Leserbrief von Wolfram Theymann
Zum Stand der Energiewende in Viernheim
Scheinbar haben die massive Strompreiserhöhung der Stadtwerke von bis zu 50 % und die Erhöhung beim Gas um rund 100 % in Viernheim nicht zu einem Aufschrei geführt, sondern wurde einfach so hingenommen. Mal schauen, ob das so bleibt.
Viel spannender ist aber der Blick hinter das Offensichtliche. Ja, es ist Krieg und die fossilen Energieträger wurden teurer. Doch warum sind wir in Viernheim noch so abhängig von fossilen Energien? Wir befassen uns doch seit mehreren Jahrzehnten intensiv mit dem Umweltthema und freuen uns heute noch so, dass wir vor 25 Jahren mal Brundtlandstadt wurden. Was läuft da schief?
Wenn wir lokal mehr Strom aus regenerativen Quellen produzieren würden, wären die Preissteigerungen nicht so hoch. Wenn man sich ein wenig umschaut, sind die Strompreise dort viel weniger gestiegen, wo der Ausbau der CO₂-freien Energiequellen weiter ist als in Viernheim. Ist auch kein Wunder, denn die Sonne scheint nicht teurer, nur weil der Gas- oder der Kohlepreis gerade gestiegen ist.
In Viernheim liegt der Anteil an lokal erzeugten, erneuerbaren Energien am Gesamtstromverbrauch bei rund 6 %. Bundesweit liegt er nach Zahlen des Umweltbundesamts bei rund 40 %. Was ist da los in der Stadt, die so gerne das Brundtlandlabel auf die Fahne schreibt? Wir liegen mit unseren Umweltaktivitäten weit hinter dem Bundesdurchschnitt. Wir Bürgerinnen und Bürger zahlen nun mit den hohen Strompreisen die Rechnung für die zögerliche Kommunalpolitik der letzten Jahrzehnte.
Und dabei sind die Voraussetzungen eigentlich bestens. Die Stadtwerke als lokalem Energieversorger gehören zu 100 % der Stadt – und damit uns Bürgerinnen und Bürger. Die Stadtwerke werden kontrolliert durch die von uns gewählten Stadtverordneten, die im Aufsichtsrat der Stadtwerke deren Geschicke lenken (oder eben nicht).
Die Klärung der Schuldfrage hilft uns nicht weiter, denn die Vergangenheit werden wir nicht mehr ändern können. Aber für die Zukunft können wir noch umsteuern. Und das ist die spannende Frage, ob es uns bzw. der Kommunalpolitik gelingt, JETZT endlich die Kurve zu kriegen.
Bisher wird vor allem auf zwei Aktivitäten gesetzt: Erstens sollen wir Strom sparen und zweitens sollen ehrenamtliche Bürgersolarberater Dachbesitzerinnen und –besitzer dabei beraten, eine PV-Anlage aufs Dach zu bauen. Beides gut und richtig – aber soll das ausreichen? Rechnet irgendwer tatsächlich damit, dass das in absehbarer Zeit dazu führt, dass der Anteil an CO₂-freier Energie am Gesamtverbrauch steigt? Soll sich der Anteil der erneuerbaren damit verdoppeln, verdreifachen oder verzehnfachen? Notwendig wäre verzehnfachen. Mindestens!
Welche Möglichkeiten für die großen Sprünge haben wir in Viernheim? Über den Gedanken, dass die Stadtwerke maßgeblich den Ausbau vorantreiben sollen, hatte ich bereits mehrfach in Leserbriefen geschrieben. Und Flächen zum Überbauen mit Photovoltaik gibt es in Viernheim genug: sämtliche öffentlichen Gebäude und private Dächer liegen nahe. Die Bürgersolarberatung des Kreises hat mit Zahlen aus dem Jahr 2020 ein Potenzial von 146 Gigawattstunden errechnet. Der Gesamtstromverbrauch liegt dem Vernehmen nach aktuell bei rund 100 Gigawattstunden pro Jahr.
Dann können Parkplätze, Carports, einige Straßen, die Verkehrskreisel und auch Ackerflächen überbaut werden. Darunter gibt’s dann Schatten und wenn man die Anlagen hoch genug baut, kann man darunter immer noch prima parken, fahren oder den Acker bearbeiten. Potenzial ist also noch genug da.
Für die notwendigen großen Sprünge muss man also gar nicht groß nachdenken. Sondern man muss sie vor allem WOLLEN und dann natürlich TUN. Wann geht es endlich richtig los?
Wolfram Theymann
https://lust-auf-viernheim.de/