Mannheim (ZI)  – Forscher der Universität Heidelberg und des Zentralinstituts für Seelische Gesundheit (ZI) in Mannheim haben Bürgerinnen und Bürger zur Akzeptanz der Beschränkungen und deren Auswirkungen befragt. Dabei zeigt sich, dass die Mehrheit der Befragten mit dem Krisenmanagement der Bundesregierung zufrieden ist. Auf Menschen mit der Tendenz, an Verschwörungserzählungen zu glauben, trifft dies in deutlich geringerem Ausmaß zu. Sie waren unzufriedener mit dem Krisenmanagement und zudem seltener bereit, die Corona-App zu installieren oder sich in Zukunft impfen zu lassen.
Maskenpflicht, Abstandhalten, Kontaktbeschränkungen – der überwiegende Teil der Menschen trägt die coronabedingten Einschränkungen mit. Rund 1.300 Personen haben WissenschaftlerIn-nen der Universität Heidelberg sowie des ZI in Mannheim online danach befragt, wie sie die Maß-nahmen zur Bekämpfung der Covid-19-Pandemie wahrnehmen und damit umgehen. Mehr als 80 Prozent der Befragten gaben an, sich immer oder zumindest meistens an die Vorgaben gehalten zu haben. Auch die Akzeptanz der mit dem Lockdown verbundenen Grundrechtseinschnitte ist groß. Deutlich kritischer fällt jedoch die Abwägung zwischen gesellschaftlichem Nutzen und wirt-schaftlichem Schaden aus. Überraschend niedrig scheint die Bereitschaft zu sein, sich impfen zu lassen, sollte ein Impfstoff in Zukunft zur Verfügung stehen.
Verschwörungsmentalität hat mit Vertrauen zu tun.
Interessant – insbesondere aus psychologischer Sicht – ist für die Wissenschaftler der Zusammen-hang zwischen der Akzeptanz und Befolgung von Anti-Corona-Maßnahmen und der Tendenz, an Verschwörungserzählungen zu glauben. Je stärker die Verschwörungsmentalität der Befragten ausgeprägt war, desto weniger zufrieden waren sie mit dem Krisenmanagement der Bunderegie-rung, desto seltener waren sie bereit, die Corona-Warn-App zu installieren oder sich impfen zu las-sen, und desto höher schätzten sie auch den wirtschaftlichen Schaden im Verhältnis zum gesell-schaftlichen Nutzen ein. Wie Prof. Dr. Peter Kirsch, Leiter der Abteilung Klinische Psychologie am ZI, erläutert, spielt hier auch das interpersonelle Vertrauen eine wichtige Rolle. „Menschen, die eher an Verschwörungserzählungen glauben, sind weniger in der Lage, ihren Mitmenschen zu ver-trauen. Und dieses Vertrauen ist ebenfalls mit der Impfbereitschaft oder der Bereitschaft zur Instal-lation der App assoziiert. Die gleichen Zusammenhänge finden wir aber auch mit Blick auf das Ver-trauen in den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und die Printmedien“, sagt Kirsch.

Interdisziplinäres Projekt am Marsilius-Kolleg
Die Befragung mit insgesamt 1.351 Teilnehmern – bevölkerungsrepräsentativ nach Geschlecht, Alter und Bildung – wurde mithilfe eines sogenannten Online-Access-Panels durchgeführt und fand zwischen dem 30. Juni und dem 7. Juli 2020 statt. Sie ist Teil eines interdisziplinären Projektes am Marsilius-Kolleg der Universität Heidelberg, das sich dem Thema „Gesellschaftliche Selbstermäch-tigung“ widmet. Dabei geht es um die Bereitschaft, formelle oder informelle gesellschaftliche Re-
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geln zu missachten, weil sich die betreffende Person aus übergeordneten, insbesondere morali-schen Gründen nicht daran gebunden fühlt. Zu Ausmaß, Gründen, Folgen und Maßnahmen for-schen neben ZI-Psychologen Prof. Dr. Peter Kirsch auch der Rechtswissenschaftler Prof. Dr. Hanno Kube und der Politikwissenschaftler Prof. Dr. Reimut Zohlnhöfer.
Welche Faktoren beeinflussen Einhaltung von Regeln?
Nach einer ersten Auswertung der Befragung werden die Wissenschaftler die Daten nun umfas-send analysieren. Sie wollen herauszufinden, welche psychologischen und sozialen Faktoren die Bereitschaft beeinflussen, sich an gesellschaftliche und staatliche Regeln zu halten. Die Akzeptanz der Maßnahmen zur Eindämmung der Covid-19-Pandemie wird dabei auch verglichen mit der Un-terstützung und Teilnahme an den Fridays-for-Future-Protesten, zu denen ebenfalls Daten erho-ben wurden. Eine detaillierte Zusammenfassung der Ergebnisse der Online-Befragung sind im Internet abrufbar unter: https://www.uni-heidelberg.de/politikwissenschaften/personal/zohlnhoefer/forschung/selbstermaechtigung.html

Über das ZI
Das Zentralinstitut für Seelische Gesundheit (ZI) steht für international herausragende Forschung und wegweisende Behandlungskonzepte in Psychiatrie und Psychotherapie, Kinder- und Jugend-psychiatrie, Psychosomatik und Suchtmedizin. Seine vier Kliniken gewährleisten die psychiatrische Versorgung der Mannheimer Bevölkerung. Psychisch kranke Menschen aller Altersstufen können auf fortschrittlichste, auf internationalem Wissensstand basierende Behandlung vertrauen. In der psychiatrischen Forschung zählt das ZI zu den führenden Einrichtungen Europas. Das Institut ar-beitet eng mit der Universität Heidelberg und der Medizinischen Fakultät Mannheim der Universität Heidelberg zusammen. Mit über 1.300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ist das ZI einer der gro-ßen Arbeitgeber Mannheims. Im Rahmen des Masterplans ZI 2020 mit umfangreichen Um- und Neubaumaßnahen erweitert das ZI gegenwärtig seine Kapazitäten und schafft neuen Raum für Forschung und Behandlung.