Foto: Bündnis 90/Die Grünen

Jedes Jahr im Sommer wird sie wieder diskutiert: die Regenbogenflagge. Mal geht es um die Frage, ob sie an öffentlichen Gebäuden wehen darf, mal darum, ob sie zu „politisch“ sei, zu „bunt“, zu „viel“. Und immer mitschwingend der unausgesprochene Zweifel, ob queere Menschen nicht vielleicht einfach zu laut sind mit ihren Forderungen, zu sichtbar, zu präsent.

Doch wer so fragt, hat etwas Entscheidendes nicht verstanden. Denn die Regenbogenflagge ist kein Deko-Element und keine Provokation. Sie ist ein Zeichen von Überleben, ein Symbol von Zugehörigkeit – und für viele ein stiller Schutzschild in einer Welt, die sie oft nicht anerkennt.

Wer heute als queerer Mensch sichtbar lebt, setzt sich nicht nur der Diskriminierung, sondern auch der Gefahr Opfer von Beschimpfungen oder Gewalttaten zu werden, aus. Laut der Statistik des BKA wurden im Jahr 2023 insgesamt 1785 Straftaten gegen Queere verübt, dass eine Zunahme von 50% innerhalb eines Jahres bedeutet und die Dunkelziffer ist viel höher! Queere Verbände gehen von einer Rate von 80- 90% aus, die aus Angst, Scham, Zwangsouting oder sonstigen Gründen die Taten nicht anzeigen. Die Täter stammen zumeist aus dem rechten Spektrum.

Daher ist es umso wichtiger, dass die Regenbogenflagge in diesem Kontext nicht als buntes Accessoire, sondern als Signal verstand wird im Sinne: Du bist nicht allein. Du bist willkommen. Du darfst hier sein. Und genau deshalb ist sie so wichtig – gerade an öffentlichen Orten, wie auf Dächern von Parlamenten oder wie bei uns in Viernheim vor dem Rathaus!

In Zeiten in dem der CSD in Budapest vom ungarischen Staat verboten wurde, in Gelsenkirchen der CSD aus Sicherheitsgründen abgesagt werden musste, Rechte Gruppen die CSDs mit Gegendemos zu verhindern versuchen bzw. die Teilnehmer*innen ängstigen zu den CSDs zu gehen und die AFD die Regenbogenflagge durch einen Antrag im Bundestag verhindern möchte, gerade dann erwarten wir Haltung von der Bundesregierung! Frau Klöckner bedient sich zudem der Argumentation der AFD und beruft sich auf das Neutralitätsrecht, obwohl Frau Faeser 2022 als Ministerin für Inneres und Heimat den Erlass ermöglichte, dass an allen Dienstgebäuden zu bestimmten Anlässen die Regenbogenflagge gehisst werden darf und somit nicht dem Neutralitätsgebot folgen muss! Wäre es nicht angemessener gewesen, in dieser Zeit Solidarität zu zeigen und wie gewohnt am Berliner CSD zu flaggen oder ist es ein taktisches Kalkül sich der rechten Seite anzubiedern?

Letztendlich geht bei dieser Diskussion nicht um Empfindlichkeiten. Es geht um Menschenwürde. Und die ist – das steht schon in Artikel 1 des Grundgesetzes – nicht verhandelbar. Sie gilt nicht nur für die Mehrheit. Sie gilt für alle. Und gerade deshalb müssen wir besonders dort hinschauen, wo sie am meisten infrage gestellt wird: bei Minderheiten.

Wenn wir nun beginnen Minderheiten unsichtbar zu machen und nach und nach Grundrechte einschränken oder gar wegfallen lassen, wer ist dann als nächstes dran? Wann ist der Point of no return erreicht und die Zerstörung unserer Demokratie nicht mehr auf zu halten? Die Demokratie ist fragil. Wir dürfen von einen Berufspolitiker wie unseren Bundeskanzler Herr Merz erwarten, dass er bedächtig Worte für Minderheiten wählt! Wir dürfen auch von Herrn Merz erwarten, dass er ein Kanzler für ALLE Menschen ist, die er mit Respekt behandelt, Solidarität zeigt und alles Erdenkliche an den Tag legt, damit Rechte in ihrer rechten Ideologie nicht noch bestärkt werden!

So lange queere Menschen ausgegrenzt, verspottet oder angegriffen werden, braucht es diese Flagge als Bekenntnis, zu einer offenen Gesellschaft, zu gelebter Vielfalt, zu echter Gleichberechtigung.

Sie zu zeigen, ist kein Zeichen von Übertreibung – sondern von Haltung. Und wenn wir ernst meinen, was in unserer Verfassung steht, dann müssen wir auch die Würde derjenigen schützen, deren Leben nicht der Mehrheit entspricht.

Denn genau dafür ist sie da: die Regenbogenflagge – und die Würde, die sie sichtbar macht.

Zum heutigen ersten CSD Bergstrasse in Bensheim wünschen wir einen Happy Pride!

Gabriella Römmelt, Sebastian Heß, Ina Dewald

Bündnis 90 / Die Grünen