Amt für Kultur, Bildung und Soziales: Gemeinsam gegen Kinderarmut – Kampagne der Stadt Viernheim und „Neue Wege“ zeigt erste Erfolge
Viernheim (Stadt Viernheim) – Seit rund zwei Jahren arbeitet die Stadt Viernheim gemeinsam mit dem Eigenbetrieb „Neue Wege“ des Kreises Bergstraße an einer umfassenden Aufklärungskampagne gegen Kinderarmut. Ziel ist es, Kindern und Jugendlichen aus einkommensschwachen Familien den Zugang zu staatlichen Leistungen für Bildung und gesellschaftliche Teilhabe zu erleichtern. Ein zentraler Schritt in diesem Prozess war die Gründung der Steuerungsgruppe „Kinderarmut/Bildungs- und Teilhabegesetz“, die im Rahmen ihrer Aufklärungsarbeit intensiv daran arbeitet, damit sich das Thema überall dort verankert, wo mit Kindern täglich gearbeitet wird und sozial schwache Familien aufmerksam gemacht werden können.
In einer Pressekonferenz am vergangenen Mittwoch (13. November) zog die Steuerungsgruppe, bestehend aus Bürgermeister Matthias Baaß, Dr. Melanie Marysko, Betriebsleitung „Neue Wege“, Angelina Mandel, 1. Vorsitzende des Kinderschutzbundes Ortsverein Viernheim, Rudolf Haas, Leiter des Amts für Sozialwesen und Standesamt sowie Amtsleiter Horst Stephan, Sabine Ruth und Lars Prechtl vom Amt für Kultur, Bildung und Soziales, gemeinsam mit Vertreterinnen Viernheimer Kitas und dem Kinderschutzbund eine erste Bilanz: „Gemeinsam wollen wir in Viernheim ein Bewusstsein für das Thema schaffen und Alle, die mit Kindern arbeiten, für die Thematik sensibilisieren“, erklärt Baaß. Nur so könnten Eltern auf die Fördermöglichkeiten durch das Bildungs- und Teilhabegesetz (BuT) aufmerksam gemacht werden. Und nur so kämen die Gelder auch bei den Menschen an, die sie benötigten. „Ein sichtbares Beispiel ist die Alexander-von-Humboldt-Schule, in der sich die Zahl der durch BuT-Mittel bezuschussten Mittagessen verdoppelt haben, weil die Mitarbeiterin im Stadtteilbüro Ost, Ewelina Fijalkowska, das Gespräch mit den Eltern gesucht und sie auf die Unterstützungsmöglichkeit aufmerksam gemacht hat“, berichtet Horst Stephan.
Kitas als Vorreiter: Das „System Ewelina“ wird ausgerollt
Aus diesem Hintergrund wurde in den vorausgegangenen „Runden Tischen“ 2022 und 2023 beschlossen, den Fokus zunächst auf die Viernheimer Kitas zu richten mit dem Ziel, in allen Einrichtungen ein „System Ewelina“ zu installieren. Ein Fortbildungsangebot Ende September bot den Kitas die Möglichkeit, sich zur „Armutssensiblen Kita“ weiterzubilden.
Insgesamt neun Einrichtungen nahmen an der Fortbildung teil. „Die Fortbildung war ein absoluter Meilenstein und bot einen riesigen Mehrwert für unsere Arbeit“, berichtet Eileen Schanze von der Kita Kinderdörfel, die nun neben ihrer Erziehertätigkeit seitdem als Beauftragte für Chancengerechtigkeit quasi als „Ewelina“ in der Kita fungiert. Insgesamt in sieben Kitas wurden mittlerweile solche Beauftragten etabliert, die zukünftig noch stärker ein Auge auf die Bedürfnisse der Kinder haben werden. Erste Erfahrungen als „Armutssensible Kita“ hat die evangelische Kita Arche Noah. „Wir haben bereits in unserem Team ein Konzept erstellt und nach der Fortbildung geprüft, was von uns schon gemacht wird“ berichtet die Beauftragte Jennifer Gund. „Wir achten darauf, ob das Kind dem Wetter entsprechende Kleidung trägt, ob sie Löcher hat, die Schuhe zu groß sind oder ob das Kind nach einem Wochenende das Essen in der Kita regelrecht verschlingt“. Oftmals seien es viele kleine Dinge, die einen großen Aufschluss geben würden. Und je früher man erkenne, dass Benachteiligungen vorhanden seien, desto besser. „Schon im Morgenkreis kann ich einiges erfahren, wenn ich die Kinder frage, was sie am Wochenende gemacht haben“, weiß die Leiterin des Kinderdörfel Andrea Daniel. Viele Impulse seien durch die Fortbildung entstanden, die nach und nach in die alltägliche Arbeit der Kita integriert werden sollen, so auch Christina Wieland, Leiterin der Kita Entdeckerland. „Durch die Fortbildung sind wir alle aufmerksamer und sensibler geworden, denn das Thema ist auch mit großem Scham verbunden.“ So sei zum Beispiel vorgesehen, Aktionen der Kita nach Möglichkeit von vornherein kostenfrei zu planen und anbieten zu können, um Eltern gar nicht erst in Verlegenheit zu bringen. „Und wenn das Tauschregal für Kleidung und Spielsachen unter dem Motto ‘Nachhaltigkeit‘ steht, trauen sich die Eltern auch, etwas mitzunehmen.“ Wichtig sei vor allem, das Vertrauen der Eltern zu gewinnen, so die Kitas unisono.
„Dass wir neun Kitas für dieses wichtige Thema gewinnen konnten ist beeindruckend, wenn man den aktuellen Fachkräftemangel bedenkt und dass die Kitas das alles zusätzlich zur Alltagsarbeit stemmen“, so Horst Stephan voller Anerkennung. Das gemeinsame Wirken gegen Kinderarmut habe auch zu einem großen Austausch unter den Einrichtungen geführt, durch den viele tolle Ideen entstanden seien. „Wir hoffen, dass wir auch die restlichen Kitas für das Thema begeistern können“, so Stephan.
Unterstützung durch den Kinderschutzbund
Finanzielle Unterstützung erhalten die „Armutssensiblen Kitas“ vom Kinderschutzbund Ortsverein Viernheim, der auch Mitglied der Steuerungsgruppe ist und dem das Wohl der Kinder ebenfalls besonders am Herzen liegt. „Wir haben einen Notfallfonds und dadurch die Möglichkeit, Kindern ganz schnell und unbürokratisch zu helfen“, erklärt die 1. Vorsitzende Angelina Mandel. Egal, ob es um das neue Paar Schuhe geht oder Lehrmaterial. Eine Meldung per E-Mail des Vereins, der Schule oder zum Beispiel einer Kita an den Kinderschutzbund genügt. Neu ist jetzt, dass der Kinderschutzbund jeder „Armutssensiblen Kita“ aus dem Notfallfonds ein festes Budget bereitstellt, um bei akuten Bedarfen direkt vor Ort Abhilfe schaffen zu können.
Als nächsten Schritt plant die Steuerungsgruppe, die Viernheimer Grundschulen in den Gesamtprozess einzubinden, um das Thema Kinderarmut noch tiefer in der Gesellschaft zu verankern und die bereits in Viernheim dazu hergestellte Solidarität auszuweiten.