: Von links: Leitender Pfarrer Dr. Ronald A. Givens, Ursula Scheidel, Angela Eckert, Christina Arnold, Erster Stadtrat Jörg Scheidel und Bürgermeister Matthias Baaß mit den drei Kirchen im Hintergrund, die im Rahmen des geplanten Beteiligungsprozesses im Fokus stehen.
Foto: Stadt Viernheim

Viernheim (Stadt Viernheim) – In Viernheim geht es um mehr als Gebäude – es geht um Orte mit tiefer kultureller und persönlicher Bedeutung für die Bürgerinnen und Bürger. In einer Pressekonferenz am vergangenen Freitag (1. November) bekundeten die Katholische Kirchengemeinde Hl. Johannes XXIII. und die Stadt Viernheim ihre Absicht, einen gemeinsamen Beteiligungsprozess zur zukünftigen Nutzung der Kirchengebäude zu starten. Die geplante Absichtserklärung (Letter of Intent) soll Mitte November 2024 den städtischen Gremien zur Beschlussfassung vorgelegt werden und als Grundlage für diese Zusammenarbeit dienen. Bürgermeister Matthias Baaß, Erster Stadtrat Jörg Scheidel und Stadtplanerin Carolin Schmidt, Amt für Stadtentwicklung und Umweltplanung sowie von Seiten der Kirchengemeinde Hl. Johannes XXIII. Viernheim, Leitender Pfarrer Dr. Ronald A. Givens, Verwaltungsleiterin Christina Arnold, Koordinatorin Angela Eckart und Vorsitzende des Pfarreirats Ursula Scheidel stellten die Eckpunkte der angestrebten Zusammenarbeit vor.

 

Alle Teilnehmenden betonten den Wunsch, die historische und kulturelle Bedeutung der Kirchengebäude zu bewahren und sie einer neuen Nutzung im Sinne der Stadtgesellschaft zuzuführen. „Kirchen sind prägende Orte in unserer Stadt, die oft eng mit den Lebensgeschichten unserer Bevölkerung verknüpft sind und auch unmittelbaren Einfluss auf das Leben in den jeweiligen Stadtteilen haben“, so Bürgermeister Baaß. „Die Stadt Viernheim und die katholische Kirchengemeinde wollen sich daher dazu aufmachen, einen gemeinsamen Weg zu finden, wie diese Kirchengebäude sinnvoll und nachhaltig umgenutzt werden können.“

 

Drei Kirchen im Fokus

In den letzten Jahren hat sich die Situation der katholischen Kirche in Viernheim, wie auch im Bistum Mainz, deutlich verändert. Während es bis vor einigen Jahren noch drei Pfarrgemeinden in der Stadt gab, wurden diese auf eine einzige große Pfarrgemeinde zusammengeführt. Trotz dieser Entwicklung existieren nach wie vor vier Kirchengebäude, von denen jedoch nur noch eine, die Apostelkirche, regelmäßig für Gottesdienste genutzt wird.

 

Dieser Rückgang ist ein Symptom der allgemeinen Entwicklung der katholischen Kirche, die vielerorts mit sinkenden Mitgliederzahlen, weniger Gottesdienstbesuchern und einer Zusammenlegung von Gemeinden konfrontiert ist.

 

Angesichts der Tatsache, dass drei Kirchen nun für ihren ursprünglichen Zweck nicht mehr benötigt werden, stellt sich die Frage nach ihrer zukünftigen Nutzung. „Diese Herausforderung erfordert sensible Lösungen, die den Denkmalschutz, das kulturelle Erbe und die Bedürfnisse der Stadtgesellschaft sowie der katholischen Kirche gleichermaßen berücksichtigen,“ so Erster Stadtrat Jörg Scheidel.

