Leserbrief von Wolfram Theymann: Flüchtlinge- Es braucht Kreativität und mehr Ideen; um die Probleme zu lösen!
Flüchtlinge: Es braucht Kreativität und mehr Ideen; um die Probleme zu lösen!
Viele Bürgerinnen und Bürger in Viernheim haben Angst. Sie meiden bestimmte Plätze, bestimmte Straßenkreuzungen – ob mit dem Rad oder zu Fuß -, fahren lieber noch einmal um den Block, bevor sie ihr Auto parken und aussteigen. Gerade die Anwohnerinnen und Anwohner der neuen und alten Standorte von Flüchtlingsunterkünften äußern diese Ängste und benennen erlebte Beispiele. Die Verantwortlichen der Stadt versuchen die Ängste zu entkräften und begründen das mit Zahlen. Bei den Zahlen zu tatsächlichen Straftaten schlägt sich das nämlich bisher nicht nieder. Oder den Verantwortlichen sind solche Fälle nicht bekannt. Klar, wenn man Angst hat und es ist noch nichts passiert, ruft man nicht die Polizei. Die würde ja auch gar nicht reagieren. Für die Ängste ihrer Bürger hat die Stadt bisher keine Lösung präsentiert.
Auch mit anderen Argumenten versucht man zu beruhigen: So sollen in Viernheim nur Flüchtlinge mit Bleibeperspektive untergebracht werden. Kann das überhaupt gehen? Selbst gut meinende Beobachter fragen sich, wo kommen denn wohl die hin, die keine Bleibeperspektive haben? Behält der Kreis Bergstraße oder das Land Hessen die für sich? Was soll das für ein Argument sein? Selbst wenn es so wäre, wäre es umso mehr ein Grund, mehr für die Integration der Menschen zu tun. Doch worein will man die Flüchtlinge integrieren, wenn man Teile der Bevölkerung gegen die Maßnahmen aufbringt und für die vorhandenen Ängste keinen Umgang findet?
Es sind einfach mehr Kreativität und bessere Lösungen gefragt, als das; was bisher getan wird. Es ist gut und richtig, Menschen in Not, Asyl und eine neue Lebensperspektive zu geben. Wenn man die Bilder aus Afghanistan, Syrien oder anderswo sieht, dürfte den meisten klar sein, dass man hier als Bundesrepublik helfen muss und wir auch in Viernheim unseren Beitrag dazu leisten.
Dazu gehört Vieles und nicht nur das Einrichten von Flüchtlingsheimen. Die Menschen sollen irgendwann irgendwo wohnen. Und bezahlbarer Wohnraum in Viernheim ist knapp. Trotz der vielen neuen Baugebiete in den letzten Jahren. Vielleicht muss die Stadt hier mal selbst ins Bauen kommen?
Oder vielleicht sollte sie mal ein Projekt auflegen wie das „Collegium Academicum“ in Heidelberg? Dort haben Studierende aus der Wohnungsnot heraus sich ihr Wohnheim in Eigenregie gebaut, organisieren und verwalten es gemeinschaftlich. Wie wäre es, in Viernheim bezahlbaren Wohnraum mit Flüchtlingen, anderen Menschen, die bezahlbaren Wohnraum suchen und Engagierten aus Viernheim selbst zu bauen? Welche Auswirkungen auf gesellschaftliche Integration, Ausbildung von Flüchtlingen, der Integration in den deutschen Arbeitsmarkt etc. hätte wohl ein solches Projekt?
Das Projekt ist nur ein Beispiel von vielen. Dafür kommt es aus der Region und man kann hinfahren und es sich anschauen. Vielleicht sollten die Verantwortlichen nicht nur auf Sprachkurse und etwas persönliche Betreuung setzen, sondern mal schauen, wie man die Probleme wirklich lösen kann? Wichtig insgesamt ist, Flüchtlinge in Arbeit zu bringen. Viele sind noch jung und angewiesen darauf, dass ihnen jemand hilft.
Ansonsten schlage ich vor, eine Art Bürgerbeirat zu gründen, an den man sich wenden kann, wenn man konkrete Angstsituationen oder Vorkommnisse im Umfeld der Flüchtlingsunterkünfte erlebt. Der Bürgerbeirat sammelt dann die Vorkommnisse, gibt sie zur Bearbeitung an die Stadt weiter und veröffentlicht die Ergebnisse. Dazu bräuchte der Beirat den direkten Zugang zu Bürgermeister und Erstem Stadtrat und sollte unabhängig von den Direktiven der Stadt sein. Das dürfte Druck schaffen, endlich auch mit den Ängsten der Bürgerinnen und Bürger umzugehen. Die Stadt könnte das initiieren, aber vielleicht müsste ein solcher Beirat auch unabhängig in Eigenregie der betroffenen Bürgerschaft geschaffen werden. Mit einem solchen Beirat wären die Ängste wenigstens mal dokumentiert und könnten nicht mehr so einfach klein geredet werden. Ein erster Schritt.
Generell plädiere ich dafür, die Bürgerinnen und Bürger Viernheims viel mehr in die Diskussionen und politischen Aufgabenstellungen einzubeziehen. Seien es Flüchtlingsheime oder andere politische Entscheidungen. Es gibt hier so viele Experten, unterschiedliche Sichtweisen auf die Dinge und viele Menschen, die sich mehr einbringen würden, wenn die Rahmenbedingungen dazu besser wären. Dieses Potenzial nicht zu nutzen oder es gar abzuschrecken, ist falsch! Und der Bedarf an guten Ideen und besseren Lösungen ist groß!
Wolfram Theymann
https://www.collegiumacademicum.de/
Am 22.9. kann man übrigens an einer Führung vor Ort teilnehmen und das Collegium Academicum kennenlernen. Anmeldung und mehr dazu auf der Webseite des Projekts.