Neues vom Berufsbildungszentrum in Viernheims Partnerstadt Silly – Ausbildungsgänge im technischen Bereich ganz oben auf der Wunschliste – Interview mit Abbé René Nana
Viernheim (MW) – Im Jahr 2010 sind Bernhard Finkbeiner und Klaus Hofmann durch Burkina Faso gereist und haben sich verschiedene Berufsausbildungsstätten angesehen. Ziel war es, für den Partnerschaftsverein Focus e. V. einen geeigneten Träger für das damals geplante Berufsbildungszentrum zu finden. Dabei hatte die Schulabteilung der katholischen Kirche der Diözese Koudougou das überzeugendste Konzept. Sie ist nun seit 2012 für das Berufsbildungsbildungszentrum in Silly als einheimischer Träger tätig und Abbé René regelt als Hauptverantwortlicher alle wichtigen Angelegenheiten bis zum heutigen Tag zur vollsten Zufriedenheit des Vorstands von Focus e. V. Das folgende Interview mit Abbé René wurde per Mail und einem Messenger-Dienst geführt.
Abbé René, im letzten Jahr wurden im Berufsbildungszentrum (BBZ) eine Reihe von jugendlichen Geflüchteten aufgenommen. Wie haben sich die Jugendlichen integriert?
Am Anfang war es nicht einfach für die jungen Menschen. Es gab kollektive und persönliche Krisen, aber mit der Unterstützung einiger Leute wie Psychologen und Priester konnten wir diese Krisen lösen. Die jungen Menschen, die aus ihren Dörfern geflohen sind, haben sich gut integriert, auch wenn einige ohne Vorwarnung zurückgekehrt sind. Diejenigen, die geblieben sind, sind größtenteils vorbildlich in Arbeit und Verhalten. Das Problem der psychologischen Betreuung der jugendlichen Geflüchteten bleibt jedoch bestehen.
Das BBZ ist nicht nur eine Ausbildungsstätte, sondern auch ein „Produktionsbetrieb“, um zumindest einen Teil der Kosten zu erwirtschaften. Was wurde und wird auf den Feldern angebaut bzw. in den Werkstätten gefertigt?
Frischer Mais, Zwiebeln, Tomaten, Auberginen, Paprika, Chili, Zucchini, Karotten, Gurken, Salate, Kohl. Auf den Feldern, meist mit Lohnarbeitern, Mais, Erdnüsse, Bohnen, Soja, Kartoffeln, Maniok und Wassermelonen. Dabei wird bewusst auf den Einsatz von rein biologischen Pestiziden gesetzt, was den Ertrag etwas geringer ausfallen lässt. In den Werkstätten wurden in Zusammenarbeit mit Frauengruppen Seifen und Cremes hergestellt. Die Hühnerzucht produziert Eier und verkauft die Hühner.
Wie stellen Sie sich die Entwicklung des BBZ für die Zukunft vor?
Ich möchte eine Intensivierung der Ausbildung in den Bereichen Geflügelzucht, Imkerei und Fischzucht (Wasserrückhaltebecken). Dabei sollen insbesondere Kurse für die einheimische Bevölkerung angeboten werden. Außerdem ist die Erweiterung durch die Zucht von Legehennen, Truthühnern, Perlhühnern, Schafen, Ziegen und Schweine in der Planungsphase. Aber auch Strauße, Gänse und Pfauen schweben mir vor. In dieser Saison wurden 350 Bäume gepflanzt. Insgesamt möchte ich die Produktionsmenge weiter erhöhen.
Weitere Förderung der Ausbildung hinsichtlich der Anpflanzung und der Pflege von Obstbäumen und zusätzlichen Obstsorten und die Weiterverarbeitung zu getrockneten Früchten und Konfitüre.
Erweiterung des Pflanzen-Sortiments in der Baumschule, z. B. Kakao-, Mango- und Avocadobäume, Ananas, Zwerg-Guave, Sahel-Äpfel und Artemisia.
