Was ist eigentlich aus der Sache Wald- und Friedrichstraße geworden? Immerhin soll das ja die Blaupause sein für die geplante Straßenführung einen großen Teil der Viernheimer Altstadt. In der Zeitung liest man nicht wirklich viel davon. Aber hinter den Kulissen scheint sich einiges zu tun.

 

Zur Erinnerung: Im März fand die letzte Sitzung des Bauausschusses statt, bei der die Anwohnerinnen und Anwohner der beiden Straßen in großer Zahl im Publikum saßen und ihrem Ärger Luft gemacht haben. Damals haben alle anwesenden Parteien zugesichert, dass man die Anwohnerinnen und Anwohner im Laufe des weiteren Prozessen einbeziehen wollte. Es wurde hoch und heilig versprochen, dass man erst miteinander spricht, bevor dort irgendwas passiert.

 

Die Wirklichkeit ist eine andere. Seit März hat es keine weitere Sitzung des Bauausschusses mehr gegeben. Gleichwohl werden so nach und nach schon die Einbahnstraßen eingerichtet. In der Luisenstraße zum Beispiel und in Wald- und Friedrichstraße hat die Stadtverwaltung das Einbahnstraßenprovisorium einfach gelassen. Das war anders zugesagt worden seitens der Bauausschussmitglieder. Haben Bürgermeister und Erster Stadtrat von der Politik nun einen Freifahrtschein? Man spart sich nicht nur die lästige Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern, die dann vielleicht noch anderes wollen als sich Bürgermeister und Erster Stadtrat im stillen Kämmerlein ausgedacht haben? Man spart sich jetzt auch noch die Beteiligung der Stadtverordneten und des zuständigen Ausschusses? Wie gesagt, seit vier Monaten keine Sitzung mehr!

 

Das Totschlagargument der Stadtverwaltung bzw. genauer gesagt von Bürgermeister und Erstem Stadtrat in schöner Eintracht lautet „Das hat sich bewährt“. Hat es? Wer sagt das? In den Augen eines Großteils der Anwohnerinnen und Anwohner eher nicht. In den Augen derer, denen man versprochen hat, dass nichts passiert, ohne nicht weiter miteinander zu sprechen, offenbar nicht.

 

Was ist da los? Früher hatte die Stadt noch das Ziel, die Bürgerinnen und Bürger zu beteiligen an politischen Entscheidungen. Sie einzubinden. Jetzt wird die Salamitaktik salonfähig! Man versucht es erst mal in zwei Straßen, wartet bis die Bürgerinnen und Bürger entnervt aufgeben. Dann geht man in die nächsten Straßen und macht dort dasselbe. Um das klar zu machen: wenn sie aufgeben, dann nicht weil sie die Lösung jetzt Gutfinden, sondern weil die Politik sich eh nicht für das interessiert, was aus der Bürgerschaft kommt. Bei der nächsten Kommunalwahl suchen die Parteien man dann wieder händeringend gute, engagierte und kluge Leute, die kandidieren und wundert sich, das keiner mehr Lust hat.

 

Autoritäre Systeme haben ja gerade Konjunktur, in manchen europäischen Ländern, in den USA und anderswo auf der Welt. Auch in Viernheim haben Bürgermeister und Erster Stadtrat offenbar Gefallen daran gefunden, einfach „durchregieren“ zu können. Ohne zuständigen Ausschuss, ohne die lästigen Bürgerinnen und Bürger. Und was erzählt man eigentlich den Politikerinnen und Politikern? Wenn die mit Betroffenen aufeinandertreffen, erkennen die, dass es offenbar ganz unterschiedliche Realitäten sind, von denen Bürgermeister und Erster Stadtrat erzählen und dem was die Anwohnerinnen und Anwohner erleben.

 

Wie wäre es, wenn Bürgermeister und Erster Stadtrat endlich mal anfangen ihre wirklich wichtigen Hausaufgaben zu machen? Zum Beispiel klären, wie in Viernheim in Zukunft die Häuser beheizt werden sollen? Oder mit welchem Strom die ganzen Wärmepumpen denn betrieben werden sollen? Wie der Strom für alle dauerhaft bezahlbar bleibt? Oder wie man mit dem ÖPNV besser zur Arbeit kommt, um tatsächlich auf das Auto verzichten zu können? Oder Ideen zu entwickeln wie die Stadt CO2-neutral wird? Oder die maroden Straßen und städtischen Liegenschaften besser in Schuss hält? Oder wie die Stadt mit einem Rathaus aus Stahl und Beton klimaneutral werden will? Jede Menge ungelöster Hausaufgaben.

 

Es ist schon ein bisschen naiv zu glauben, dass wenn man den Leuten nur die Parkplätze wegnimmt, sie dann mit dem Fahrrad zur Arbeit fahren. Viernheim ist nicht Fahrradstadt. Viernheim ist Pendlerstadt. 10.000 Viernheimerinnen und Viernheimer verlassen Viernheim, um zur Arbeit zu gehen. Wie kommen die da wohl hin, wenn sie zur BASF, zu Roche und anderen großen Arbeitgebern über eineinhalb Stunden Fahrzeit für eine Fahrt brauchen? Das Fahrrad dürfte es in den wenigsten Fällen sein.

 

Hört auf, herumzuspielen und fangt mit den wichtigen Themen an! Hört auf, den Bürgerinnen und Bürgern auf den Keks zu gehen, sondern bindet sie ein und findet gemeinsame, gute Lösungen, die uns wirklich voran bringen! Macht endlich gute und wirksame Politik! Es gibt genug zu tun!

 

Wolfram Theymann

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