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Kreis Bergstraße (GEW) –  Eine Antwort auf die Frage, wie es möglich war, dass Menschen den Holocaust zulassen und ihn sogar unterstützen konnten, konnte noch nie zuverlässig gegeben werden.
Allerdings gibt es klare Hinweise darauf, wo solche schrecklichen Entwicklungen ihren oft unscheinbaren Anfang nehmen und praktisch niemand sicher davor gefeit ist, dem Ungeist anheim
zu fallen. Dies unterstrich Tony Schwarz, Vorstandsmitglied des Bergsträßer Kreisverbandes der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) bei der Veranstaltung anlässlich des Tags zum
Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus am „Stolperstein“ in Bensheim.
Schwarz machte deutlich, dass den Anfängen zu wehren auch bedeutet, achtsam zu sein in Sprache und Handeln. Exemplarisch pickte er das Wort „Die“ heraus, das oft arglos verwendet
wird, oftmals Menschen rücksichtslos über einen Kamm schert und somit ein trennendes Element darstellt. Es gebe nicht „die“ Lehrer, „die“ Schwulen, „die“ Politiker, „die“ Reichen, auch nicht „die“Amis, „die“ Russen, „die“ Merkelvasallen oder „die“ Coronaleugner. „Die führt immer zu Distanz, zu Spaltung. Die verleitet zu schnellen negativen Attributierungen. Die macht Schuldzuweisungen einfach. Die führt zu: Hier sind wir und da sind die“, so Schwarz.
Was vielleicht noch scherzhaft beginnt, münde nicht selten in hasserfüllter Sprache im Stile der „linksgrün versifften Politiker“. „Und es endet möglicherweise, wenn es unhinterfragt,
unwidersprochen bleibt, irgendwann bei der massenhaften Verbreitung eines der schlimmsten aller Sätze: Die Juden sind unser Unglück“, wies der Gewerkschafter deutlich darauf hin, welch
unheilvolle Kraft von Worten ausgehen kann. Die Postulierung eines monolithischen, negativ konnotierten „Die“ sei eines der Anfangsmechanismen des Totalitarismus und des Faschismus,
welche den Prinzipien einer aufgeklärten, demokratischen und pluralistischen Gesellschaft entgegenliefen.
Das zweite „Wehret den Anfängen“ solle darin liegen, die Losung „Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg“ als Schlussfolgerung aus der deutschen Geschichte ernst zu nehmen und in der
Aussage nicht zu trennen. „Krieg ist Krankheit, keine Lösung. In diesem Sinne ist es uns als Gewerkschaftern, die sich auch als Teil der weltweiten Friedensbewegung verstehen, eine Pflicht,
deutscher Kriegsbeteiligung wie und wo auch immer entgegenzuwirken und darauf zu drängen, dass unser Land seine Rolle im Ausgleich und in der Vermittlung sucht“, betonte Schwarz. Dazu
gehöre auch, der schleichenden Militarisierung der Gesellschaft entgegenzutreten und es nicht zuzulassen, dass Gewalt wieder als probates Mittel der eigenen Interessenvertretung angesehen
werde: „Auch dieser Ungeist war ein Pflasterstein auf dem allzu kurzen Weg nach Auschwitz.“
Sabine Allmenröder vom Evangelischen Dekanat Bergstraße nahm Bezug auf die Instrumentalisierung des Judensterns oder Vergleiche mit Anne Frank und Sophie Scholl bei Coronaprotesten. Es sei schwer erträglich, dass so etwas in Deutschland möglich sei. Von daher sei es wichtig, den Feinden der Demokratie nicht das Feld zu überlassen. Auf den neuen Antisemitismus, der von Schulhofbeleidigungen über Verschwörungsmythen bis hin zum Anschlag von Halle reiche, bezog sich Manfred Forell von der Initiative „Vielfalt.Jetzt!“ Es sei wichtig die Erinnerung wach zu halten, allerdings sei ein aktives Auftreten gegen solche Entwicklungen von nicht minderer Bedeutung.
Hilde Kille von den DGB Frauen verdeutlichte in ihrem Beitrag, dass es notwendig sei, dass die Gesellschaft klare Kante gegen rechts zeige. Sie führte weiter aus, dass der Kampf gegen
Antisemitismus, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit weiter eine zentrale gewerkschaftliche Aufgabe bleibe. Günther Schmidl vom DGB Bensheim wies auf die Bedeutung hin, die Erinnerung an das dunkelste Kapitel der deutschen Geschichte wachzuhalten. Dies sei die beste Prävention gegen rechtsextremistische Tendenzen. In die Abartigkeit des nationalsozialistischen Denkens gab Franz Beiwinkel vom DGB Heppenheim einen Einblick. Er zitierte aus den Protokollen der Wannseekonferenz, die den kompletten Verlust jeder Menschlichkeit auf erschreckende Weise dokumentieren.