Foto: Dr.P.Dresen
Foto: Dr.P.Dresen

Viernheim (Dr.P.Dresen) – Den an Naturschutzthemen interessierten Viernheimern möchte ich hier über einen Käfer berichten, der vor 2 Jahren bei einer Pirsch im nahen Wald zufällig auf meine Schulter gelandet war. Ich war an diesem Tag im Mai mit dem Fahrrad in den Wald gefahren und hatte zu Fuß einen Streifzug durch einen kleinen, direkt neben der „Panzerstrasse“ liegenden Waldstreifen unternommen. Dieser 400 Meter lange und nur bis zu 70 Meter breite Bereich interessierte mich, da er seit dem Krieg keine forstliche Pflege mehr erhalten hatte und bis heute völlig verwildert ist. Ein nur schwer begehbares, wildes Durcheinander von alten, absterbenden Akazien, Sträuchern und Bäumen. Eine Art „Mini-Urwald“ auf kleinster Fläche. Bei dem Durchqueren des Streifens war der Käfer auf meine Schulter geraten und hatte so, als blinder Passagier – und von mir im Wald noch unbemerkt – die Fahrt nach Hause mit angetreten.
Am Hemdkragen entdeckt, wurde das stattliche und mit 8 Flecken auffällig gezeichnete Krabbeltier zunächst von mir „erkennungsdienstlich“ behandelt und von allen Seiten fotografiert. Erfolglos blieben aber zunächst alle meine Bestimmungsversuche. Erst mit Hilfe eines in Norddeutschland lebenden Käferexperten konnte seine Identität geklärt werden. Es handelte sich hier um
einen Achtfleckigen Augenbock (Mesosa curculionides). Ein in Deutschland nahezu ausgestorbener, extrem seltener Käfer, der von Fachleute auch als „Urwaldrelikt“ bezeichnet wird, da er hier nur noch in wenigen, urwaldähnlichen Waldbereichen überleben konnte. So liegt der letzte Fund des Käfers in Hessen schon mehrere Jahrzehnte zurück. Er lebt u.a. im Stamm und den Ästen alter Akazien und ist kein forstliches Schadinsekt.
Soweit so schön und so erfreulich, dass dieses Tier bei uns noch eine Überlebensinseln gefunden hat. Aber wie so oft in diesen Zeiten droht nun auch hier ihm der Untergang, denn genau in seinem sehr kleinen und eng begrenzten Lebensraum sollen im kommenden Jahr die alten Akazien gefällt und die Erde mit Baggern breit und tief aufgegraben werden, um dort eine große
Erdgasröhre versenken zu können. Es handelt sich dabei um eine vor über 20 Jahren geplante, überregionale Erdgasleitung (SEL), die Erdgas aus dem Ruhrgebiet nach Süddeutschland bringen soll. Es ist ein Vorhaben, dass eigentlich aus der Zeit gefallen ist, da Erdgas als wichtiger Energieträger aus Klimagründen nicht weiter verwendet werden soll. Nur die zwar rein technisch
mögliche, aber höchst unwahrscheinliche Verwendung der riesigen Röhre zum Transport von Wasserstoff kann hier noch als Begründung für das Vorhaben gelten. In Hessen ist mit dem Bau der Gasleitung im Vorjahr bereits begonnen worden. Von der hessisch/badischen Grenze am Viernheimer Essigzapfen aber ab, geht es derzeit nicht mehr weiter nach Süden, da sich unsere badischen
Nachbarn noch nicht über des Vorhaben verständigen konnten und seine Sinnhaftigkeit stark bezweifeln.
Ob unser Urwaldtier doch noch eine letzte Chance hat? Ich wünsche es ihm!