen im Ried mit ihren engagierten Netzwerkpartnern schon gut aufgestellt. „Betrachtet man jedoch den Bedarf, der in den nächsten Jahren auf uns zu kommt, ist es dringend geboten, weiterhin die Vernetzungsarbeit in den Kommunen voranzutreiben und damit einen Beitrag zu dem Ausbau einer sorgenden Gemeinschaft zu leisten. Das erachte ich als eine sehr lohnenswerte Aufgabe für alle Menschen, die der Unterstützung bedürfen“, so Adler-Schäfer abschließend.
Christina Adler Schäfer, die Psychosoziale Fachkraft auf dem Land (PauLa) für die Ried-Gemeinden (Bürstadt, Biblis, Einhausen, Groß-Rohrheim, Lampertheim und Lorsch), kann per Mail (paula-norie@kreis-bergstrasse.de), per Telefon (06206-701510) oder persönlich in ihrem Büro (Rathausstraße 2, Zimmer 007, 68642 Bürstadt) erreicht werden. Ihre Sprechzeiten sind Mittwoch von 9.00 bis 11.00 Uhr sowie nach Vereinbarung.
Weitere Beratungsangebote des Kreises, auch für Menschen außerhalb des Rieds:
Pflegestützpunkt Kreis Bergstraße
Telefon 06252 95987-41 /-40
E-Mail pflegestuetzpunkt@kreis-bergstrasse.de
Fachstelle Leben im Alter
Graben 15, 64646 Heppenheim
Telefon 06252 15-5198/-5629
E-Mail leben-im-alter@kreis-bergstrasse.de
PauLa Regionalteam Odenwald (für die Gemeinden Abtsteinach, Birkenau, Fürth, Grasellenbach, Lautertal, Lindenfels, Mörlenbach, Rimbach und Wald-Michelbach):
Ansprechpartnerinnen: Uta Brand, Andrea El Abed
Rathausstraße 1
64668 Rimbach
Telefon 06253 – 809 53
E-Mail: paula-novo@kreis-bergstrasse.de
Weitere Ansprechpartner im Kreis Bergstraße (ohne Anspruch auf Vollständigkeit):
Demenznetz Viernheim
Ansprechpartner:
Amt für Kultur, Bildung und Soziales
Abteilung Senioren Büro
Senioren Büro, EG
Haus Pamina am OEG Bahnhof, Hinter den Zäunen 6, 68519 Viernheim
Telefon: 06204 988-236
Mail: bpreuss@viernheim.de
Arbeitskreis Demenz Lampertheim
Ansprechpartner:
Caritas-Seniorenberatung
Neue Schulstr. 16, 68623 Lampertheim
Ansprechpartnerin: Silvia Rhiem
Tel.: 06206/9513666
E-Mail: s.rhiem@caritas-bergstrasse.de
Demenznetz Weschnitztal
Ansprechpartner:
Diakonisches Werk Bergstraße
Nadesha Garms
Schlossstraße 52a
64668 Rimbach
Tel. 06253-9898115
E-Mail: nadesha.garms@dw-b.de
Demenznetz Bensheim
Ansprechpartner:
Magistrat der Stadt Bensheim
Team Familie, Jugend, Senioren und Vereine
Darmstädter Straße 52
Tel. 06251-8699162 und -60
E-Mail: senioren@bensheim.de