Eine meiner Herzensangelegenheiten ist die Erweiterung um weitere Ausbildungsberufe und Ausbildungsstätten: Nähen und Weben, Schmiede und Schweißerei, Metallverarbeitung, Landwirtschaftsmechanik, Elektrifizierung durch Solartechnik, Schreinerei. Allerdings scheitert das aktuell an den hohen Kosten, sowohl für die notwendigen Investitionen als auch für die laufenden Ausgaben. Ansonsten wären es keine zu großen Probleme für uns, die neuen Ausbildungsgänge einzurichten.
Außerdem ist mir die Einführung neuer Ausbildungsmodule in allgemeinbildenden Bereich besonders wichtig: Staatsbürgerkunde, Lebenskompetenz, Gender, Kommunikation am Arbeitsplatz, Friedens- und Toleranztraining.
Wir haben erfahren, dass die deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) Kontakt mit dem Berufsbildungszentrum aufgenommen hat.
Vor einiger Zeit haben Vertreter der GIZ unser Zentrum besucht. In einem Workshop loteten wir die Möglichkeiten einer Zusammenarbeit aus. Die getroffenen Vereinbarungen sind äußerst positiv für beide Vertragspartner. Das BBZ wird ein Schulungszentrum sowohl für die Produktion von Masthühnern als auch für die Pflege von Obstplantagen sein. Es sollen mehr als 180 Personen pro Jahr aus ganz Burkina Faso in Modulform ausgebildet werden. Die GIZ wird diese Maßnahmen finanzieren. Es hat sich gelohnt, dass wir in den letzten Jahren mithilfe von Focus e. V. sowohl die Ausbildungsstätten als die Unterkünfte stetig ausbauen konnten.
Gibt es Dinge im menschlichen Miteinander der Bewohner des Ausbildungszentrums, die Sie uns erzählen wollen?
Ja. Wer Geburtstag hat, kauft Süßigkeiten (wenn er kann) und wir treffen uns zu einer kleinen Feier, bei der jeder mitbringt, was er hat, und wir teilen untereinander.
Die Menschen in Burkina Faso sind traditionell sehr religiös und sehr tolerant zu Andersgläubigen. An religiösen Festtagen der unterschiedlichen Glaubensrichtungen gibt es ein besonderes Essen, und die Auszubildenden, die der jeweiligen Religionsgemeinschaft angehören, organisieren ein kleines Fest. Das sind wirkliche Momente der Brüderlichkeit und des Austauschs. Wir fühlen uns wie eine Familie trotz der unterschiedlichen Religionszugehörigkeit.
Wir haben einen Tag der Brüderlichkeit und des Friedens organisiert, um diejenigen willkommen zu heißen, die aus ihren Dörfern vor den Terroristen geflohen sind. An diesem Tag veranstalteten wir eine Konferenz zum Thema Frieden und Zusammenleben und nahmen ein einfaches, aber dennoch festliches Essen ein. Am Abend trafen wir uns und einige der Flüchtlinge gaben Zeugnis über ihre Flucht, und wir schlossen den Tag mit einem Gebet der verschiedenen Religionen für den Frieden mit der Verpflichtung, den Frieden um uns herum zu pflegen.
Ausbildungsmodule im Berufsbildungszentrum (Auswahl)
Modul 1: Aufbau eines landwirtschaftlichen Betriebs, Gemüseanbau, Baumzucht, Tierhaltung
Modul 2: Anbau von Getreide, Ölsaaten, Hülsenfrüchten und Obstbäumen
Modul 3: Pflanzliche Erzeugung
Modul 4: Tierische Erzeugung
Modul 5: Tier- und Pflanzengesundheitsmanagement
Modul 6: Führung eines landwirtschaftlichen Betriebes mit Viehzucht und Baumzucht
Modul 7: Vermarktung der landwirtschaftlichen, tierischen und pflanzlichen Erzeugung
Modul 8: Vorbeugende Wartung von landwirtschaftlichen Geräten
Modul 9: Kommunikation in einem professionellen Umfeld zur Vorbereitung auf das Praktikum
Modul 10: Imkerei