Leserbrief von Bernd Lukoschik und Helene Freund als Antwort auf den Brief von Herrn Winkler
Am Ziel vorbeigeflogen – wer?
(zu „Am Ziel vorbeigeflogen“ im Viernheimer Tageblatt vom 13.12.2019)
Sehr geehrter Herr Winkler,
wir halten es für wichtig, dass der Bus-auf-Abruf-Vorschlag zwischen Stadt und Bürgern ausdiskutiert wird, und danken Ihnen daher, auf unseren Forumbeitrag vom 11.12.2019 geantwortet zu haben. Hier einige Einwände gegen Ihre Ausführungen.
Pkw- und Linienverkehr sind ein Problem
Wir denken nicht, mit allen unseren Argumenten „am Ziel vorbeigeflogen“ zu sein. Einerseits verweisen Sie nämlich gerade mal auf ein Argument, das Ihnen als Vorbeiflug erscheint: Sie sagen, wir seien abgeschweift, weil wir uns „im Wesentlichen“ mit den Pkws beschäftigen. Andererseits hat dieses unser Argument nichts mit Zielverfehlen zu tun, denn man kann „Bus-auf-Abruf – ja oder nein“ gar nicht anders als im Zusammenhang mit der Pkw-Situation hier in Viernheim betrachten. Sie schreiben ja selbst, der Busverkehr müsse attraktiver gemacht werden. Wie soll das gehen, wenn man nicht ein gewisses „weg vom Pkw und von dessen Gebrauch oder Missbrauch“ diskutiert, einschließlich des Bedenkens einer möglichen Pkw-Fahrbeschränkung in der Stadt? Etwas provozierend formuliert: Um die Busnutzung attraktiver zu machen, muss zugleich die Pkw-Nutzung in der Stadt unattraktiver werden.
Insofern schwingt die Pkw-Problematik immer schon mit bei der Diskussion des Linienverkehrs. Und bevor man vom Fahrgast ein Umdenken seines Mobilitätsverhaltens fordert, wäre erst einmal ein Umdenken des Pkw-Fahrers angesagt: Dadurch könnte viel mehr für Klima und Umwelt getan werden!
Zweifelhaftes Bus-auf-Abruf-System
Ein Bus-auf-Abruf-System „kann“ einen wertvollen Beitrag leisten, so schreiben Sie. Es „können“ hierzu in kürzerer Zeit mehr Haltestellen angefahren werden. Wie meinen Sie „kann“ und „können“? Können sie nun oder können sie nicht? Eine berechtigte Frage, denn an anderer Stelle sagen sie selbst, solche Bus-auf-Abruf-Konzepte seien „noch neu und müssten gründlich durchdacht werden“: „Derartige Großprojekte … brauchen …Zeit in der Planung.“
Wir wissen also noch sehr wenig. Wie können Sie dann jetzt schon von einem vernünftigen Funktionieren des Bus-auf-Abruf-Systems ausgehen, wie Ihr Beitrag suggeriert?
Zumal zusätzlich Skepsis angesagt ist, handelt es sich doch um ein „Großprojekt“, bei dem man als Bürger immer genau hinschauen sollte. Denn „Groß-„ klingt sehr nach besonderen Kosten, zumindest nach nicht abschätzbaren. Zumal das Großprojekt ja wohl mit aufwendiger Installierung von Computersystemen einhergehen wird: Kaum absehbare Folgekosten müssen befürchtet werden (s. die Deutsche Bahn)!
Verlust der Zuverlässigkeit durch virtuelle Haltestellen und Beseitigung des Fahrplans
Sie schreiben, ein Smartphone sei nicht nötig beim „Bus-auf-Abruf“. Und ein Telefon hat natürlich jeder. Ohne Smartphone und entsprechende App wird der Festnetznutzer allerdings nach Begrüßung durch einen Automaten bei einer Hotline in der musikverseuchten Warteschleife landen, bis er irgendwann sein Anliegen loswird – und das mit dem fixen Termin im Rücken! Wird er dann benachrichtigt, wenn genug andere Fahrgäste sich angesammelt haben, sodass sich eine Fahrt lohnt? Und wenn nur er allein einen Bus braucht, fährt dann dennoch ein Bus? Und wenn ein dringender Arztbesuch ansteht, kann er sicher sein, dass ihm früh genug geantwortet wird? Können Sie sich vorstellen, wie nicht nur der ältere Mensch auf heißen Kohlen sitzt? Und immer von Neuem die Tortur, bei der Zentrale nachfragen zu müssen, wenn einfach kein Rückruf kommt!?
Und das soll im Vergleich zu verlässlichen Abfahrtszeiten an nicht virtuellen Haltestellen attraktiv sein? Man kann erahnen, dass das Großprojekt vor allem wegen einer auswuchernden und kaum mehr kontrollierbaren Software zum großen Projekt wird!
Und was es heißt, sich letztlich von Algorithmen abhängig machen zu müssen: Dafür gibt es nun langsam Horrorbeispiele genug!
Bernd Lukoschik und Helene Freund