Ehrengast war der Bürgermeister Kowalewski aus Mława

Foto: Vo/AK
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Viernheim (GKD/Stadt Viernheim) – Nach zweijähriger pandemiebedingter Pause fand am Freitagabend (13.1.23) der Neujahrsempfang der Stadt Viernheim statt, zahlreiche Bürgerinnen und Bürger waren der Einladung gefolgt. Bürgermeister Matthias Baaß, 1. Stadtrat Järg Scheidel und Stadtverordnetenvorsteher Norbert Schübeler hatten alle Bürgerinnen und Bürger eingeladen gemeinsam das Neue Jahr zu begrüßen. Stadtverordnetenvorsteher Norbert Schübeler begrüßte die zahlreichen Gäste. Manuel Thomas und Lothar Blüm auf ihrer Trompete sowie Musik³ Viernheim e. V. umrahmten das Programm musikalisch. Die Moderation übernahm Harald Hofmann.

Der Ehrengast und Hauptredner am Neujahrsempfang war der Bürgermeister Sławomir Kowalewski aus Viernheims polnischer Partnerstadt Mława, er berichtete über die Situation der dort lebenden ukrainischen Geflüchteten und bedankte sich recht herzlich für die Unterstützung der Stadt Viernheim, bei allen Organisationen, Schulen und allen die auch unterstützt haben. Die Verdienstmedaille der Stadt Mława „The Medal of Merit to the Town of Mława“, die der gesamten Stadt Viernheim von Bürgermeister Kowalewski im Herbst 2022 als Ausdruck des Dankes für die große Freundschaft und Hilfe zur Unterstützung der Kriegsgeflüchteten aus der Ukraine in Mława verliehen wurde, war im Bürgerhaus für alle Bürgerinnen und Bürger ausgelegt.

Bürgermeister Matthias Baaß gab einen Jahresrück- und ausblick in Bildern, nachdem er alle anwesenden Gäste begrüßt hatte. Ein weiterer Programmpunkt war die Vorstellung der neuen Amtsleitungen der Stadt Viernheim durch Bürgermeister Baaß und Ersten Stadtrat Jörg Scheidel.

Im Anschluss an das Programm gab es einen kleinen Empfang mit Getränken und Imbiss.

„Ich freue mich, Sie heute Abend – auch im Namen von Bürgermeister Matthias Baaß und 1. Stadtrat Jörg Scheidel – ganz herzlich zum Neujahrsempfang 2023 der Stadt Viernheim begrüßen zu dürfen.

Der festliche Auftakt zum neuen Jahr ist eine sehr geschätzte Tradition in Viernheim. Nach zwei Jahren Unterbrechung, verursacht durch die Corona-Pandemie, durften wir endlich wieder einladen.

Das ist ebenso ein Grund zur Freude wie die Tatsache, dass auch in diesem Jahr viele Vertreterinnen und Vertreter aus Politik, Verwaltung und Wirtschaft, aus Verbänden, Vereinen und Institutionen, den sozialen und kulturellen Einrichtungen, Kirchen und Religionsgemeinschaften sowie den Medien unserer Einladung gefolgt sind.

Sie alle heiße ich herzlich willkommen!

Eine besondere Freude ist es mir, heute Abend unseren Ehrengast und Hauptredner, Herrn Bürgermeister Sławomir Kowalewski, begrüßen zu dürfen, der mit einer kleinen Delegation aus unserer Partnerstadt Mława den weiten Weg aus Polen zu uns nach Viernheim auf sich genommen hat, um uns über die Situation in seiner Stadt, die der Ukraine-Krieg hervorgerufen hat, zu informieren.

„Drogi Sławku, drodzy przyjaciele, witamy w Viernheim. Bardzo nas cieszy wasza wizyta!”

