Vier Jahre Harbighalle und doch nix gelernt?

Hoppla, die für Januar geplante Wiedereröffnung der Harbighalle muss noch mal ein halbes Jahr verschoben werden. Durch die Bauarbeiten ist nun der Sportboden kaputt. Mal eben weitere 300.000 Euro werden fällig. Die Sanierung der Harbighalle ist inzwischen eine lange lange Liste der Pleiten, Pech und Pannen und wir können gespannt sein, was die sanierte Halle unter dem Strich kosten wird.

Arbeiten da eigentlich auch Profis? Ein Beispiel: Die Stadt erklärte in ihrer Pressemitteilung, dass im Laufe des Jahres 2023 brandschutztechnische Vorgaben „den Ablauf etwas aufgehalten“ haben? Wie kann so etwas passieren? Man plant und baut seit 2019 und lässt sich 2023 von brandschutztechnischen Vorgaben „etwas aufhalten“? Zeit genug wäre ja gewesen.

Und nun der Hallenboden. Die Unterkonstruktion des Sportbodens ist gebrochen. Ich stelle mir vor, dass ein Sportboden bei Stößen durch Sprünge der Sportler nachgibt, um die Verletzungsgefahr zu mindern. Aus der Physik des Alltags wissen wir, wenn etwas bei normaler Belastung nachgibt, geht es bei zu viel Belastung kaputt. Wenn nun auf eben diesem Boden statt des Sportlers ein mehrere 100 Kilogramm schweres Gerüst steht oder das einsturzgefährdete Dach abgestützt wird, könnte man darauf kommen, dass das zu viel ist. Gesunder Menschenverstand eben. Hilfreich wäre professioneller Sachverstand.

In der Pressemitteilung der Stadt wird der Erste Stadtrat Scheidel zitiert mit „Es war nicht absehbar, ob es während der Bauphase tatsächlich zu Beschädigungen gekommen ist“. Wie kann das sein? Wenn auf dem Boden schwere Gerüste oder Stützen für die Dachstruktur stehen mussten, wäre es absehbar gewesen. Zumindest für Fachleute. Und offenbar stand da ja was Schweres, denn sonst wäre der Boden nicht kaputt.

Wer trägt die Verantwortung?

Wer ist für das Desaster verantwortlich? Niemand? Der Erste Stadtrat? Die Experten der Verwaltung? Die Auftragnehmer? Der Bauleiter? Gibt es intern irgendeine nennenswerte Kompetenz für die Begleitung solcher Baustellen? Ist man bei jeder Frage auf externe Experten angewiesen, die dann aber nicht das große Ganze im Blick haben, sondern Rat nur für ihr begrenztes Thema geben? Hat das Desaster für irgendjemanden eine Konsequenz? Wie klar waren die Verantwortlichkeiten verteilt? Sind ggf. strukturelle Mängel in den zuständigen Ämtern dafür verantwortlich? Welche Verantwortung trägt das Stadtparlament, welches offenbar trotz aller Anzeichen in der Vergangenheit, nicht die richtigen Fragen stellt?

Immerhin gab es ja noch mehr Baustellen, die länger gedauert haben und teurer wurden. Der Erste Stadtrat hat bei einer Bauausschusssitzung im September 2022 gesagt, dass die Erfahrungen zum Tivolipark lehrreich waren und er für die Zukunft daraus gelernt hat. Insofern trägt er hier sicherlich Verantwortung, denn er hätte mit dem Gelernten bei der Harbighalle schon viel genauer hinschauen müssen. Als Teilentschuldigung sei ihm aber zugestanden, dass die Ursachen tiefer liegen, denn die Probleme gibt es schon einige Stadträte länger.

Die Harbighalle ist ein Fall von vielen. Wäre es nicht an der Zeit, das mal mit unabhängigen Fachleuten aufzurollen und zu untersuchen? Wäre gut für zukünftige Projekte. Welche Fraktion wagt sich mit einem Antrag dazu vor?

Die Verantwortung der Politik

Letztendlich liegt die Verantwortung bei der Politik. Also bei jedem und jeder einzelnen Stadtverordneten, die in Ausschüssen und in der Stadtverordnetenversammlung die richtigen Fragen stellen, um die richtigen Entscheidungen zu treffen, bei wiederholten Pleiten, Pech und Pannen genauer hinschauen und ggf. auch Personal austauschen. Dafür sind sie gewählt. Und nicht dafür, sich nach über viereinhalb Jahren Bauzeit und immensen Kostensteigerungen bei den Feierlichkeiten zur Wiedereröffnung auch noch feiern zu lassen. Ich fürchte aber, sie werden sich lieber feiern und lieber nicht genau hinschauen. Kostet ja nicht das eigene Geld.

Wolfram Theymann
https://lust-auf-viernheim.de