 

Der pastorale Weg und seine Auswirkungen

Pfarrer Dr. Givens und Ursula Scheidel erläuterten die Hintergründe des pastoralen Wegs im Bistum Mainz, der auf die Veränderungen in Kirche und Gesellschaft reagiert. Die Kirchengebäude in Viernheim wurden kategorisiert, wobei nur die Apostelkirche weiterhin für Gottesdienste genutzt wird. Diese prägt als zentrale Kirche zwar das Stadtbild von Viernheim, bündelt jedoch auch erhebliche Ressourcen: Ein Großteil der verfügbaren Mittel, das Personal und das Ehrenamt konzentrieren sich hier. Die Vorgabe des Bistums, die Immobilienlast der Kirchengemeinde um 50 Prozent zu reduzieren, wird durch den hohen Bedarf der Apostelkirche rasch erschöpft. Für die anderen Kirchengebäude, die Marienkirche und die Michaelskirche, werden alternative Nutzungsmöglichkeiten gesucht, während die Hildegardkirche abgegeben werden muss.

 

„Der Prozess ist schmerzlich und wir sind mit den Ideen an unsere Grenzen gekommen“, berichtet Dr. Ronald A. Givens. „Da die Kirche bereits in der Vergangenheit mit der Stadt als Partner Gebäude umgewandelt hat, haben uns die positiven Erfahrungen bestärkt, auch diesen Weg gemeinsam zu gehen.“ Der Leitende Pfarrer weiter: „Wir sind offen für Veränderung, denn die Not ist groß. Keinem Gebäude tut es gut, wenn es leer steht und nicht genutzt wird. Die Kirchen aber verfallen lassen, weil sich nichts verändern darf, ist keine Lösung.“ Dem fügte Baaß hinzu: “Die Gemeinde zeigt hier große Offenheit für neue Lösungen, aber es gibt auch bestimmte Rahmenbedingungen Seitens der Kirche als Eigentümer und diese gilt es zu respektieren.“

 

Gemeinsam gestalten

Ein sehr wichtiger Aspekt ist die Einbindung der Bevölkerung, damit sind sich alle Akteure einig. Viele Menschen verbinden persönliche Erinnerungen mit den Kirchengebäuden, sei es durch Taufen, Hochzeiten oder andere bedeutende Ereignisse in ihrem Leben. Umso wichtiger ist es, dass sie aktiv in den Prozess der Umnutzung einbezogen werden. „Die Erfahrungen in ähnlichen Projekten haben gezeigt, dass eine frühe und umfassende Bürgerbeteiligung nicht nur die Akzeptanz für neue Nutzungskonzepte fördert, sondern auch innovative Ideen und Lösungen hervorbringt, die den Bedürfnissen der Stadtgesellschaft gerecht werden. Darüber hinaus bietet die Umnutzung der Kirchengebäude die Möglichkeit, neue Räume zu schaffen, die zur Belebung des städtischen Lebens beitragen“, hob Scheidel die Bedeutung dieser Partizipation hervor. Auch die Diözese blicke gespannt als Lernchance und Beispiel für die Zukunft auf den neuen Weg, der in Viernheim gegangen wird, ergänzte Dr. Givens. Bisher wurde der Prozess nicht für die breite Bevölkerung geöffnet. Der Bürgerbeteiligungsprozess soll Anfang des kommenden Jahres starten und im besten Fall auch 2025 abgeschlossen werden.

 

Anschließend erläuterte der Erste Stadtrat die Inhalte des geplanten Letter of Intent: „Die Absichtserklärung ist aufgebaut wie ein Vertrag, der die Ziele, Absichten und Aufgaben von Kirche und Stadt enthält. Außerdem wird die Kostenverteilung geregelt, wobei die Kirchengemeinde 60 Prozent und die Stadt folglich 40 Prozent trägt.“ Die Federführung läge, so Scheidel, bei der Kirche und die Stadt unterstütze mit den Erfahrungen in Sachen Stadtplanung. Die Absichtserklärung selbst ist rechtlich nicht bindend, verdeutlicht aber den gemeinsamen Willen der Beteiligten, die Zukunft der Kirchengebäude partnerschaftlich zu gestalten.

 

„Die Gremien der Kirche haben sich bereits für den gemeinsamen Weg ausgesprochen, um neue Ideen, andere Blickwinkel in den Prozess einfließen zu lassen“, so Dr. Givens. „Jetzt muss noch das Stadtparlament zustimmen“, erklärt der Bürgermeister den weiteren Ablauf. Die Absichtserklärung wird in der Sitzung des Bauausschusses am 12. November und anschließend in der Stadtverordnetenversammlung am 15. November diskutiert.