Übersetzung: „Lieber Sławek, liebe Freunde, herzlich willkommen in Viernheim. Wir freuen uns sehr!“

Des Weiteren in meine Begrüßung mit aufnehmen möchte ich

  • Herrn Landtagsabgeordneten Alexander Bauer sowie
  • für den Landkreis Bergstraße Herrn Kreisbeigeordneten Heinz Klee

Besonders danken möchte ich den Trompetern Manuel Thomas und Lothar Blüm, die uns zu Beginn mit der Eurovisionshymne auf den heutigen Abend eingestimmt haben sowie dem Blasorchester Musik³ unter der Leitung seines Dirigenten Lothar Blüm, das den Neujahrsempfang noch mit weiteren Beiträgen musikalisch umrahmen wird.

Ein ebenso herzliches Dankeschön geht an die vielen helfenden Hände der Viernheimer Stadtverwaltung für die Organisation des diesjährigen Neujahrsempfangs. Die letzten drei Jahre waren geprägt von vielen Herausforderungen und erschreckenden Nachrichten, die uns kaum ein Durchatmen ermöglichten.

Zuerst die Pandemie, mit Einschränkungen, die wir bisher nicht kannten und die unser gewohntes Alltagsleben – sowohl privat wie auch bei der Arbeit – über zwei Jahre komplett auf den Kopf gestellt haben.

