Foto: CB
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Viernheim (CB) – „In Wirklichkeit aber ist kein Ich, auch nicht das naivste, eine Einheit, sondern eine höchst vielfältige Welt, ein kleiner Sternenhimmel, ein Chaos von Formen, Stufen und Zuständen, von Erbschaften und Möglichkeiten.“ so schreibt Hermann Hesse in „Steppenwolf“.

Aber manchmal kann solch ein Sternenhimmel auch große Angst auslösen. Besonders, wenn man erst dreieinhalb Jahre alt ist, im Irak geboren, und sich unvermittelt in einem christlich geprägten Land wie Deutschland befindet. Ein Kulturcrash und dramatischer Identitätsverlust, bei dem wichtige Zugehörigkeiten zu Familie, Religion und Freund*innen, abrupt verloren gehen. Und man sich letztendlich als Kleinkind in einer Pflegefamilie in Viernheim, einem Kindergarten der Maria-Ward-Schwestern katholisch zwangssozialisiert wird oder sich gar in einem Kinderheim wiederfindet.

Heute ist Cholud Kassem eine anerkannte Künstlerin, die das Er- und Durchlebte in geheimnisvollen Chiffren malerisch aufarbeitet. Getragen von unterbewussten Impulsen entstehen fremdartige Seelendiagramme, erwachsen aus einem apotropäischen Kosmos, der als „Schutzlinge“, „Superkarmas“ oder „Pfeile“ nach außen drängt. Wie Synonyme der von Hesse beschriebenen Formen, Stufen und Zuständen verschiedener Lebenssituationen, aber auch Erbschaften und Möglichkeiten. „Erst jetzt schließt sich der Kreis!“, formuliert es die Künstlerin … Jahrzehnte später.

Mittlerweile vermag sie ihre Jahre in Viernheim bei strengen Pflegeeltern, den Exerzitien im Kindergarten und den Prügeln in einem Mannheimer Kinderheim, versöhnlicher entgegenzutreten.

Daraus entstand die Idee zu dieser Ausstellung, in der nicht nur ihre beeindruckenden malerischen Arbeiten gezeigt werden, sondern auch mithilfe von persönlichen Fotografien und Videos versucht wird, Bezüge in die anarchisch schmerzliche Identitätssuche der Künstlerin zu knüpfen. Und deshalb ist es auch naheliegend, dass die Ausstellung im Kunstverein Viernheim zu sehen ist.

Die Ausstellung wird kommenden Freitag, 2. September 2022 um 19 Uhr im Kunsthaus Viernheim, Rathausstraße 36, eröffnet. Nach einer Begrüßung durch den Vorsitzenden des Kunstvereins Fritz Stier wird der Kunsthistoriker Dr. Dietmar Schuth in das künstlerische Werk einführen.

Die Ausstellung ist dann bis einschließlich 1. Oktober zu sehen, jeweils freitags und samstags von 15 bis 18 Uhr und an den Samstagen von 10 bis 13 Uhr.