Und dann kam der 24. Februar 2022 – der Tag, an dem Russland in die Ukraine einmarschierte. Für uns alle war es ein großer Schock, dass Putin tatsächlich sein friedliches Nachbarland Ukraine überfallen hat. Wir waren sprachlos! Und wir fühlten alle eine Hilflosigkeit: „Was können wir tun, um diesen Krieg zu beenden?“ Millionen Menschen, vor allem Frauen und Kinder, flohen in den darauffolgenden Wochen und Monaten aus dem Kriegsgebiet in die benachbarten Länder Europas, auch nach Deutschland. Niemand konnte genau vorhersagen, wie viele geflüchtete Menschen zu uns nach Viernheim kommen würden. Es hieß, man müsse für Viernheim mit mindestens 500, wenn nicht sogar mit bis zu 1000 Personen rechnen. Die Vorbereitungen von Seiten der Stadtverwaltung liefen sofort auf Hochtouren, um für den Ernstfall gewappnet zu sein: Ein Verwaltungsstab wurde gebildet, eine Telefon-Hotline für ukrainische Geflüchtete und die Bürgerschaft sowie eine zentrale E-Mail-Adresse wurden eingerichtet. Dem folgte ein Aufruf in der Bevölkerung, leerstehenden Wohnraum an die Stadt Viernheim zu vermieten. Zur gleichen Zeit fanden erste Besichtigungen größerer Liegenschaften für Sammelunterkünfte statt sowie die sofortige Herrichtung von zwei kleineren Liegenschaften. Innerhalb weniger Wochen standen in Viernheim Unterkünfte für mehr als 400 Menschen bereit. Viernheim war vorbereitet! Zwei Wochen nach Kriegsausbruch waren rund 175 Geflüchtete aus der Ukraine in Viernheim angekommen, Ende März waren ca. 300 Personen registriert.  Zu uns kamen überwiegend Frauen, Kinder und Jugendliche. Ein Säugling hatte zwei Tage vor der Flucht noch in der Ukraine das Licht der Welt erblickt, die älteste Person wurde einige Wochen nach ihrer Ankunft in Viernheim 93 Jahre alt. Der Großteil der geflüchteten Personen hatte einen verwandtschaftlichen oder freundschaftlichen Bezug zu Viernheimer Einwohnern, die keine Minute zögerten und teilweise bis zu 12 Personen in ihren eigenen Privathaushalten Zuflucht gewährten. Außerdem nahm die Evangeliums Christen Baptisten Gemeinde allein knapp 80 Personen in ihren Räumlichkeiten auf. Besonders bemerkenswert ist aber, dass Viernheimer Bürgerinnen und Bürger sich bereit erklärten, geflüchteten Personen, die bis dahin für sie noch völlig fremd waren, bei sich zu Hause ein Obdach zu gewähren. Ende Mai entspannte sich die Situation, da die Anzahl der Geflüchteten abnahm. Die zuvor eingerichteten Sammelunterkünfte wurden letzten Endes nicht belegt und konnten wieder aufgehoben werden. Rund 100 Geflüchtete haben Viernheim mittlerweile wieder verlassen; sie kehrten in die Ukraine zurück oder verzogen in andere Städte in der Region bzw. in andere Länder. Im Gegenzug holten viele der geflüchteten Menschen, die in unserer Stadt seither leben, ihre Eltern und Großeltern nach Viernheim. Dank der großen Hilfsbereitschaft der Bürgerinnen und Bürger sowie der zahlreichen Vereine, Organisationen und Institutionen Viernheims konnten in enger Zusammenarbeit mit der Stadtverwaltung alle geflüchteten Menschen in unserer Stadt schnell und gut versorgt werden. Sie alle haben Großartiges und damit einen wichtigen Beitrag für die Gesellschaft geleistet. Die Aufnahmebereitschaft aus der Bevölkerung war die beste Form der kurzfristigen Hilfe, die eine Stadt nur haben kann. Dieses außergewöhnliche Engagement verdient unser aller Dank und Anerkennung. Wo stehen wir heute? Aktuell leben 335 ukrainische Geflüchtete in Viernheim, rund 100 Kinder und Jugendliche im Alter von 6 bis 18 Jahren besuchen die Viernheimer Schulen. Mittlerweile konnten 229 Personen mit dauerhaftem Wohnraum in Viernheim versorgt werden. Ein weiterer wichtiger Schritt in Richtung „Normalität“ für die Menschen, die von heute auf morgen alles verloren haben. Ein großer Erfolg dabei war das städtische Projekt „Vermiete doch an die Stadt“, bei dem Eigentümer leerstehenden Wohnraum an die Stadt Viernheim vermieten. Die Resonanz aus der Bürgerschaft war enorm und 121 Menschen konnten über diesen Weg, teilweise innerhalb kürzester Zeit, so ein neues Zuhause finden. Das ist eine enorme Zahl und auch hierfür gilt der Bürgerschaft unserer Stadt ein großer Dank! Doch es reicht leider nicht aus. Denn 36 Menschen konnten in Viernheim noch keine Wohnung finden und leben seit ihrer Flucht bei Verwandten oder Freunden, auf engstem Raum. Auch ihnen würde die Stadtverwaltung gerne im Rahmen des Projekts helfen. Daher gilt auch heute Abend noch einmal der Appell: Vermieten Sie leerstehenden Wohnraum an die Stadt Viernheim! Der Bedarf ist weiterhin groß. Denn leider gibt es in vielen Weltregionen Krieg und bewaffnete Konflikte, weshalb noch weitere anerkannte Flüchtlinge sowie Menschen, die nur selbst schwer Wohnraum für sich und ihre Familien finden können, bei der Stadt Viernheim auf der Bewerberliste stehen. Derzeit sind es insgesamt 270 Personen, darunter Einzelpersonen, aber auch Familien mit Kindern. Viernheim hat sich der herausfordernden Situation, die sich mit dem nicht zu rechtfertigenden Angriffskrieg auf die Ukraine ergeben hat, gestellt und durch gelebte Solidarität und Zusammenhalt wieder einmal gezeigt, dass unsere Stadt bereit ist, Menschen in Not aufzunehmen, ihnen die Hand zu reichen und zu helfen. Doch die große Hilfsbereitschaft innerhalb der Bürgerschaft ging noch weiter und sogar über die Ländergrenzen hinweg – bis nach Polen, das als direktes Nachbarland der Ukraine ganz besonders vom ukrainischen Flüchtlingsstrom betroffen war. So wurde unsere jüngste und 1.200 Kilometer entfernte Partnerstadt Mława, mit der die Stadt Viernheim im Jahr 2019 die Städtepartnerschaft besiegelte, von heute auf morgen ein Zufluchtsort für mehrere Tausend Flüchtlinge aus der Ukraine. Auch hier galt es, sich als Kommune um die Grundbedürfnisse dieser Menschen, aber auch um ihre Integration, kostenlose Freizeitangebote und Bildung zu kümmern. Um die polnische Partnerstadt finanziell bei der Versorgung der geflüchteten Menschen zu unterstützen, wurde durch die Stadt Viernheim zu Spenden aufgerufen. Sehr viele Bürgerinnen und Bürger sind diesem Aufruf gefolgt und haben gespendet. Sie wollten Mlawa direkt helfen und konnten so einen wertvollen Beitrag leisten. Viele Gruppen haben dazu Veranstaltungen durchgeführt. In mehreren Schulen sind die Schüler aktiv geworden und haben einen Spendenlauf organisiert. Die stolze Summe von 139.616,91 Euro ist bis heute dafür zusammengekommen, nicht zuletzt durch eine großzügige Spende von 50.000 Euro durch die Sparkasse Starkenburg. Als Ausdruck des Dankes für die große Freundschaft und unschätzbare Hilfe wurde der Bevölkerung Viernheims daraufhin eine sehr hohe Ehre zuteil: Herr Bürgermeister Kowalewski beschloss Ende September letzten Jahres, der gesamten Stadt Viernheim die Verdienstmedaille der Stadt Mława „The Medal of Merit to the Town of Mława“ zu verleihen. Diese Medaille ist mittlerweile in Viernheim eingetroffen und wir dürfen sie heute mit großem Stolz beim Neujahrsempfang allen Viernheimer Bürgerinnen und Bürgern im Foyer präsentieren. Der Überfall Russlands auf die Ukraine hat zu neuem Zusammenhalt in Europa geführt und viele Länder miteinander verbunden. So auch in Viernheims langjähriger französischer Partnerstadt Franconville, die von der Situation in Mława erfuhr und unbedingt helfen wollte. Bürgermeister Xavier Melki aus Franconville schloss sich der Unterstützung, die wir aus Viernheim unseren Freunden in Mława gegeben haben, spontan an. Mit einem großen LKW voller Hilfsmittel und einer 10-köpfigen Delegation reiste er nach Mława. Aus dieser Geste wurde Freundschaft – und aus der Freundschaft entsteht nun eine neue Städtepartnerschaft, die beide Seiten bereits offiziell beschlossen haben und Ende April im Rahmen der diesjährigen Städtepartnerschaftsfeier besiegelt werden soll. Das zeigt: Städtepartnerschaften sind zukunftsweisend und nach wie vor aktuell. Sie bedeuten mehr als nur Begegnung und das gegenseitige Kennenlernen. Sie verbinden und schaffen Zusammenhalt – gerade in schwierigen Zeiten. Städtepartnerschaften sind die größte Friedensbewegung unserer Zeit. Sie bauen dort Brücken, wo andere Mauern errichten wollen. Sie sind Säulen eines grenzenlosen Netzwerks, Wurzeln europäischer Werte. So können Städtepartnerschaften auch und gerade heute wertvolle Wirkungen entfalten. Ein Netzwerk von verschiedenen Ländern, Städten und Regionen, das sich auf partnerschaftlichem Wege den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts stellt, kann in unruhigen Fahrwassern stabilisieren und Großes leisten. Wir können den Krieg damit nicht ungeschehen machen, wir können ihn damit nicht beenden, das liegt nicht in den örtlichen Möglichkeiten. Aber wir stehen zusammen. Und miteinander sind wir auch nicht hilflos, weil wir gemeinsam etwas bewirken können. Wir sind solidarisch und werden es bleiben! In diesem Sinne wünsche ich allen Bürgerinnen und Bürgern im Namen des Magistrats und der Stadtverordnetenversammlung ein gutes und gesundes neues Jahr 2023. Lassen Sie uns alle auf Basis der Verbundenheit in Europa hoffen, dass der Krieg in der Ukraine bald ein Ende findet. Vielen Dank!“, so Norbert Schübeler